Deutschrap äußert sich gegen Polizeigewalt - und das ist auch gut so

Erst vor einigen Tagen haben wir über Dardans Äußerungen zu einem Fall von Polizeigewalt berichtet. Und nur einen Tag später macht ein anderes Video zum Thema Polizeigewalt des Essener Omar Ayoub auf Instagram die Runde. Darin erzählt der junge Mann, dass er gemeinsam mit seiner Frau seine Familie besuchte. Als dann die Polizei bei der Familie aufgrund von Ruhestörungs-Meldungen klingelte, soll der Essener der Polizei an der Tür versichert haben, dass es hier zu keiner Ruhestörung gekommen sei. Allerdings gab sich die Polizei damit nicht zufrieden und kündigte an, das Haus zu durchsuchen, was der junge Mann ohne Beschluss nicht akzeptieren wollte. Daraufhin eskalierte laut Omar Ayoub die Situation. Sowohl er, als auch sein Vater, seine schwangere Frau, sowie seine 16-jährige Schwester wurden laut eigener Aussage von der Polizei tätlich angegriffen. Später auf der Wache warf man ihnen laut des Videos außerdem aufgrund ihres Nachnamens vor, Teil eines kriminellen Clans zu sein. Rassismus at it’s best!

https://www.instagram.com/p/B_fk3K1nB_I/

Das Video wurde von vielen Akteuren des Deutschraps, darunter Nura, PA Sports und Shirin David, geteilt und auf die allgemeine Problematik von Polizeigewalt in Deutschland aufmerksam gemacht. PA Sports fordert in seiner Instagram Story den Essener Bürgermeister Thomas Kufen dazu auf, die beiden Polizisten sofort zu suspendieren und auch weitere Fälle in die Richtung aufzuklären.

Auch der Berliner Rapper Mauli teilte das Video mit der Caption „2020!“ und hat damit einen Punkt getroffen. Warum wird 2020 immer noch so wenig über Missstände und Polizeigewalt in Deutschland diskutiert? Immerhin wurden erst kürzlich 67 Polizisten in Bayern vom Dienst suspendiert, weil ihnen unteranderem der Besitz von Kinderpornographie, Drogen und Kontakte in die Reichsbürgerszene vorgeworfen werden.

Polizeigewalt ist kein Einzelfall

Rechtsextreme Polizisten, unnötige Anwendung von Gewalt und Machtsmissbrauch sind sicherlich keine Einzelfälle mehr, wie auch der Deutschlandfunk schon richtig anmerkte. Das Problem: Viele Minister und Polizeichefs sträuben sich laut dem Hamburger Polizeiakademie-Chef Model davor, die Einstellung der eigenen Polizisten zu überprüfen, da sie Angst vor den Ergebnissen haben. Die Polizei als Institution hat also selbst kein Interesse daran, zu wissen wieviel rechte und unzurechnungsfähige Polizisten unter ihnen sind. Das ist ein Problem, dafür müsste es unabhängige Stellen, außerhalb der Polizei geben, die regelmäßig Untersuchungen anstellen. Als Profi-Fußballverein kann ich mich auch nicht weigern, meine Spieler auf Dopingmittel untersuchen zu lassen, aus Angst, es könnte wirklich jemand gedopt haben. Warum funktioniert das also bei einer so wichtigen Instanz wie der Polizei?

Doch nicht nur die Dunkelziffer aufgrund von fehlender Kontrolle spielen bei der Thematik eine Rolle. In einer Reportage der Kollegen von Puls erzählt ein aktiver Polizist, der zu seinem eigenen Schutz unkenntlich gemacht wird, dass es immer wieder zu Situationen kommt, in denen er die Gewalt seiner Kollegen für übertrieben halte. Allerdings könne er sich in diesem Moment nicht gegen seine eigenen Kollegen stellen, da dies die Autorität der Polizei unterschlage. Und gegen einen Kollegen auszusagen, was natürlich die Voraussetzung für ein Verfahren wäre, würden sich die meisten Polizisten aus Angst vor Ausgrenzung nicht trauen.

Außerdem wird in der Reportage eine Studie aufgegriffen, die besagt, dass es fünf Mal mehr rechtswidrige Taten von Polizeigewalt gäbe, als in offiziellen Statistiken aufgeführt. Nur neun Prozent aller Betroffenen würden Anzeige erstatten und nur sieben Prozent der Angeklagten Polizisten würden schlussendlich auch verurteilt werden. Wir sehen also auch hier: Polizeigewalt ist ganz bestimmt kein Einzelfall.

Polizeiversagen wird durch Kollegen gedeckt

Dass der Zusammenhalt von Polizisten und dem Rechtsstaatapparat sogar soweit gehen kann, dass eine fahrlässige Tötung durch Polizisten über lange Zeit nicht verurteilt wird, zeigt die Folge „110 – bei Anruf Tod“ des Crime-Podcasts „Zeit Verbrechen„. Darin erzählt die Zeit-Chefredakteurin Sabine Rückert von einem Fall, in dem zwei Polizisten einen gerade 18-jährigen betrunkenen Mann vor einem Familienhaus aufgriffen. Der gleiche junge Mann wird am nächsten Morgen allerdings tot aufgefunden. Wie sich später herausstellte, haben die beiden Polizisten den Jungen einfach an der Grenze ihres Zuständigkeitsgebiets abgesetzt und ihn sich selbst überlassen. Bis beide dafür zur Rechenschaft gezogen wurden, ging die Familie des Verstorbenen allerdings durch einige Gerichts-Instanzen.

Natürlich benötigen wir eine Polizei. Wir sollten uns aber bewusst machen, dass auch Polizisten Fehler machen und ihnen nicht einfach blind vertrauen. Nur wenn Missstände kritisiert werden und Polizeiversagen angeprangert werden darf, kann die Polizei auch wirklich unser Freund und Helfer sein. Bis dahin wird es immer Leute in den Polizeiämtern geben, die ihre Macht und ihr Vertrauen, das sie von vielen Menschen bekommen, ungehindert ausnutzen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Wenn deutsche Rapper in ihre Texten Polizisten also als Bastarde oder Hurensöhne beleidigen, weil sie durch eine kriminelle Vergangenheit mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, ist das bestimmt nicht immer ganz korrekt. Allerdings sollten sich Deutschraps-Kritiker, die die Jugend durch Staatsfeindliche Texte bedroht sehen, vor Augen halten, dass hinter all dem Hass gegen den Staat auch häufig Erfahrungen mit ungerechten oder rassistische Taten der Staatsgewalt stecken.

Kommentar von Michael Gnahm