Bushido vs. Arafat: Aus Brüdern wurden Feinde

Im Amtsgericht Berlin beginnt heute unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen Unternehmer und Clan-Chef Arafat Abou-Chaker. Nebenkläger ist Anis Mohamed Youssef Ferchichi – besser bekannt als Bushido. Es stehen schwere Vorwürfe im Raum: Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder sollen den Rapper schwer bedroht und körperlich misshandelt haben.

Freiheitsberaubung, schwere räuberische Erpressung, Nötigung, Beleidigung und gefährliche Körperverletzung. Die Liste der Vorwürfe, die die Berliner Staatsanwaltschaft aufgrund des außerordentlichen öffentlichen Interesses gegen Arafat Abou-Chaker erhebt, ist lang und liest sich wie das Drehbuch zu einem Film. Dabei schienen Bushido und sein ehemaliger Manager seit Jahren fast unzertrennliche Brüder im Geiste zu sein. Die Zusammenarbeit der beiden beginnt nach Bushidos Weggang vom Label Aggro Berlin im Jahr 2003 und geht sogar soweit, dass der Rapper gemeinsam mit Arafat ein riesiges Anwesen in Kleinmachnow kauft, auf dem sie eigentlich zusammen mit ihren Familien leben wollten. Die Beziehung soll so eng gewesen sein, dass Bushido seinem damaligen Geschäftspartner im Jahr 2010 sogar eine Generalvollmacht über sein gesamtes Hab und Gut erteilt haben soll. Wie kam es also zum großen Bruch?

Obwohl besonders das Verhältnis zwischen Arafat und Bushidos Ehefrau Anna-Maria Ferchichi schon seit einigen Jahren sehr angespannt gewesen sein soll, kommt es erst ab 2017 zum Konflikt, als der Künstler die Zusammenarbeit endgültig beenden möchte. Bushido habe sich laut eigener Aussage „schon lange in der Freundschaft und in dem Verhältnis mit Arafat unwohl gefühlt“ und nimmt schließlich eine weitere heftige Auseinandersetzung zwischen seiner Ehefrau und seinem Manager auf dem gemeinsamen Grundstück in Kleinmachnow zum Anlass, die Geschäftsbeziehungen zu Arafat abzuschließen und auch den privaten Kontakt auf ein Minimum zu beschränken. Als sich Bushido und Arafat Anfang 2018 zusammensetzen, um die geschäftliche und private Trennung zu besprechen, beginnt der angebliche „Psychoterror“: „Du wirst hier erst wieder lebendig rauskommen, wenn du uns die Wahrheit gesagt hast“, soll Yasser, einer der Brüder Arafats, Bushido angegangen sein. Arafat erhebt Ansprüche auf das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen der beiden Geschäftspartner sowie auf zukünftige Einnahmen Bushidos, und jener Drittkünstler, die bei ihm unter Vertrag stehen. Auch angebliche Schulden sollen ein weiterer Streitpunkt gewesen sein. Der Rapper wird bei mehreren Gelegenheiten von Arafat Abou-Chaker im damals gemeinsamen Büro eingesperrt, verbal beleidigt und so massiv bedroht, dass er angeblich nicht nur um die eigene, sondern auch um die Sicherheit seiner gesamten Familie fürchten musste. Schließlich soll Bushido von Arafat mit einer Flasche aus Hartplastik geschlagen und mit einem Stuhl auch körperlich attackiert worden sein. Nach diesem Vorfall mischt sich Anna-Maria, Bushidos Ehefrau, ein und schreibt Arafat eine Nachricht, in der sie droht mit ihrem Wissen zur Polizei zu gehen und damit dafür zu sorgen, dass Arafat und seine Brüder ins Gefängnis gehen. Im weiteren Verlauf schaltet sich die Polizei ein und richtet sich mit einer Gefährdetenansprache an Bushido, von einem geplanten Säureangriff auf Anna-Maria Ferchichi und einer in Auftrag gegebenen Entführung der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder soll die Rede gewesen sein. Bushido und seine Familie werden eine zeitlang unter Polizeischutz gestellt. Da der Rapper nach eigenen Angaben weiterhin um die Sicherheit seiner Angehörigen fürchtet, habe er sich nach anfänglichen Zweifeln doch dazu entschlossen, im Prozess gegen seinen ehemaligen Weggefährten auszusagen. Er möchte sich „vom Milieu abgrenzen, zu dem [er] früher zugerechnet wurde. Es handelt sich hierbei nicht um Rache“, kann dem uns vorliegenden Leak seiner Aussage entnommen werden.

Die privaten Verhandlungen, in denen Bushido Arafat eine hohe Abfindungssumme angeboten haben will, sind augenscheinlich mehr als gescheitert. Jetzt ist der Fall Arafat Sache des Berliner Amtsgerichts. Dabei liest sich die Liste möglicher Zeugen wie ein Who-Is-Who der Deutschrapszene: Neben Ali Bumaye, Shindy, AK und Laas soll Bushido in seiner Aussage auch Samra erwähnt haben, der sich im Konflikt als einziger auf die Seite des Künstlers gestellt haben soll; mit Kollegah und Farid Bang sollen auch die Namen zweier weiterer Rapper gefallen sein, gegen die Arafat Abou-Chaker aktuell auch heftigen Groll hegen soll. 

Ein weiterer bekannter Zeuge, der im Prozess zu Wort kommen könnte, ist  der Berliner Rapper Fler, für den es aus juristischer Sicht in nächster Zeit auch eher ungemütlich werden könnte – gegen ihn erhebt die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage in 21 Fällen. Zwischen Fler und Bushido, die beide Anfang der 2000er Jahre bei Aggro Berlin unter Vertrag waren, sind die Fronten vor allem seit Bushidos Weggang vom Label verhärtet. Ihren Streit haben die beiden Rapper bisher vorwiegend über ihre Musik ausgetragen, Bushido ist in der Vergangenheit schon wegen angeblich beleidigender Lines gegen Fler vorgegangen. Mit Arafat Abou-Chaker soll Fler mittlerweile gut befreundet sein.

Ihren bisherigen Höhepunkt fand die Auseinandersetzung im Jahr 2007, als Fler nach der auf ihn verübten Messerattacke Bushido als angeblichen Drahtzieher zu entlarven versuchte. Nicht nur im Zusammenhang mit seinem eigenen Kontakt zu Justiz und Polizei fühlt Fler sich ungerecht behandelt, sondern auch von seinem ehemaligen Labelkollegen verraten: Dieser nutze den Schutzmantel des LKA und das Wohlwollen der Mainstreammedien, um gezielt gegen Fler vorzugehen. Er kritisiert auch in diesem Zusammenhang öffentlich die einseitige Darstellung der Medien, die Arafat als das personifizierte Böse und Bushido als unschuldiges Opfer stilisieren. Fler dürfte in diesem Zusammenhang ein äußerst wichtiger Zeuge sein, um Bushidos Rolle im Hinblick auf die Arafat zur Last gelegten Anklagepunkte auch aus einem anderen Blickwinkel beleuchten zu können.

Das wohl unfreiwillige Wiedersehen von Bushido und Arafat findet nun vor Gericht statt: Am zweiten von insgesamt 24 angesetzten Verhandlungstagen ist Bushido als Zeuge vorgeladen. Nach den Vorfällen im Januar 2018 befindet sich der Rapper angeblich in psychologischer Behandlung, um das Erlebte verarbeiten zu können. Ein Urteil im Fall Arafat Abou-Chaker, das wohl nicht vor November 2020 fallen wird, kann mit Spannung erwartet werden. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.

Verfasst von Jana Giessbrecht

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