Review: Kollegah - Alphagene

"Alphagene"
"Alphagene"

Kaum ein Rapper in Deutschland hat es innerhalb so kurzer Zeit geschafft zum Gesprächsthema Nr.1 zu werden wie Kollegah. Zum einen hat er dies seinem wahrlich einzigartigem Rapstil zu verdanken, der in Sachen Doubletimerap, Komplexität der Reimketten und Genialität der Punchlines neue Maßstäbe gesetzt hat und auf zwei gefeierten Mixtapes („Zuhältertape“ und „Boss der Bosse“) ausreichend zelebriert wurde. Zum anderen wurden wie bei keinem zweiten Rapper so umfangreiche Authentizitäts- sowie Kredibilitätsdebatten geführt, was eine gesunde Schar an Hatern mit sich zog, die sowohl Kollegah?s Image als Zuhälter und Drogendealer anzweifeln als auch jede Möglichkeit wahrnehmen um ihn zu kritisieren, sei es sein verpatzter Splash Auftritt aus dem Jahre 2006 oder seine angebliche zu monotone Rapstimme und mangelnde Themenvielfalt. Weiterhin konnte der selbsternannte Boss der Bosse durch seinen Beef mit Separate für Aufsehen sorgen, der aber mittlerweile ad acta gelegt zu sein scheint. Zuletzt horchten nochmals Fans und Kritiker auf, als von Selfmade Records bekannt gegeben wurde, dass das Relasedate für das Album aufgrund eines Strafprozesses gegen Kollegah verschoben wurde, was zu wiederum passenden Gesprächsstoff für die bekannten Internetforen darstellte. Der Selfmade Rapper hat also ausreichen polarisieren können, aber insgesamt auch einen Status und einen Hype kreiert um den ihn andere Rapper beneiden würden.

Nun also legt Kollegah sein Debutalbum „Alphagene“ vor, welches über Selfmade Records erscheint, und dass man wohl als eines der am meist erwarteten Deutschrap Releases dieses Jahres bezeichnen kann. Dabei wird nun geklärt werden, ob Kollegah auch auf Albumlänge zu unterhalten weiß, oder ob er seine besten Punchlines schon auf seinen ersten Mixtapes verballert hat.

„Alphagene“ vereint gekonnt Battlerapthematik mit einigen persönlichen und ernsteren Songs. So legt Kollegah natürlich vorwiegend Wert auf seine mit Punchlines bestückten Battletracks, auf denen er wie von ihm gewohnt mit intelligenten Wortspielen, gekonnt akzentuierten Doubletimepassagen sowie seiner herablassenden und selbstbewusster Stimme imaginäre Gegner in die Schranken weist und dabei durchgehend eine hervorragende Figur macht. Zwar könnte man kritisieren, dass sich viele Tracks auf Goldketten, Rauschgifthandel und sonstig Angebereien beschränken, aber wenn dies auf eine so unterhaltsame und technisch versierte Art und Weise geschieht, dann könnte Kollegah auch 60 Minuten über das Abwickeln von Bausparverträgen referieren, ohne dass einem langweilig wird. Beste Beispiele dafür sind die Doubletime Abfahrten ‚Veni Vidi Vici‘, der dritte ‚Showtime‘ Teil oder das sehr coole Outro, auf dem der Selfmade Rapper scheinbar mühelos mehrere Minuten lang Punchline an Punchline reiht. Auch der zweite Part auf ‚Pokerfacekönig‘ unterstreicht Kollegahs?s raptechnische Klasse nochmals bestens und reiht sich in die Riege der vielen Highlights.

Neben diesen grandiosen und technisch kaum zu überbietenden Battlerapstücken hat Kollegah aber auch den einen oder anderen ernsthafteren Song auf das Album gepackt. So thematisiert er auf der ‚Dealer Zum Star‘ Trilogie seine Vergangenheit als Drogendealer, während er sich auf ‚Alles Was Ich Hab‘ bei seiner Mutter, seiner Schwester und seinem algerischen Stiefvater bedankt. Auch ‚Einzelkämpfer‘ und ‚Ein Junge Weint Hier Nicht‘ gehen in eine sehr persönliche Richtung und widmen sich Themen von eher privater Natur. Glücklicherweise schafft Kollegah es auch auf diesen eher ernsteren Stücken weitestgehend mit guten Parts zu überzeugen und verfällt nicht gängige Rapklischees und den altbekannten Phrasendreschereien. Technisch hat er zwar auf diesen Stücken den Standard ein wenig heruntergeschraubt, ist aber der restlichen Konkurrenz immer noch weit voraus. Lediglich bei seinem zweiten Part auf ‚Ein Junge Weint Hier Nicht‘ scheint die Qualitätskontrolle versagt zu haben, da dieser auffallend schwach geraten ist und wohl in Eile aufgenommen wurde.

In musikalischer Hinsicht ist „Alphagene“ ebenfalls gelungen. Der Großteil des Soundbildes wurde vom Selfmade Inhouse Producer Rizbo beigesteuert, der ja schon auf vorherigen Selfmade Releases sein Können unter Beweis gestellt hat (man denke an das hervorragende ‚Shotgun‘ vom Favorite Album). Neben einzelnen Produktionen von Jimmy Ledrac, Vizir oder SixJune sorgt aber auch JAW für musikalische Unterstützung und stellt 4 Instrumentale zur Verfügung, die vorwiegend auf entspannten und düsteren Soundentwürfen daherkommen und die passende Unterlage für Kollegahs lyrische Glanzleistungen bietet. Hierbei zu erwähnen sind die Tracks ’24/7′,’Machomannstyle‘ oder das Outro, die allesamt durch sehr gute Beats bestechen. Auch Rizbo hat gute Instrumentals parat gestellt, was zum Beispiel auf der ersten Single ‚Guck Auf Die Goldkette 2007‘ deutlich wird, die mit ihrem Ohrwurmcharakter besticht. Ebenfalls besonders gelungen sind die Beats zu ‚Veni Vidi Vici‘ (SixJune) und dem ‚Dealer Afterlude‘ (Vizir), wobei Ersterer die optimale Basis für Kollegah?s Doubletime Passagen bietet und Letzterer mit einem besonders relaxten Soundbild überzeugt.
Allerdings hat sich musikalisch auch Durchschnittliches auf das Album geschlichen: ‚Endlevel‘ beispielsweise orientiert sich vom Sound her an den gängigen Dirty South Tracks und fällt nur mäßig spannend aus. Die von Rizbo bereitgestellten Produktionen zu ‚Alles Was Ich Hab‘ und ‚Vom Dealer Zum Star‘ sind zwar eigentlich in Ordnung, werden aber durch die elektronische und poppige Ausrichtung sicherlich nicht allen gefallen, wobei vor allem ‚Vom Dealer Zum Star‘ leicht kitschig wirken könnte. Alles in allem aber ist das Soundbild überzeugend und besticht überwiegend mit atmosphärischen und einfallsreichen Beats, die bestens mit Kollegah?s beeindruckenden Texten harmonisieren.

Obwohl Kollegah das Album auch gut im Alleingang bestreiten könnte, hat er trotzdem einige Gäste auf sein Album geladen. Von denen lässt er sich aber nicht die Butter vom Brot nehmen und schafft es auch neben seinen Gästen weiterhin hervorzustechen. So haben neben den Selfmade Kollegen Slick One und Favorite unter anderem die Berliner Doubletime Spitter DeineEltan, sowie K.I.Z. und Bass Sultan Hengzt Featurebeiträge hinterlassen, die allesamt solide sind, aber dem Album nicht viel hinzufügen. Am ehesten mit Kollegah mithalten kann noch der verrückte Favorite, dessen Samy Deluxe/Tropf Line auf dem Song ‚Selfmade Endbosse’schon jetzt zum kultigen Klassiker avanciert ist.

Mit „Alphagene“ hat Kollegah eines der besten Deutschrapalben des Jahres hingelegt, das in allen Belangen den Erwartungen gerecht wird. Der „Boss“ agiert technisch sowie lyrisch auf höchstem Niveau und besticht auf dem Album mit einem schier unerschöpflichen Maß an unterhaltsamen und lustigen Punchlines, die dafür sorgen, dass Alphagene nie in Gefahr gerät den Hörer zu langweilen. Vielmehr wird man jederzeit bestens unterhalten und macht auch nach mehrmaligem Hören immer noch neue Entdeckungen. Zu bemängeln gibt es recht wenig. Vielleicht fehlt es dem Album ein klein wenig an dem rohen und ungeschliffenem Charakter der vorherigen Mixtapes, was man an den leicht abgemilderten Texten ausmachen kann, die vom Inhalt her nicht mehr ganz so hart sind. Dies stellt aber keinen wirklichen Kritikpunkt dar. Ansonsten findet man einige wenige schwächere Beats vor, die den positiven Gesamteindruck aber nur marginal schwächen. Alles in allem ist „Alphagene“ aber ganz großes Kino und wird Kollegah?s Status in Rapdeutschland nicht nur festigen sondern sicherlich auch weiter ausbauen.

Bewertung: 5 von 6
Bewertung: 5 von 6