"Lügenwelle": Andreas Müller über Cannabis als Einstiegsdroge

Kommt es zum Thema Legalisierung, wird Cannabis häufig als Einstiegsdroge genannt. Auch über diese Thematik haben wir gemeinsam mit Richter Andreas Müller gesprochen. Doch was bedeutet das Wort ‚Einstiegsdroge‘ überhaupt? Im Duden wird es wie folgt erklärt: „Droge von geringerer Gesundheitsschädlichkeit, deren ständiger Genuss meist zur Einnahme stärkerer Rauschgifte führt, um das Erlebnis im Rausch zu steigern“. Dass diese Annahme falsch ist, bestätigte sogar die Bundesregierung. Laut dem deutschen Hanfverband gehen trotzdem 73% der Bevölkerung davon aus, dass Cannabis als Einstiegsdroge gilt.

„Warum wird das noch gefragt? Einstiegsdrogentheorie? Das dürfte kein Journalist mehr fragen. Das ist so wie wenn ein Journalist fragen würde: Lieber Interviewpartner, was finden sie richtig? Ist die Erde eine Kugel oder eine Scheibe?“, so Andreas Müller selbst. „Sie fragen es trotzdem, weil das ist das altbekannte Argument“. Bei einer vernünftigen journalistischen Arbeit gehöre es laut ihm dazu, dass man diesen Begriff nicht mehr mit der Legalisierung von Cannabis in Verbindung bringe. Dieses Argument habe nur den Zweck, Personen Angst zu machen. „Die brauchen nur einmal das Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahre 1994 lesen, wo genau das Gegenteil drinnen steht. Da werde ich innerlich wahnsinnig“.

Auch bei Diskussionsrunde, die sich auf das Thema beziehen, scheint er sich immer wieder mit dieser Aussage beschäftigen zu müssen. „Da sitzen die Vertreter der deutschen Polizeigesellschaft. Und an dieser Stelle: Die Vertreter der deutschen Polizeigesellschaft sind nicht die Polizei. Das sind Landeskriminalamt, Bundeskriminalamt, das sind Polizeibeamten, die im Dienst sind“. Die Polizeigesellschaft sei dafür zuständig, dass ihre Mitglieder vernünftig honoriert werden und Krankenschutz bekommen. Auch die Arbeitsbedingungen sollen von ihnen geregelt werden. „Diese deutsche Polizeigesellschaft macht aber nichts anderes, als irgendeine unsinnige Arbeit auf ihre eigenen Mitglieder abzuwälzen. Und da kommen dann die absurdesten Argumente, wo ich dann innerlich weine“. Nach Talkshows habe Andreas Müller oftmals den Gedanken, „wieso tue ich mir das an?“ Doch die Antwort darauf hat er parat: Wenn man sich für eine Sache einsetzt und für sie kämpfen möchte, muss man sich natürlich auch die Gegenargumente anhören. In diesem Fall sind es Aussagen der Polizeigewerkschaft, die sich oftmals gegen eine Legalisierung von Cannabis aussprechen. „Im Gerichtssaal hätte ich schon lange gesagt: Bitteschön, das ist falsch. Schluss jetzt“Andreas Müller erzählt von einer weiteren Erfahrung aus der Vergangenheit: Nach einer anderen Diskussionsrunde, habe er tagelang nicht mehr richtig denken können, weil er „diese ganze Lügenwelle und teilweise übertriebenen Geschichten“ seiner Mitdiskutant*innen nicht mehr ertragen konnte. „Andererseits habe ich dann wieder einen Talk gehabt, wo wenigstens der Psychiater gesagt hat, […] für eine Legalisierung von Konsumenten, bin ich auch. Das sagen die aber meistens erst so nach einer halben Stunde, weil sie ja vorher den Gegenpart machen wollen“.

Seit knapp 20 Jahren arbeitet er bereits mit den Behörden zusammen. Er selbst war sogar Dozent an einer Polizeischule in Berlin. „Und selbst die Drogenfahnder sind mittlerweile so weit, dass sie sagen, wir wollen eine vernünftige Arbeit machen“. Ihnen sei ebenfalls bewusst, dass Cannabis keine Einstiegsdroge ist. Es sei auch schon vorgekommen, dass ihm die Beamt*innen für sein Engagement in Sachen Legalisierung gedankt hätten. „Also einmal, das fand ich wunderschön, da kam ich aus einem Club raus, […] da war eine Gruppe von Polizeibehörden, die einen Räuber gesucht haben. Ich gucke mir das immer an, wie die Polizeibeamten arbeiten. Machen die alles richtig? Ist so ein Berufsding. Und dann sagt der Dienstgruppenführer, also der Chef von zehn Leuten: ‚Herr Müller, wir schätzen ihre Arbeit. Wir wollen etwas Vernünftiges machen‘. Sie wollen Kriminelle einfangen“. Die Beamt*innen wollen laut Andreas Müller sich wichtigeren Problem widmen, anstatt sich mit Personen zu befassen, die Cannabis konsumieren. „Sie wollen Intensivtäter […] und nicht hinter jedem Menschen hinterherlaufen, der im Park zusammen mit seinen Freunden sitzt und einmal an einem Joint zieht. Oder auch fünfmal„. Den Personen, die bei der Polizei tätig sind, sei bewusst, dass auch Menschen in ihrem eigenen Umfeld Cannabis konsumieren. Seien dies Familienangehörige, Freund*innen oder auch ihre eigenen Kinder. „Und sie möchten nicht, dass diese Kinder verfolgt werden. Und das ist der Unterschied zwischen der deutschen Polizeigewerkschaft und der Polizei“.

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