Jay-Z fordert: Vor Gericht dürfen Lyrics nicht als Beweismaterial gelten

Können Rap-Lyrics vor Gericht als Beweismaterial verwendet werden? Wenn es nach Jay-Z, Meek Mill, Big Sean, Fat Joe und vielen anderen Artists geht, ist die Antwort auf diese Frage absolut klar: Nein. Wie unter anderem Complex berichtet, setzen sich Jay-Z und einige namhaften Kolleg*innen dafür ein, dass Songtexte im Rahmen von Gerichtsprozessen künftig nicht mehr als Beweismaterial hervorgebracht werden dürfen sollen. So soll sich der HipHop-Mogul der Kampagne „Rap Music On Trial“ angeschlossen haben. Die Hauptforderung von „Rap Music on Trial“ lautet: Die Möglichkeit, Textzeilen vor Gericht als Beweismittel gegen eine*n Angeklagte*n zu verwenden, dürfe nicht länger bestehen. In einem Brief an die Gesetzgeber*innen des Staats New York heißt es, „Rap Music on Trial“ verurteile zu Recht die Nutzung künstlerischer Arbeit als Beweismittel vor Gericht.  „As you are aware, prosecutors‘ use of rap music lyrics as evidence in criminal cases perpetuates racial discrimination against Black and Brown artists, who are predominant in the genre and whose voices have a history of being silenced by the criminal justice system“, heißt es dort weiter. Die HipHop-Bewegung sei in den späten 1970er Jahren in South Bronx geboren worden, ein „movement […] from Black and Latino youth“: Die Jugendlichen hätten HipHop als Medium genutzt, um ihrer Frustration über unterdrückende Institutionen, vorherrschende Armut und ihrem Ausschluss aus dem amerikanischen Mainstream Luft zu machen und diese eben auszudrücken. „When prosecutors focus solely on references to violence in rap music, they are taking the lyrics out of context and neglecting to consider the conventions of the music genre“, so die Schlussfolgerung. „They are equating the artists’ creative liberties and artistic persona as confessions of guilt“. Dabei handele es sich schlichtweg um eine völlige „Missinterpretation der Kunstform“; die gängige Praxis, Lyrics als Beweismaterial vor Gericht zu verwenden, verstoße gegen die Meinungs- und Ausdrucksfreiheit. Ziel der Kampagne sei er, ihre Inhalte in Form eines offiziellen Gesetzes in die Gesetzgebung einfließen zu lassen – „for ensuring freedom of creative expression for artists as a fundamental right“.

„This is an issue that’s important to [Jay-Z] and all the other artists that have come together to try to bring about this change“, zitiert Complex Alex Spiro, den Anwalt von Jay-Z, in diesem Zusammenhang. „This is a long time coming. Mr. Carter is from New York, and if he can lend his name and his weight, that’s what he wants to do.

Fat Joe, der „Rap Music on Trial“ ebenfalls zu unterstützen scheint, sagte gegenüber dem Rolling Stone: „Unsere Lyrics sind kreativer Selbstausdruck und Entertainment – wie in jedem anderen Genre auch. Wir möchten, dass unsere Worte als Kunst erkannt werden und nicht instrumentalisiert werden, um vor Gericht Verurteilungen zu erreichen. Ich hoffe darauf, dass die Gouverneurin [Kathy Hochul] und alle Gesetzgeber von New York unseren Brief und dessen Inhalte berücksichtigen, um unsere Rechte als Künstler*innen zu schützen.“

Sollte „Rap Music on Trial“ als Gesetzesvorschlag durchgehen, wäre die Verwendung kreativer Ausdrucksformen vor Gericht streng limitiert. Kläger*innen bzw. die Staatsanwaltschaft müssten dann in jedem Fall beweisen, dass z.B. Rap-Lyrics nicht einfach fiktiver Ausdruck seien, sondern tatsächlich juristisch relevant. Für diese juristische Relevanz müsse es dann „eindeutige und überzeugende Beweise“ geben, schreibt Complex weiter.

Der New Yorker Staatssenator Brad Hoylman, der den Gesetzesvorschlag mit hervorgebracht hatte, zitierte folgendes Beispiel: Wenn Johnny Cash auf „Folsom Prison Blues“ singe „[…] I shot a man in Reno just to watch him die“ nehme das niemand wörtlich; auch dass David Byrne von den Talking Heads sich auf einem Track als „Psycho Killer“ bezeichne, beunruhige im tatsächlichen Leben natürlich niemanden. Im Gegensatz dazu habe Drakeo the Ruler, der im Dezember vergangenen Jahres verstorben war, drei Jahre im Gefängnis verbringen müssen, nachdem unter anderem seine Lyrics vor Gericht als Beweismittel gegen ihn verwendet worden waren. Bei National Public Radio hieß es in diesem Zusammenhang im November 2020: „[Drakeo the Ruler] was originally arrested in 2017 for a murder he was eventually acquitted for.“ Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, dass sowohl die Lyrics als auch die Musikvideos des Rappers deutlich zeigten, dass Drakeos Gruppe 2Greedy Stinc Team eine „gewalttätige Gang“ sei – und Drakeo the Ruler ihr Anführer. Aufgrund dieser Argumentation habe der kürzlich verstorbene Rapper im Gefängnis verbleiben müssen. „After nearly three years in jail that included a gag order, more than nine months in solitary confinement and, of course, the pandemic, it’s all come to an end with a plea deal. Drakeo pled guilty to shooting from a motor vehicle. The gang conspiracy charge that tried to pin his rap crew as gang was dropped.“

Senator Jamaal T. Bailey, ein weiterer Befürworter des Gesetzvorschlags meinte dazu: “Presuming a defendant’s guilt based solely on musical genre or creative expression is antithetical to our foundational rights and perpetuates the systemic racism that is embedded into the criminal justice system through discriminatory conflations of hip-hop and rap with criminality.“

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