Wer braucht eigentlich Kollabo-Alben?

Die Geschichte der Kollabo-Alben im deutschen Rap Kosmos ist ebenso vielfältig wie einfältig. Egal ob Chakuza und Bizzy Montana die „Blackout“ Zeit einläuten, Farid Bang und Kollegah zeigen wie „Jung, Brutal und Gutaussehend“ sie noch sind, oder sich mit Kool Savas und Sido die alte „Royal Bunker“ Crew neu formiert – Hörer sind immer da. Das hängt natürlich auch mit der einfachen Tatsache zusammen, dass schlichtweg eine doppelte Fangemeinde angesprochen wird. Da landen die „Royal Bunker“ CDs eben nicht nur bei langjährigen Essah Fans zuhause, sondern ebenfalls im Schrein eines jeden Sido Fans. Doch will ich als Fan eines Künstlers überhaupt ein Album hören, auf welchem der Künstler für den ich mir das gute Stück eigentlich zulege, nur zur Hälfte vertreten ist?

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Desweiteren gab es auch allerhand Kollabo-Alben, welche unter Umständen nicht ganz den Geschmack beider Fanbases treffen mögen. Als eines von vielen Beispielen ist da „Xavas“ zu nennen, welches prinzipiell den Sound von Kool Savas und Xavier Naidoo sehr gut vereint. Allerdings könnten hart eingesessene KKS Fans, welche den gebürtigen Aachener primär mit Tracks wie „Rapfilm“ oder „LMS“ verbinden, bei eher sentimentaleren Tracks wie „Wage es zu glauben“ die Lust am Savas Part verlieren, wenn man eine eher ungewohnte Xavier Naidoo Hook hören muss. Dennoch wird sicherlich auch der ein oder andere die Maeckes Produktion gehört haben und sich neu in Savas und Xavier verliebt haben.

Während „Gespaltene Persönlichkeit“ aus der Sicht eines Rapfans wortwörtlich als zweischneidiges Schwert betrachtet werden kann, zeigte Savas bereits 2005, wie eine überzeugende Kollaboration zweier Künstler aussehen könnte. Im März diesen Jahres erschien nämlich das Album „One„, welches gemeinsam mit Azad entstanden ist. Die beiden Musiker genossen zu der damaligen Zeit ein Standing in der Szene, welches wahrscheinlich noch eindeutiger war als es aktuell der Fall sein mag. Außerdem arbeiteten Azad und Savas vor dem Album bereits häufig gemeinsam an Tracks. „#1“ oder auch „Banana“ von Roy Marquis II. dienen in diesem Fall als Paradebeispiele. Mit Songs wie „Monstershit„, „All 4 One“ oder auch „Guck my Man“ schufen sich die beiden definitiv einen Platz in der Kollabo Hall-Of-Fame. Fun Fact: Auch Xavier Naidoo ist auf dem Album vertreten, dort gibt das Söhne Mannheims Mitglied einige Zeilen auf dem Track „Was hab ich dir angetan“ zum Besten.

Ein aktuelles Beispiel für die inhaltliche Fragwürdigkeit von Kollabo-Alben stellt der Release „Blanco“ von Kurdo und Majoe da. Wenn man den Status Quo der beiden Rapper betrachtet, versteht man schnell, woher die Beweggründe dieser Produktion rühren. Beide sind quasi Social Media Übermächte. Majoe verfügt über 677 Tausend Instagram Follower. Kurdo steht sogar bei 741 Tausend. Auf Facebook sehen diese Zahlen ähnlich aus. Schmeißt man beide Fangruppen in einen Topf, entsteht also schnell eine Reichweite in Millionenhöhe. So lassen sich im Jahr 2017 prächtig Platten verkaufen. Und Boxen. Und Merchandise. Und Shisha Tabak. Und so weiter.

Was haben allerdings die Zuhörer davon? Gerade Majoe wurde in der Szene ja oftmals für seine Rap Technik belächelt. Mit seinem letzen Release „Im Auge des Tigers“ konnte er sein Skill-Image zumindest etwas aufpolieren. Kurdo, vor „Ya Salam“ Zeiten, war in der Vergangenheit eher für ernsthafte, düstere Musik bekannt, die zwar geradeaus auf die Fresse gibt, aber immer einen FFM-typischen Hoffnungsschimmer mit sich brachte. Für „Blanco“ wurde dieses Rezept ad acta gelegt und wich zeitgenössischen, glatten Produktionen mit Inhalten aus dem Hollywood Action-Film Drehbuch. Und hier kommt die Frage auf: Wer braucht das wirklich?

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Wo wir beim Thema Hollywood sind, gibt es aber natürlich zwei die das in Perfektion beherrschen: Kollegah und Farid Bang. Schon die Videos ihrer Promokampagne weisen höhere Klickzahlen auf, als sämtliche Four Music Newcomer Video Singles zusammen. Real Talk. Die Fans sind gehyped, das Land hat Bock und alle warten auf Jung, Brutal, Gutaussehend Numero 3. Wo Kollegah auf einem Solo Album auch mal nachdenklich wird, Missstände dieser Welt aufzeigt oder die eigene Vergangenheit Revue passieren lässt, wird bei JBG standesgemäß drauf losgeballert. Von Farid ist man das eh gewohnt und beide profitieren vom Charakter des jeweils anderen. Bei so vielen Promo-Postings und Videoblogs in feinster Youtuber Manier, stellt man sich aber auch die Frage, ob hier wirklich ein künstlerisch wertvolles Stück Musik entstanden ist, oder die Verkaufszahlen doch im Vordergrund stehen. Ist das überhaupt wichtig?

Dieser Artikel ist mehr ein Gedanke als eine Antwort auf die Frage wer eigentlich Kollabo-Alben braucht. Sicherlich sind sie nach Verkündung durch die Brisanz der Zusammenarbeit erstmal interessant und die Erwartungen dem entsprechend hoch. Es wird diskutiert, spekuliert und natürlich auch gehated. Redaktionen wie unsere haben etwas zu schreiben und der Berliner Rap-Stammtisch im Prenzlberg einen weiteren Tagesordnungspunkt.

Musikalische Höhenflüge bleiben dabei allerdings meistens aus. Zu verschieden sind die Richtungen der Künstler, zu groß der eingegangen Kompromiss. Oftmals sehen Rapper das Projekt nur als Neben-Baustelle zwischen Solo Release A & B und nehmen das Album deshalb nur so halb ernst. So zumindest das Gefühl. Ausnahmen bestätigen dabei selbstverständlich die Regel.