Review: Wu-Tang Clan: 8 Diagrams

"8 Diagrams"
"8 Diagrams"

Als in diesem Jahr die Nachricht über ein neues Album des legendären Wu-Tang Clans die Runde machte, fielen die Reaktionen überwiegend positiv aus, denn noch immer kann der Clan auf eine treue Fanschar bauen, die sehnsüchtig auf ein neues Release der Rapveteranen gewartet haben. Allerdings gab es auch nicht wenige, die der Ankündigung eines neuen Wu-Tang Releases eher mit Skepsis begegneten und sich fragten, ob RZA und seine Mannen an alte Erfolge anknüpfen können. Die großen Zeiten des Clan, die sich vor allem auf die zwei Meisterwerke „Enter The Wu-Tang (36th Chambers)“ und „Wu-Tang Forever beziehen“, lagen zu diesem Zeitpunkt schon länger zurück und mit den Folgewerken „The W“ und „Iron Flag“ konnten RZA und Co. nur bedingt überzeugen. Zudem widmeten sich die meisten Mc?s des Clans ihren Solokarrieren, wobei es vor allem Ghostface Killah mittlerweile gelungen ist sich als Solokünstler vom Wu Kollektiv zu emanzipieren. Auch schien es, als sei der Zusammeninhalt innerhalb des Wu Imperiums nicht mehr ganz so intakt. So wetterte ein offensichtlich frustrierter U-God einige Male gegen RZA, während Cappadonna, dessen Status innerhalb des Clans sowieso nie eindeutig geklärt war, angeblich sogar als Taxifahrer seine Brötchen verdienen musste. RZA hingegen, der als Produzent maßgeblich für den einzigartigen Wu-Tang Clan Sound verantwortlich ist, konzentrierte sich weitestgehend auf die Zusammenstellung von Filmsoundtracks und musste sich Vorwürfe seitens ODB?s Mutter gefallen lassen, er habe den verstorbenen Ol‘ Dirty Bastard nie angemessen bezahlt. Mit der Ankündigung eines neuen Albums jedoch macht sich die Hoffnung breit, dass die Clanmember nochmals einen Klassiker in der Güteklasse eines „Enter The Wu-Tang“ kreieren können, der beweist, dass der Slogan Wu-Tang Forever keine leere Hülse darstellt, und dass in Zeiten, in denen alle möglichst versuchen clubtaugliche Singles zu produzieren, der Clan mit seinem rohen Sound eine mögliche Trendwende einleitet.

Die Vorfreude auf „8 Diagrams“ wurde in den letzten Wochen vor dem Release leider geschmälert, da die Diskrepanzen innerhalb der Gruppe offensichtlich doch größer sind als erwartet und diese zudem unnötigerweise in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. So gab es Probleme mit Ghostface, der zunächst sein Mitwirken an dem Comebackalbum nicht bestätigen wollte und dann rumnörgelte, als das Releasedate des Wu-Tang Album mit dem Releasedate seines neuen Solowerkes „The Big Doe Rehab“ kollidierte. Schließlich setzte sich Tony Starks durch und „8 Diagrams“ wurde um eine Woche verschoben. Auch Raekwon gab Anlass zur Sorge, indem er bereits im Vorfeld der Veröffentlichung RZA?s neue Soundentwürfe kritisierte und ihn aufgrund der vielen gitarrenlastigen Beats als Hip Hop Hippie titulierte. Alles in allem wirkten die vielen Streitigkeiten der letzten Zeit wie ein einziges Schmierentheater und der Zusammenhalt des Clans scheint kaum noch bestehen, zumal sogar Gerüchte auftauchten, dass die Wu Mitglieder eine Art Putschversuch unternehmen wollen und ein eigenes Wu-Tang Clan Album aufnehmen wollen, ohne die Mithilfe von RZA. In Hinblick auf die Qualitäten des eigentlichen Albums werden diese albernen Geschichten, aber nicht beachtet werden, denn was schlussendlich zählt ist, sind die musikalischen Fähigkeiten des neuen Wu-Tang Clan Entwurfes.

8 Diagrams“ wird durch den Track ‚Campfire‘ eröffnet, der wahrlich den perfekten Opener für das Album darstellt. Eingeleitet durch ein für den Wu-Tang Clan typisches Karatefilm Sample, verschreibt sich der Song der rauen Soundästhetik des Wu Universums, ohne aber altbacken oder verstaubt zu wirken. Vielmehr wird sofort eine dunkle bedrohliche und ungefilterte Atmosphäre aufgebaut, die durch die Beiträge von Method Man, Ghostface Killah und Capadonna bestens bereichert wird. Somit ist der von RZA produzierte Opener ein erstes Highlight von „8 Diagrams“ und gibt die passende Stoßrichtung vor, doch leider wird dieses hohe Niveau über die Gesamtlänge des Albums nicht gehalten. Schon der nachfolgende Track ‚Take It Back‘ fällt qualitativ ein gute Stück ab und kann mit seinem eher belanglosen und unspektakulären Beat wenig überzeugen.

Im weiteren Verlaufe des Albums wechseln sich gute Stücke mit durchschnittlichen Tracks ab. So ist ‚Get Them Out Ya Way Pa‘ ein gutes Beispiel wie ein Wu-Tang Song im neuen Jahrtausend aussehen sollte und kann mit seinem rauen, aber modernen Soundbild vollends überzeugen. Auch das schon vor dem Release vieldiskutierte ‚The Heart Gently Weeps‘, mit der Unterstützung von Erykah Badu, Red Hot Chili Peppers Gitarrist John Frusciante und George Harrison?s Sohn Dhani Harrison ist letztendlich ein wirklich toller und melodischer Track geworden und eine mehr als gute Singleauskopplung. Leider reihen sich jedoch immer wieder einige qualitativ schwache Songs neben den gelungenen Stücken ein, die den Gesamteindruck deutlich trüben. So ist der Beat zu ‚Unpredictable? einfach nervtötend und auch die Hook des Tracks ist ein Desaster geworden. Auch ‚Stick For My Riches?, das ansonsten einen soliden Tracks darstellt wird durch die völlig überflüssige Hook deutlich abgeschwächt. Ebenso hätte man sich George Clintons Part auf dem sowieso eher mediokren ‚Wolves‘ sparen können.

Hinsichtlich des Soundbildes erkennt man eine sehr homogene Produktion, die zum Großteil auf das Schaffen vom RZA zurückzuführen ist. Lediglich auf dem unspektakulärem ‚Take It Back? und auf ‚Stick For My Riches? wird er von Easy Mo Bee bzw. Mathematics unterstützt. Die Anschuldigungen Raekwon?s, RZA habe sich zu sehr an Gitarrensounds und orchestralen Klängen orientiert, sollten nicht zu negativ aufgenommen werden, da beispielsweise die eingesetzten Gitarren die Beats weitestgehend gelungen unterstreichen und eine durchaus legitime Komponente des neuen Wu Sounds darstellen. Zudem sind die Gitarren sehr sparsam und akzentuiert eingesetzt, so dass sie stets im Hintergrund bleiben und keine zu große Rolle spielen. Zu den besseren Beats gehören diejenigen Produktionen, die den typischen Wu Sound wiedergeben. Dazu gehören zum Beispiel das bereits erwähnte ‚Campfire‘ sowie ‚Windmill‘ oder ‚Weak Spot‘, die allesamt die perfekte Unterlage für die Lyrics der Jungs bieten. Auch ‚Gun Will Go‘ ist ein atmosphärischer Song der sehr gelungen ist. Allerdings hat RZA auch viel Durchschnittliches für „8 Diagrams“ produziert, was ärgerlich ist, aber an Songs wie ‚Unpredictable‘ oder ‚Rushing Elephants‘ deutlich wird. Zwar fällt kein Track wirklich negativ auf, aber hört sich doch auch Einiges nach Füllmaterial an und wirkt irgendwie unspektakulär. Somit hat RZA alles in allem eine überwiegend gute Soundkulisse gestaltet, doch ist dem Beatgenie diese MAl leider nicht alles gelungen, was das Album folglich qualitativ ein wenig nach unten zieht.

Die Performances der einzelnen Wu-Tang MC?s sind größtenteils gelungen und noch immer ist es beeindruckend so viele unterschiedliche Rapper auf einer CD zu hören, die anscheinend trotz ihrer verschiedenen Herangehensweise sehr gut harmonisieren. So hat jeder Wu-Tang Clan Rapper seine Daseinsberechtigung, sei es Masta Killa mit seinem düsteren monotonen Flow oder der der von Kritikern hochgelobte Ghostface Killah mit seinem völlig verrückten Reimvariationen und Punchlines. Herauszuheben ist insbesondere Method Man, der sich die harschen Worte seiner Kritiker in letzter Zeit wohl zu Herzen genommen hat, und mit wirklich herausragenden Parts glänzen kann. Auch der gerne mal übersehene U-God hat sich für das neue Album noch mal verbessert und bringt gute Lines an den Mann. Rapfeatures kommen lediglich von Capadonna und Streetlife, die zwar nicht als Feature aufgelistet werden, aber immer noch nicht als vollwertige Mitglieder angesehen werden. Insgesamt gibt es also hinsichtlich der Leistungen am Mic wenig zu bemängeln; obskure Soloausflüge von RZA auf ‚Sunlight‘ lassen sich verschmerzen. Allerdings ist es sehr schade, dass auf dem sehr guten und anrührenden Tributsong an Ol‘ Dirty Bastard namens ‚Life Changes‘ kein Ghostface Part vorzufinden ist.
Kopfschmerzen bereiten lediglich die vielen Gesangshooks, die nicht immer überzeugen können und oftmals die Tracks abwerten. Als positive Ausnahme ist die Hook von Sunny Valentine auf dem exzellenten ‚Gun Will Go‘ zu erwähnen.

Alles in Allem ist „8 Diagrams“ beileibe kein schlechtes Album geworden, doch werden die Erwartungen nicht ganz erfüllt. Zwar finden sich einige gelungene Songs wie ‚Campfire‘, ‚Gun Will Go‘ oder das wirklich sehr bewegende ‚Life Changes‘ auf dem Album, doch vom Klassikerstatus eines „Enter The Wu-Tang“ ist „8 Diagrams“ ein gutes Stück entfernt. Dies liegt vor allem an mehreren Tracks, die zwar solide sind, aber darüber hinaus nicht wirkliche Highlights darstellen. Positiv ist aber auf jeden Fall, die musikalische Geschlossenheit des Albums, das wie aus einem Guss erscheint und aus diesem Grunde nach mehrmaligem Hören einige Stärken entfalten kann.
Insgesamt bleibt „8 Diagrams“ also ein solides bis gutes Rapalbum, das aber bestimmt nicht alle Wu-Tang Fans zufrieden stimmen wird. Was nun aus dem Wu-Tang Clan wird, bleibt abzuwarten.

Bewertung: 3,5 von 6
Bewertung: 3,5 von 6

By: BJ AN