Review: Muso - Malibu Beach EP

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Im letzten Sommer, wenige Tage nach Veröffentlichung von Cro’s Megaseller „Raop“ gab Chimperator bekannt, dass man sich bereits die Dienste eines weiteren jungen Rappers gesichert habe. Genau wie bei Cro handelte es sich dabei ebenfalls um einen weitestgehend unbekannten Namen, jedoch wussten bereits einige wenige Eingeweihte zu berichten, dass es sich bei Muso um „das ganz große, neue Ding“ handeln solle. Aufgewachsen in der Nähe der Schweizer Grenze und wohnhaft in Heidelberg, ließ vor allem seine enge Zusammenarbeit mit dem als Get Well Soon international bekannten und erfolgreichen Multinstrumentalisten und Produzenten Konstantin Gropper aufhorchen. Und eine erste Kostprobe des gemeinsamen Schaffens lieferte Chimperator gleich mit.

Das Video zu „Malibu Beach“ war zunächst einmal eins: ungewöhnlich. Kühle, orchestrale Electrosounds, ein rhythmisch anspruchsvoller Beat über den der Protagonist mithilfe unorthodoxer Flowpatterns die Geschichte eines rebellierenden Teenager-Mädchens berappt. Dazu ein schnell geschnittenes Video überladen mit Effekten und symbolträchtigen Bildern, in dem Muso nur vereinzelt zu sehen war. Im ersten Durchlauf eine einzige Reizüberflutung. Nach mehrmaligen Sehen allerdings offenbarte sich, dass es sich hier nicht bloß um eine ästhetische Abgrenzung zu ausgelutschten Hip-Hop-Stereotypen handelte, sondern hier tatsächlich ein junger Künstler einen ziemlich spannenden, weil so noch nicht gehörten, eigenen Sound-Entwurf vorlegte.

Vollmundig wurde das Debütalbum des jungen Mannes gleich für das Ende des Jahres angekündigt, doch 2012 verstrich und trotz einer Erwähnung in der Bildzeitung als einer der wichtigsten Deutschen für 2013 war von Muso auch im neuen Jahr nicht viel zu hören. Bis jetzt zumindest. Das Debütalbum mit dem mitteldämlichen Titel „Stracciatella Now“ hat mit dem 14. Juni nun ein konkretes Release Date und um vorab noch einmal auf sich aufmerksam zu machen, veröffentlichte Muso vor eineinhalb Wochen eine um seinen bis dahin einzig bekannten Song zusammengestellte Free-EP.

Die „Malibu Beach EP“ umfasst 5 Songs und einen bloß mit Vocal-Schnipseln versehenen Remix des Titeltracks aus dem Hause der Electronica-Frickler von Deafkid. Konstantin Gropper und der vor Kurzem mit Sizarr erfolgreiche Produzent und hier als Pink Gantner in Erscheinung tretende Markus Gantner lieferten neben eben „Malibu Beach“ auch die Soundkulisse zu dem Song „Garmisch-Partenkirchen„, der im Vorfeld der Veröffentlichung ebenfalls mit einem Video bedacht wurde.

Der Song fungiert als Einstieg in die EP und zeigt wiederum Musos Vorliebe für vertrackte Textaussagen, einen verspielten Umgang mit seiner Stimme und dramatische, elektroide Beats. Auch wenn sich einem der Sinn von Musos scheinbar wahllosen Aneinanderreihungen von Bildern nicht direkt erschließen mag, schafft es der Künstler so im Zusammenspiel mit seinem Produktionsteam eine sehr eigene, dichte Atmosphäre aufzubauen, die einen gespannt auf den kommenden Langspieler warten lässt. Das hier postulierte Mantra „Halt mal Händchen, Alphmännchen“ zeigt in diesem Zusammenhang Musos Selbstverständnis im Deutschrapgefüge post „JBG2„.

Auch in den drei weiteren Songs der EP dominieren verschlüsselte Metaphoriken. In „Schatten“ und „Wald“ geben bereits die Liedtitel das inhaltliche Spielfeld für Musos Analogien vor. In „Orange Rose“ ist es das Farbspektrum, was ihm zur Darstellung einer vergangenen Liebe dient. Musikalisch zeichnet sich Ozaka für „Schatten“ und „Orange Rose“ verantwortlich, während das Instrumental zu „Wald“ von Gora Sou stammt. Auch sie liefern einen atmosphärischen Backdrop für Musos Wort- und Gedankenspiele, wenn auch weniger dramatisch und generell etwas verspielter als die beiden Kompositionen des Duos Gropper / Gantner.

Alles in allem eröffnet die „Malibu Beach EP“ einen etwas weiteren Einblick in Musos musikalischen Kosmos und steigert die Spannung bezüglich seines kommenden Debüts. Denn was der junge Künstler anzubieten hat, ist musikalisch anspruchsvoll, inhaltlich vertrackt und mitnichten jedermanns Sache. Manch einem mag es zu wenig „Rap“ bzw. „Hip-Hop“ sein, anderen erscheint möglicherweise das Konzeptionelle seiner Songs zu aufgesetzt. Was allerdings außer Frage steht, und dies ist hier das eigentlich Bemerkenswerte, ist, dass Muso drauf und dran ist, im nach wie vor eher traditionsbewussten (bzw. je nach Sichtweise, rückwärtsgewandten) Deutschrapgeschehen einen gänzlich eigenständigen, neuen Soundentwurf zu etablieren. Und das auf einem musikalischen Niveau, das sich deutlich oberhalb des gängigen Standards bewegt. Ob sich in diesem Zusammenhang die Prognose der Bildzeitung bewahrheitet und seine Musik bereits in diesem Jahr durchschlagenden Erfolg erfahren wird, bleibt abzuwarten. Ein interessanter Erstling sollte „Stracciatella Now“ trotz seines Titels wohl aber in jedem Fall werden.