Shirin David: "Rap ist maskulin, und wir sind feminin"

„Du musst nicht rappen und dich kleiden wie ein Mann, damit du dich als Rapperin bezeichnen kannst“, so Shirin David in einem Interview gegenüber dem SPIEGEL. Neben „Bitches Brauchen Rap„, ihr am Freitag erscheinendes Album, spricht die 26-Jährige über Feminismus und Sexismus im Deutschrap. „Es herrscht ein strukturelles Problem, aber es verändert sich auch was“, so David. Das haben wir auch ihr zu verschulden, denn immer wieder macht sich die Rapperin für andere Frauen stark. Es muss nicht alles gutgeheißen werden, was sie sagt oder macht, aber sie gehört definitiv zu den Frauen, die Deutschrap in einer Zeit, in der immer mehr Aufklärung stattfinden kann, dringend nötig hat.

Viel mehr als ihre Musik, wird die Künstlerin, wie die meisten Frauen, für ihr Aussehen kritisiert: Zu viel Schminke, zu knappe Kleidung, zu viele Operationen. „Plastik“, „nicht feministisch“, „falsches Schönheitsideal“ sind nur einige Kommentare im Netz, die sie immer wieder zu hören bekommt. Menschen in den Sozialen Medien greifen schnell zu Hass, weil sie bis zu einem bestimmten Maße anonym bleiben können. Ihren Einsatz für Feminismus und Female-Empowerment kann und darf Shirin David alleine aufgrund ihres Aussehens aber nicht abgesprochen werden. Niemand muss ihre Schönheits-Operationen gutheißen. Dass ihr Äußeres größtenteils denen geschuldet ist sowie einem völlig unrealistischem Ideal nachkommt, das auf Instagram und Co. weit verbreitet ist, ist keine Frage. Doch sie steht dazu, verheimlicht keine Eingriffe und ist letztendlich selbst für ihren Körper verantwortlich. Schönheits-Operationen müssen nicht mit Parolen à la „my body my choice“ beworben werden, jemanden wegen ihnen grundlegend zu verurteilen, ist jedoch einfach falsch. Auch David feuert zurück: „Brazilian Butt Lift, baby don’t touch it/ Guck eure Videos und frag mich: Wer von uns beiden ist Plastik?“, so die Rapperin auf „Conan x Xenia“ mit Haftbefehl.

Auch die ihr unterstellte Oberflächlichkeit wird in dem Interview thematisiert: „[…] das ist toxisch, weil ich mich sehr wohl für Make-up und für ein Outfit interessieren kann und gleichzeitig für viele wichtige andere Sachen“, verteidigt sie sich und viele andere Rapperinnen, denen es ähnlich geht. Die Künstlerin sieht sich selbst als Neo-Feministin, eine Form des Movements, die intersektionell ist und niemanden ausschließt. Das bezieht sie auch auf sich selbst: „Man war eine Feministin, wenn man sich gegen das klassische Traumbild eines Mannes gestellt hat und der ultrafemininen Art, also einem geschminkten und sehr femininen Aussehen, trotzte“, so David, die selbst diese ultrafeminine Art, von der sie spricht, verkörpert und welche häufig der Grund dafür ist, warum ihr der Feminismus abgesprochen wird. Das Gleiche gilt für Rapperinnen wie Katja Krasavice. Sich schön oder aufreizend anzuziehen bedeutet allerdings nicht, dass sich dem Patriarchat untergeordnet wird. Es ist natürlich ein Resultat misogynischter Geschlechtsrollen, aber warum sollten Frauen diese jetzt komplett boykottieren, statt sie für sich zu beanspruchen?

Auch innerhalb des Rap-Kosmos wird das Feminine häufig zur Ursache von Kritik. „Wie passt Rap, diese maskuline Art und Musikrichtung, mit Frauen wie Lil‘ Kim oder Nicki Minaj oder auch mit mir zusammen?“ wirft David auf. Genau gegen diese scheinbare Kontroverse, die nach wie vor in den Köpfen vieler Menschen herrscht, will die Rapperin ankämpfen. Sie reiht sich damit in die Riegen deutscher Künstlerinnen ein, die offen über ihre Sexualität und Weiblichkeit rappen. Das ist nichts grundlegend Neues, etabliert sich mit der aktuellen Generation an Rapperinnen aber mehr denn je im Mainstream. Ihre Texte geben jungen Menschen Selbstbewusstsein, sie können sich damit identifizieren. „Shirin gibt mir jedes mal das Gefühl eine starke und stolze Frau zu sein. Und dann fällt mir ein das ich ein Mann bin“, kommentiert etwa ein Fan unter das YouTube-Video ihrer Single „Ich darf das“. „Bitches“ sind jetzt selbstbestimmte Frauen, die sich von niemandem etwas sagen lassen: „Wenn ich das Wort benutze, ist das der Versuch, sich einen Begriff zurückholen, der von anderen Leuten als Schimpfwort benutzt wird, um Frauen zu diffamieren, auch Reappropriation genannt.“ Für dieses Zurückholen will David ihre Musik nutzen und genau deshalb „brauchen Bitches Rap“.

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