Zehn internationale Kollabos im Deutschrap, die man kennen sollte (Teil 1)

Seit Rap in Deutschland angekommen ist, gab es nicht nur stilistisch und in Bezug auf die Elemente des HipHop eine internationale Orientierung hin zu den USA. Da Rap hauptsächlich durch die in Deutschland stationierten US-amerikanischen GIs auch hierzulande an Popularität gewann, wurde sich seit Anbeginn des deutschsprachigen Sprechgesangs auch immer bemüht, Kollaborationen mit einstigen Vorbildern und Wegbereitern auf die Beine zu stellen. Häufig für viel Geld und mit Resultaten, die von sehr gut bis sehr schlecht und konstruiert reichen, wurde über den Tellerrand der nationalen Grenzen geblickt. Anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums des HipHop haben wir in Teil 1 der interessantesten Kollaborationen, die zehn denkwürdigsten internationalen Kollaborationen deutscher Artists mit internationalen Rapartists der 90er bis in die 2000er wieder ausgegraben und stellen diese in zeitlicher Abfolge vor.

Massive Töne feat. Blahzay Blahzay – Rapgame (1999)

Die im Jahr 1991 gegründete Stuttgarter Rap-Formation „Massive Töne“ haben sich zunächst an Vorbildern, wie den Beastie Boys, Public Enemy und Ultramagnetic MC’s orientiert, bevor sie zu ihrem eigenen Stil fanden. Auf dem 1999 erschienenen Album „Überfall„, der ihr größter Erfolg wurde, veröffentlichten sie mit „Rapgame“ eine Kollaboration mit dem Duo Blahzay Blahzay, welches aus dem Manhattener Rapper Outloud und seinem DJ P.F Cuttin‘ besteht, und mischen deutschen Rap mit englischer Hook. Das Video wurde damals in New York gedreht, um den Vibe so authentisch wie möglich in die deutschen Wohnzimmer zu transportieren. Das Duo aus New York City veröffentlichte übrigens erst 2018 ihr zweites Studioalbum „Enythyng Iz Possible„. Massive Töne veröffentlichten 2005 ihr vorerst letztes Album unter dem Namen „Zurück in die Zukunft„.

Was dabei rauskam, könnt ihr euch hier anhören:

Nas feat. Afrob – Hate me Now (1999)

Ebenfalls 1999 erschien der Remix von Hate me Now, welcher auf Nas‘ viertem Studioalbum „Nastradamus“ erschien. Um genau zu sein, erschien der Track ohne Afrob, dafür aber mit Diddy, der sich damals noch Puff Daddy nannte und war nicht auf „Nastradamus„, sondern auf dem zuvor erschienenen Album „I Am„. Ursprünglich sollten beide Alben als Doppelalbum erscheinen, aufgrund von kursierenden Raubkopien wurde dann jedoch „I Am“ allein veröffentlicht und „Nastradamus“ erst einige Monate später um die Möglichkeit wahrzunehmen, neue Songs aufzunehmen. Vielleicht auch deshalb, weil er sich neue Songs aus den Ärmeln schütteln musste und dem Druck des kommerziellen Erfolgs ausgesetzt war, wird häufig „Nastradamus“ als sein schlechtestes Album angesehen. Der Remix mit Afrob, der auch aus der Stuttgarter HipHop-Bubble stammt und 1994 als Feature-Artist für die Massiven Töne und Freundeskreis begann, befindet sich übrigens nur auf der deutschen Version des Albums als versteckter Bonustrack.

Samy Deluxe feat. Blak Twang – 2 Rap 4 (2001)

Samy Deluxe, der sich 2001 nach seinem gleichnamigen Debütalbum „Samy Deluxe“ in Hamburg einen Namen gemacht hatte, veröffentlichte noch Ende desselben Jahres eine EP, die zum Aushängeschild seiner jungen Karriere werden sollte. Insgesamt hielt sich die EP nämlich ganze vierzehn Wochen in den Top100. Auf „Weck mich Auf„, wie die EP heißt, gibt es einen Song mit dem Namen „2 Rap 4„, der nicht nur von Blak Twang produziert wurde, sondern auch einen Gastpart von ihm enthält. Der Londoner Rapper ist bekannt dafür, schon seit seinem Debüt im Jahr 1995 Slang und Lokalbezüge des Südens Londons zu integrieren, ohne zu offensichtlich zu werden. Im Track selbst wird vor allem eine Gesellschaftskritik transportiert, die sich wie ein roter Faden durch die EP von Samsemilia zieht. Blak Twang erwähnte in einem Interview mit Rap.de, dass Samy und er sich in London kennengelernt und Samy einige ältere Songs von Blak Twang gekannt hätte. „Der Vibe stimmte„, und die Eimsbush-Connection fühlte sich damals für ihn fast an „wie eine große Familie„. Denn Samy Deluxe war vor allem mit der Formationen Dynamite Deluxe maßgeblich bei der Gründung des legendären Hamburger Labels beteiligt, da sonst kein Label die jungen Artists unter Vertrag nehmen wollte.

DJ Tomekk feat. Curse, GZA, Prodigal Sunn, Stieber Twins – Ich lebe für Hip Hop (2001)

Dj Tomekk, die Legende, wurde in den USA schon gefeiert, bevor Eminem auf der Landkarte war. Im Alter von zehn Jahren begann er sich mit Plattentellern zu beschäftigen, mit fünfzehn Jahren starb sein Vater, weswegen er in einem Kinderheim in Berlin aufwuchs. Mit siebzehn Jahren hostete Dj Tomekk die HipHop-Radioshow „Boogie Down Berlin“ und holte sich noch im selben Jahr, 1993 Kurtis Blow für ein Interview ins Studio. Da Kurtis Blow für eine Tour in den USA DJ-Ersatz brauchte, fragte er kurzerhand DJ Tomekk an, der am Start war und durch den „Godfather of HipHop“ sämtliche Persönlichkeiten der jungen Szene der USA kennenlernte. In Deutschland kaum bekannt, trat er in den USA bereits mit Wu-Tang Clan, LL Cool J und KRS One auf. Acht Jahre nach seiner Tour mit Kurtis Blow wurde mit „Ich lebe für Hip Hop“ eine Hymne geschaffen, die Nationalitäten auf einem Beat zusammenbringt und ein gutes Beispiel für das Geflecht aus kulturellen Einflüssen darstellt, das HipHop war und immer noch ist. GZA von Wu-Tang und Prodigal Sunn aus dem engeren Umfeld der New Yorker waren für das Video zu Gast in Berlin. GZA ist mit der ikonischen, nicht akzentfreien Line, „ich lebe für HipHop“ seitdem das coole Pendant zu Kennedys geflügeltem Satz, „ich bin ein Berliner“ und Curse sowie die Stieber Twins tragen ihren Teil zum zeitgeschichtlichen audio-visuellen Dokument bei, das der Track heute darstellt.

Kool Savas feat. Lumidee – Die besten Tage sind gezählt (2004)

Eine weitere internationale Kollaboration, dieses Mal mit Kool Savas, der seit Beginn seiner Karriere nicht nur von englischem Rap inspiriert war, sondern diesen auch mit auf Alben und Tracks packte. Mit Lumidee der US-amerikanischen HipHop- und R&B-Sängerin, entstand so der Track, „Die besten Tage sind gezählt„. Diese hatte ein Jahr zuvor, mit dem Sommerhit „Never Leave You (Uh Ooh Uh Ooh!)“ internationalen Erfolg auch, da dieser in einer Remix-Version von Busta Rhymes und Fabolous verarbeitet wurde. Weiter arbeitete sie schon mit der Reggae- und Dancehallgruppe Culcha Candela sowie mit Caput und der „Queen of Beats“, Melbeatz zusammen. Der Kollabo-Track der beiden war auf Savas‘ gleichnamigen Remix-Album und wurde als Single ausgekoppelt. Das Album wurde von Kritikern hoch gelobt, so schrieb Laut.de damals, „[…] Niemals zuvor wurde so variabel, aggressiv, tight und unterhaltsam in deutscher Sprache gerappt. First we take Berlin, then we take New York. Für Europas ersten Emcee keine Utopie mehr. Der King is back!„.

Sido feat. Smif’n Wessun – Get Ya Paper (2006)

Yeah guckt mal hier, Smif’n Wessun auf mein‘ Song alta!„. Von „Berlin nach Brooklyn“ hat Sido damals connected und das Duo Smif’n Wessun auf sein 2006 erschienenes Album „Ich“ geholt. Der Track „Get Ya Paper“ setzt sich aus einer gemeinsamen Hook zusammen sowie jeweils einem Part von Sido, einem Part von Tek, einem Part von Steele und sogar noch einem Part von B-Tight. 2006 war die Zeit, in welcher ein Album auch gut und gerne noch aus 28 Tracks bestand. Das zweite Soloalbum nach seinem Debüt „Ich und meine Maske“ wurde über Aggro Berlin veröffentlicht und stieg auf Platz 4 der Albumcharts ein. Außer dem internationalen Banger „Get Ya Paper“ sind auf dem Album Hits wie „Schlechtes Vorbild„, „Ich kiff nicht mehr“ und „Straßenjunge“ vertreten.

Fler feat. Juelz Santana – Gangzta Mukke (2006)

Erst vor kurzem sprach Flizzy in einem Interview über das Feature mit „dem einen Rapper, von dem [er] das alles geklaut“ hat, als er auf seinem Dipset-Film war, was ein Alias der Diplomats darstellt, einem Rapkollektiv aus New York. Gemeint ist vor allem ein Mitglied der Diplomats, nämlich Juelz Santana. Wieder schreiben wir das Jahr 2006, und Fler sitzt an seinem zweiten Soloalbum, dass über Aggro Berlin veröffentlicht werden soll. Kurzerhand geht er zu Jens „Spaiche“ Ihlenfeldt, einem der Gründer des Labels, und fordert den New Yorker Rapper als Feature. Über DJ Desue, der auch als Produzent für das „Trendsetter„-Album fungiert hat, kam der Kontakt zustande. Letzten Endes sei Flizzy nicht nach Harlem gekommen, weil er damals zu starke Flugangst hatte. Dafür reiste aber die Posse um „Spaiche“ und DJ Desue in die USA, um den Gastpart von Juelz Santana vor Ort aufzunehmen. Wahrscheinlich kann man dieser Flugangst auch die Schuld dafür geben, dass es für die Kollaboration keine Videoauskopplung gibt, außerdem war das Feature mit Juelz Santana mutmaßlich schon teuer genug, auch ohne ein zusätzliches Video bezahlen zu müssen.

Eko Fresh feat. Outlawz – Bis ich unter der Erde lieg (2007)

Eko Fresh, der Kölner Jung, macht keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Tupac Amaru Shakur. So hat er nicht nur sein drittes Soloalbum und gleichzeitig das Erste unter Bushidos EGJ-Label mit dem Namen „Ekaveli“ nach dem Westcoast-Klassiker „Makaveli“ von Pac benannt auch rappt er auf „Et Kütt Wie Et Kütt„, dass er „der deutsche Pac“ sei. Für das Album, das hauptsächlich alte Weggefährten von German Dream als Featuregäste vorweist, hat er dann schließlich um die Reminiszenz an den G-Funk hochzuhalten, die Outlawz überreden können, als Feature auf „Bis ich unter der Erde lieg“ zu springen. Die Outlawz sind eine 1995 gegründete Rapcrew aus dem Umfeld Tupacs, welche sich aus einigen Mitgliedern der Crew von Thug Life und Dramacydal zusammengeschlossen haben. Nachdem Pac 1995 aus dem Gefängnis entlassen wurde, nannten sie sich die Outlawz Immortalz und bestanden aus bis zu zehn Mitgliedern. 2002 gab es bereits ein Feature-Auftritt der verbliebenen Outlawz auf Eko Freshs Track „Ich bin ein Outlaw„. Und auch eine Dekade nach 2007 hat sich Eko, im Jahr 2017 ein weiteres Mal mit Young Noble und E.D.I Mean, den letzten verbliebenen Outlawz zusammengetan, um den deutschen Soundtrack des Tupac-Films „All Eyez On Me“ zu schreiben. Eine Kollaboration, die man definitiv auf dem Schirm haben sollte.

Haftbefehl feat. Kayz – Schock (2009)

Noch vor seinem ersten Soloalbum „Azzlack Stereotyp“ von 2010, wurde Baba Haft Teil des „Bodensee Records Samplers„, mit dem Namen „La Connexion„. Darauf vertreten waren 52 Rapartists und Producer aus  Deutschland und Frankreich, was bis heute wahrscheinlich das zahlenmäßig bedeutendste Projekt zwischen der deutschen und französischen HipHop-Szene darstellte. Hafti, der damals noch bei „Echte Musik“ gesigned war, kollaborierte mit dem Pariser Rapper Kayz. Auch Azad, Kool Savas und Marteria waren damals unter anderem auf dem Sampler gefeatured. „Schock“ ist ein Track, mit welchem Hafti damals seinen Slang in die Landschaft des Deutschraps trug und seinen kurze Zeit später folgenden Ruhm besiegelte.

Kool Savas feat. S.A.S, Ceza, Curse, Greis, Havoc, Kaz Money, Azad – Futurama United Nations Remix (2009)

Kool Savas ist bekannt für seine Remixe und Tracks, auf denen schon mal über ein Dutzend Artists zu Wort kommen. So zum Beispiel auf „Der Beweis 2 – Mammut Remix“ von seiner „John Bello Story II„, die 2008 veröffentlicht wurde. Ein Jahr später, veröffentlichte er die „Brainwash Edition„, auf welcher der Song „Futurama“ zu hören ist. Ende desselben Jahres droppt der Berliner eine kleine EP, bestehend aus fünf Tracks, mit dem Namen „Was hat S.A.V. da vor?„. Einer dieser Tracks ist wieder ein Remix, der seinen Namen verdient hat. Denn aus seinem zuvor veröffentlichten Song „Futurama“ wurde ein Remix gemacht, der Artists aus dem Vereinigten Königreich, den USA, der Türkei, Saudi-Arabien, der Schweiz und Deutschland auf einem Song zusammenbringt. Sogar Havoc von Mobb Deep war auf dem fast 8-minütigen Track mit dem Namen „Futurama United Nations Remix“ vertreten. Definitiv eine denkwürdige Kollaboration.

Extra

Weil es so schön ist, haben wir hier noch eine „Bonus-Kollaboration“, die man vor allem aufgrund ihrer Skurrilität auf dem Schirm haben sollte.

Bushido feat. Strapt – Worldwide (2005)

Nach Bushidos Erfolgen mit „Electro Ghetto“ und „Carlo Coxxx Nutten II„, kam es mit dem Kollabo-Crossover „Worldwide“ zu einem musikalischen Ausrutscher, der fast grotesk wirkt. Der gemeinsam entstandene Song zwischen lieblosem Rap und Standard-Gitarrenriffs wurde sogar mit einem Video versehen, in welchem Bushido mehr schlecht als recht in die Szenerie eingefügt wurde. Sein „Punkrock-Gangsterrap“ hat es damals dennoch immerhin auf Platz 49 der deutschen Single Charts gebracht, was an seiner damaligen Popularität lag. In den USA hingegen hatte Strapt nicht wirklich einen Namen, weswegen der Song dort unterging.