Wie Nazis HipHop für ihre Zwecke benutzen

Xavier Naidoo kündigte vor kurzem in einem Interview eine mögliche Zusammenarbeit mit dem rechtsextremen Rapper Chris Ares an. Rechtsextreme und Rap. Was früher undenkbar schien, ist mittlerweile Teil einer Strategie der neuen Rechten. Umso wichtiger ist es, sich damit zu beschäftigen. Denn wie die Kultur Wissenschaftlerin Anna Groß bereits 2015 in einem Interview mit der Juice bemerkte: „Überall dort, wo Nazi-Tendenzen verschwiegen und verdrängt werden, breiten sie sich aus“. Um das zu verhindern, dürfen wir das Thema nicht mehr ignorieren, sondern müssen uns klarmachen, wie Nazis HipHop für ihre Zwecke benutzen:

Die Ursprünge: Wie sich das Bild der Rechten auf HipHop änderte

HipHop war für Nazis lange Zeit ein Tabu Thema. Die Kultur wurde von Vertretern rechter Ideologien abgelehnt. Das hatte natürlich rassistische Gründe: Mit seinem Ursprung in der afroamerikanischen Unterschicht, galt HipHop als unarisch und vaterlandsfremd. Als man Nazis vor allem in Springerstiefeln und mit Glatze kannte, wurde vor allem Rechtsrock gepumpt. Das änderte sich spätestens im Jahr 2010

In diesem Jahr betrat der Gütersloher Rapper Makss Damage die Bühne der rechten Musikszene. Ursprünglich war Julian Fritsch, so sein bürgerlicher Name, mal in der linken Szene unterwegs. Rappte von „Lenin“ und der „Kommunisten Power“. Verscherzte es sich dann aber durch homophobe und sexistische Lines immer mehr mit seinen alten Freunden. Plötzlich wandte er sich dann aber dem rechtsextremen Milieu zu. Und sah im Rap schon früh vor allem ein Propagandainstrument für Nazis. In einem Interview mit einem rechtsradikalen Sender, sagte er bereits 2012: „Ich denke, es gibt im Moment keine bessere Möglichkeit, als in den […] NS-Rap zu investieren und diese musikalische Bewegung […] im Aufbau zu unterstützen.

Klar, es gab auch vor Damage rechten Rap. Andere Crews nutzten schon Anfang der 2000er den Sprechgesang, um ihre rassistischen Ideologien zu verbreiten. Aber erst mit Makss Damage änderte sich die Sicht der Rechten auf den HipHop vollends.

HipHop passt perfekt in die Strategie der neuen Rechten

Diese neue Popularität verdankt der HipHop auch einer geänderten Strategie der neuen Rechten. Neue rechtsradikale Bewegungen grenzen sich nicht mehr gezielt von der Gesellschaft ab, sondern versuchen sich bewusst ein bürgerliches Image überzustreifen. Glatze und Springerstiefel werden gegen Undercut und Nike Sneaker getauscht. Man gibt sich fortan als hippe Rebellen statt als prügelnde Chaoten. Was wäre für diesen Imagewechsel besser geeignet als HipHop. Der gilt immerhin als die größte Jugendkultur der Welt. Das ist auch den Rechten nicht entgangen.

Die Identitäre Bewegung, kurz IB, gilt als Vorreiter in Sachen Imagepolierung. Die im Juli 2019 vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Bewegung, sorgt mit erschreckend professionell gestalteter Öffentlichkeitsarbeit immer wieder für Aufsehen. Obwohl die IB schätzungsweise gerade einmal 600 Mitglieder angehören, erreichen ihre Aktionen ein vielfach größeres Publikum. Ihre Videos, beispielsweise die „Besetzung“ des Brandenburger Tors, werden hunderttausendfach geklickt. Im Tagesspiegel beschreibt der Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent die IB als „Inszenierung einer Jugendbewegung„. Ihre Funktion für die rechte Szene, sei es die Jugend zu rekrutieren. Denn, „eine Bewegung, die sich wie die radikale Rechte inszeniert nach dem Motto „Uns gehört die Zukunft“ – die braucht eben auch eine Jugend.

Sprecher der IB ist der Österreicher Martin Sellner. Der betreibt einen YouTube Channel, hört HipHop und hasst den Islam. Schon vor Jahren sprach er dem HipHop eine wichtige Rolle im Kampf für Ehre und Vaterland zu und postet regelmäßig die neusten Videos des Rapper Chris Ares.

Ares, ebenjener mit dem sich Xavier Naidoo zukünftig eine Zusammenarbeit vorstellen kann, gilt als einer der Shootingstar der Rechtsrap Szene. Er rappt von Heimatliebe, Vaterland und Stolz. In seinen Videos taucht immer wieder das Logo der IB auf, und ähnlich wie die Bewegung, gibt auch er sich als friedliebender Patriot. Wo MaKss Damage noch rappte „Ich leite Giftgas lyrisch in Siedlungen, die jüdisch sind„, hört man von Ares eher Sätze wie „Wir kämpfen für die Ahnen hier im Land„. Die Strategie bleibt trotzdem die Gleiche: Rechte Ideen sollen unters Volk gebracht werden. Und da macht Ares auch gar keinen Hehl draus. Im August 2018 äußerte er sich in einem Interview folgendermaßen:

Den linken Meinungskorridor gilt es kontinuierlich zu verschieben. Da sind gerade wir Metapolitiker gefragt. Es gilt immer wieder Worte einzubringen, die dann debattiert werden, die früher vielleicht unmöglich gewesen wären. So können wir diesen Korridor Stück für Stück verschieben.

Noch unverhohlener klingt da ein weiterer Star des Rechtsrap. Ein mutmaßlicher Österreicher, gibt sich noch weniger Mühe mit der Verschleierung seiner Geisteshaltung als Ares. Er klaut sich die Beats von Future, Travis Scott und Co. und verändert ihre Songs in Nazi-Parodien. So verbindet er einen modernen Sound mit extrem rassistischen Botschaften. Auf einem an „Mask Off“ von Future angelehnten Song rappt er von „Herrenrasse“ und „Antithese zum Judentum“. Klar ist: Das Genre Rechtsrap ist ebenso vielseitig wie gefährlich.

Wie nutzt die neue Rechte also HipHop?

Und das alles scheint zu funktionieren. Rechter Rap wird in Deutschland immer erfolgreicher. 2019 schaffte es  Ares kurzfristig auf Platz 1 der Albumcharts auf iTunes und amazon. Die Songs der Rechtsrapper werden auf Youtube millionenfach geklickt. Rechte haben Rap für sich entdeckt. Sie wissen um seine Bedetung und nutzen ihn für ihre Zwecke aus. Diese Zwecke lassen sich in drei Kategorien aufteilen, die allesamt miteinander verbunden sind.

Zum einen ist rechter HipHop Teil eines versuchten Imagewechsels. Rap soll dabei helfen, das Bild des dummen, rückwärtsgewandten Proleten aus den Köpfen der Menschen zu verbannen. Der „neue“ Rechte ist Influencer auf Instagram, weiß was Yeezys sind und hört Deutschrap. Mit Glatzen will niemand gerne abhängen. Mit den Martin Sellners dieser Welt schon eher.

Dieser gezielte Imagewechsel dient der Rekrutierung der Jugend. Teenager sollen nicht mehr von Glatzen, die im Einheitsschritt durch die Stadt marschieren, verschreckt werden. Sie sollen Lust darauf bekommen, sich an den fancy Guerilla Aktionen der Identitären Bewegung zu beteiligen, auf das nächste Chris Ares Konzert zu gehen und sich für Ehre und Vaterland einzusetzen.

Der dritte Zweck ist demnach, ihre Ideologie zu verbreiten. Das geschieht wie im Falle Chris Ares mal mehr, oder wie bei anderen mal eher deutlich. Alles in allem dient HipHop den Rechten auch dazu die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, um den Diskurs der Gesellschaft immer weiter nach rechts zu rücken. Eine offene Gesellschaft freier und gleicher Menschen soll so immer weiter verdrängt werden.

Das alles ist mehr als gefährlich. Es bringt nichts mehr das Problem weiter zu verschweigen. Wir müssen darüber diskutieren und wir müssen uns denen entgegenstellen, die HipHop für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Als ein deutsche Terrorist am 9. Oktober 2019 versuchte die Synagoge in Halle zu stürmen, daran scheiterte und anschließend aus Wut darüber zwei Menschen erschoss, sendete er parallel dazu einen Livestream von seiner Go-Pro aus ins Internet. Unterlegt waren die Bilder mit dem besagten „Mask Off“ Cover.

Geschrieben von Jonas Weinmann