Travis Scott holt Kanye West bei "Utopia"-Aufritt in Rom auf die Bühne

Das neue Album von Travis Scott ist nun seit elf Tagen draußen und hat die Musikwelt im Sturm erobert. Allein auf Spotify wurden die Songs insgesamt bereits knapp 600 Mio. mal gestreamt. Twitter lief mit Reaktionen und Meinungen heiß und so kann man getrost von einem wahren Hype um das Album sprechen. Der Superstar gibt momentan weiterhin Gas und versucht, diesen aufrecht zu erhalten. Wenngleich das gigantische Release-Konzert bei den Pyramiden von Gizeh an behördlichen Bestimmungen scheiterte, fand nun eine nachträgliche Live-Premiere im „Circus Maximus“ in Rom statt. So wäre dieses Konzert allein bereits einen genaueren Blick wert, doch Travis Scott wusste bei der Show durch jemand ganz Besonderen zu überraschen: Kanye West.

Dieser war maßgeblich an der Produktion von „Utopia“ beteiligt, stand Travis Scott seit Tag 1 als musikalischer Mentor zur Seite und prägte ihn maßgeblich in seinem künstlerischen Schaffen.
(Eine Aufarbeitung der Beziehung beider Artists, ihrer musikalischen Gemeinsamkeiten und ein Vergleich von „Utopia“ mit Kanye’s „Yeezus“ findet ihr hier.)

Zum Konzert: Nachdem Travis Scott die ersten vier Songs und während er den fünften performte, war im Stream bereits dauerhaft eine Kameraeinstellung zu sehen, die im Backstage einen Oberkörper filmte, auf dessen Brust eine goldene Jesus-Kette hing. Ab diesem Moment war bereits einigen klar: Kanye West ist anwesend.
Als „Sirens“ – der vierte Song auf der LP – dann austrudelte, verlor Travis Scott einige Sätze, um diesen anzukündigen. Das tat er mit folgenden Worten:

„It’s been a long journey before we could get here (…). And I can only say that it’s been only one human being on this motherfuckin‘ planet that has ever walked side by side with me (…)“

Dass damit Kanye gemeint ist, war klar, als das Intro von dessen Song „Praise God“ ertönte. Die Menge schreit dieses bereits mit und der 46-Jährige betritt siegessicher vor 80.000 Menschen die Bühne. Das erste Mal seit langem steht er buchstäblich im Rampenlicht.

Nach zahlreichen rassistischen und antisemitischen Äußerungen, Berichten über eine langjährige Sympathie für Nazideutschland, einer darauf folgenden Twitter-Sperre, dem Ende der Zusammenarbeit mit Adidas und vielen weiteren Negativmeldungen war Kanye West zuletzt quasi dazu verdammt, sein Gesicht aus dem Licht der Öffentlichkeit fern zu halten. Für seine Verhältnisse wurde es tatsächlich so ruhig wie fast noch nie um den 46-Jährigen. Dieses Kapitel, in welchem man ab und an auch mal wieder Zeuge der labilen Psyche seiner Person wurde, könnte nun durch seinen Gastauftritt mit einem Schlag ein Ende finden.
Nach „Praise God“ spielte Kanye West noch „Can’t Tell Me Nothing“. Auch dieser Song von seinem Hitalbum „Graduation“ (2007) scheint alles andere als zufällig gewählt, so steckt bereits im Titel eine klare Botschaft. Ein Auszug der Lyrics geht folgender Maßen:

„To whom much is given, much is tested /
Get arrested, guess until he get the message /
I feel the pressure, under more scrutiny /
And what I do? Act more stupidly“

Nach der Performance dieses Songs betont Travis erneut die Wichtigkeit von Kanye für ihn:

„There is no Utopia without Kanye West! There is no Travis Scott without Kanye West!
There is no Rome without Kanye West! Make some noise for Ye!“

Kanye West als Erschaffer von Rom. Generell zeugt der Auftritt, bei dem er sich vor etwa 80.000 Menschen feiern ließ, nicht gerade von Reue. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass nun nach allen Kontroversen und der öffentlichen Ächtung seiner Person all der ‚Dreck‘ so langsam wieder unter den Teppich gekehrt wird.
Wie es mit ihm weitergeht, bleibt abzuwarten. Spannend wird die Entwicklung allemal. Kanye West gilt nicht zu unrecht als einer der größten Musiker des 21. Jahrhunderts, hat mit dem Erfolg des Album’s von Travis Scott erneut bewiesen, wie hoch sein Einfluss nicht nur auf diesen, sondern auf die generelle Entwicklung von populärem Musiksound ist.
Nichtsdestotrotz ist seine Person – gelinde gesagt – kritisch zu betrachten. Scheinbar ist sein bisheriges Lebenswerk als Künstler jedoch einfach zu groß, um von Kontroversen minimiert zu werden. Auch seine alles andere als kleinlaute Sympathie für Adolf Hitler tut seinem Standing hier scheinbar keinen langfristigen Abbruch.

ein Beitrag von: Christian Buhl