Review: Fler - Hinter blauen Augen

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„Hinter blauen Augen denk ich nur an’s hustlen!“

Auch in diesem Jahr hat Fler seinen „Hustle“ wieder vorangetrieben und nach dem Nachfolger zu „S??dberlin Maskulin nun auch ein neues Soloalbum namens „Hinter blauen Augen“ ver??ffentlicht. Damit h?¤lt der produktive Berliner seinen pers??nlichen Release Zyklus ein und pr?¤sentiert wie in jedem Jahr ein neues Solo-Lebenszeichen f??r seine treue Anh?¤ngerschaft.

Bereits im Vorfeld zu „Hinter blauen Augen“ verk??ndete der wie immer selbstbewusste Fler, dass er mit diesem Album inhaltlich und musikalisch neue Pfade einschl?¤gt und seine Streetrap Wurzeln endg??ltig hinter sich lassen will. Vielmehr solle auf seinem neuen Werk der eigene hart erk?¤mpfte Reichtum und das feine Luxusleben im Mittelpunkt stehen, wie es Amirapper ?  la Rick Ross oder Birdman seit jeher gen??sslich vorleben. Dabei gab der Maskulin Rapper offen zu, dass er sich am aktuellen US Rap orientiere und sowohl inhaltlich bekannten Statussymbolen wie Louis Vuitton oder Ciroc Vodka huldigen m??chte als auch soundtechnisch den modernen breitfl?¤chigen Sound der US Boys um French Montana und Co. einfangen wolle. Die vorab ver??ffentlichten Videos gaben hierbei die neue Marschroute vor und entfachten in der Folge hitzige Debatten. W?¤hrend einige Fans in dem neuen Material eine konsequente und gelungene Weiterentwicklung des Berliners in Richtung zeitgen??ssischen Amiraps sehen, bem?¤ngelt ein Gro??teil der H??rer Fler’s neue Taten als einen ideenlosen und billigen Abklatsch derzeitiger US Trends. Ob Fler’s Ausflug in die Welt der Reichen und Sch??nen nun ein unterhaltsame Adaption des amerikanischen Traums auf Deutsch darstellt, oder ob der selbsternannte Trendsetter inzwischen blo?? den aktuellen musikalischen Trends ohne jegliche Inspiration und Eigenleistung hinterherrennt, wird sich nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem neuen Release aus dem Hause Maskulin zeigen.

Inhaltlich dominieren auf „Hinter blauen Augen“ zum einen die angek??ndigten Abhandlungen ??ber das eigene Barverm??gen: Fler zelebriert ausgiebig und genu??voll die sch??nen Seiten des Lebens, wirft mit Geldscheinen um sich, feiert mit Topmodels im VIP und k??pft teure Champagnerflaschen auf Luxusyachten. Vereinzelt gelingt ihm die Berichterstattung aus den liebgewonnenen Luxuskreisen auch einigerma??en ??berzeugend, wie z.B. in der dritten Videoauskopplung „La Vida Loca“, in der Fler mit dem offenbar beeindruckenden Inhalt seines Portemonnaies prahlt. Dabei glorifiziert er technisch einwandfrei sein Dasein inmitten von Schampusflaschen und Hublot Uhren und punktet mit einer ignoranten Haltung, die dank des direkten und rotzigen Vortrags des „Jungunternehmers“ Fler („Bist du pleite, dann zieh Leine. Verschwinde!“) durchaus erfrischend daherkommt
Zudem gef?¤llt hier auch der entspannte und hypnotisierende Beat inklusive atmosph?¤rischer Piano Bridge, und auch wenn Fler’s Autotune Ges?¤usel in der Hook definitiv gew??hnungsbed??rftig ist, harmoniert der Einsatz des „T-Pain“ Effekts hier gut mit den ruhigen Klavierkl?¤ngen:

??ber weite Strecken allerdings ??berzeugt die Luxus Reportage des Jetsetters Fler’s leider nicht. Zu oft verliert sich der leidenschaftliche USA Fan in das plumpe Aufz?¤hlen der diversen Luxus Attribute ohne aber seine Bling Bling Eskapaden durch unterhaltsame oder originelle Passagen aufzulockern, was auf Dauer erm??dend wirkt. Dabei spielt der von Fler gew?¤hlte Rapstil sicherlich auch eine nicht unwesentliche Rolle, denn zum Teil tr?¤gt er seine Strophen in Anlehnung an die French Montana’s und 2 Chainz’s dieser Welt bewu??t langsam vor, was aufgrund der fehlenden Punchlines teils dann aber ziemlich monoton wirkt. Das Dilemma wird durch den Titeltrack verdeutlicht, in dem Fler mittels planm?¤??ig eingebauter Pausen und dem langgezogenen Flow versucht m??glichst ignorant zu wirken, aber vergisst unterhaltsame Zeilen zu integrieren und sich auf Phrasen beschr?¤nkt, die bis auf die denkw??rdige Line „Diese Schuhe sind zum Laufen da“ nicht h?¤ngenbleiben. Auch das Instrumental soll einen Amirap Flavour kreieren, f?¤llt aber schlichtweg langweilig aus und pl?¤tschert uninspiriert vor sich hin:

Neben dem Anpreisen seines Kontostands, spielen zum anderen vor allem Lieder ??ber bzw. f??r die Frauenwelt eine gewichtige Rolle auf dem Longplayer oder wie Fler es ausdr??ckt: es gibt „Pussy-Shit f??r die Ollen“. Dabei wird eindeutig auf potenzielle Ohrw??rmer gesetzt und Fler darf sich mal wieder an gesungenen Hooks versuchen, die er mit reichlich Autotune Einsatz versetzt und mit voller Inbrunst ins Mikrofon tr?¤llert. Leider muss man sagen, dass Fler mit seinen Autotune Hooks weit ??ber die Str?¤nge schl?¤gt und das eh seit jeher kontrovers diskutierte Klangmittel so exzessiv einsetzt, dass der H??rnerv des geneigten Rezipienten bald ??berstrapaziert wird. Statt den Effekt dezent zu verwenden, wie es auf „La Vida Loca“ oder mit Abstrichen auf „Slumdogmillion?¤r“ noch gelingt, s?¤uselt das Maskulin Oberhaupt ausgedehnte Arien in die Weiten der Welt, die aber sehr kitschig ausfallen und den H??rgenuss somit erschweren. In „H??henflug“ beispielsweise erteilt Frauenversteher Fler bereitwillig Auskunft ??ber seine Erfolge beim weiblichen Geschlecht, obwohl er nach eigener Aussage doch „was Echtes“ sucht und nach wie vor ein ambivalentes Verh?¤ltnis zur Damenwelt pflegt. Die gelungenen Parts ??ber sein Liebesleben werden dann allerdings durch eine ausf??hrliche Singsang Hook runtergezogen, die das eh schon sehr kitschige Beatger??st nochmals um eine kaum zu ertragende Zuckerglasur erg?¤nzt. In die Kategorie „So schlecht, dass es schon wieder gut ist“ f?¤llt ??brigens folgende Phrase, die Fler am Anfang des Songs rausposaunt: „Der Typ, den ihr seht, dass bin ich!“. Na dann ist ja alles klar.

Auch in der Folge schm?¤lern die ausgiebigen Gesangsorgien den Spa?? an Fler’s Ausfl??gen in die Betten seiner Gespielinnen. Das am beliebten Drake/40 Klangbild angelehnte „Sch??nheit ist verg?¤nglich“ mit Animus bietet zwar introspektive und erwachsene Lyrics zum Thema Frauen und Beziehung, nervt aber mit einem abermals schwachen und textlich beliebigen Gesangs-Refraindes scheinbar verhinderten Schnulzenbarden Fler. Qualitativ noch schw?¤cher anzusiedeln sind „Psychopath“, bei dem Fler abermals ein von 40 inspiriertes Beatger??st nutzt um ??ber ein zugekokstes Dornr??schen herzuziehen, das sein Vertrauen missbraucht hat, und „Lady Killa“, in welchem Fler seine Flirt Talente bejubelt. Vor allem „Lady Killa“ wirkt mit seinem schiefen Gekr?¤chze wie der missgl??ckte Versuch eine Future Autotune Nummer ins Deutsche zu transferieren. Die vorab stark kritisierte Liebeserkl?¤rung an Fler’s „Nummer 1“ wirkt da trotz aller Mittelm?¤??igkeit wie ein echter Lichtblick im Schnulzen Dschungel:

Im weiteren Verlaufe wechseln sich gute Tracks mit weiterer Dutzendware ab. Zu den H??hepunkten des Albums z?¤hlt neben „La Vida Loca“ sicherlich die motivierende Steh auf Hymne „Atme ein, atme aus“, die mit einem druckvollen Beat sowie guten und energiegeladenen Parts von Silla G-Hot und Fler gl?¤nzen kann. Auch „CEO“ ??berzeugt mit einem guten Instrumental, einer simplen aber eing?¤ngigen und aggressiven Hook und auch Fler kann hier die w??tende Arroganz und die stumpfe Direktheit, die ihn auf fr??heren Alben auszeichnete, hin??berretten. Ebenfalls gelungen ist der Track „Slumdogmillion?¤r“, in dem Fler auf einem passablen Beat seinen Aufstieg aus den niederen Gefilden der Gesellschaft beschreibt und nur der etwas gew??hnungsbed??rftige aber noch passable Chorus ??berrascht. Schlu??endlich kann „Du bist es wert“ mit seiner eing?¤ngigen Moe Mitchell Hook zu den st?¤rkeren Momenten des Longplayers gewertet werden. „Nightlife“ mit Moe Mitchell f?¤llt dann wiederum zwar nicht sonderlich negativ auf, kann aber als ziemlich beliebiges Liedgut abgeheftet werden, w?¤hrend sich auf „Zu Gangster“ ein solides aber auch gleichzeitig unspektakul?¤res Gipfeltreffen zwischen French Montana, Silla und Fler abspielt. Die Kool Savas Bonustrack Kollabo „Team Blade“ ist ebenfalls nur leicht ??berdurchschnittliche Kost: den eigentlich ordentlichen Beat beackert Kool Savas mit leidlichen originellen Vergleichen („Mein Flow ist der Winter“) und auch der Chorus ist zwar energisch, aber auch ein wenig einfalllos („…denn ihr seid zu female“). Immerhin liefert Fler hier eine seiner st?¤rksten Leistungen ab.

Insgesamt kann Fler mit seinem aktuellen Solo Ausflug nicht ??berzeugen: zwar bekommt der Zuh??rer, wie von Fler versprochen, ein modernes Klangbild serviert, jedoch will der neue Soundteppich nicht so recht z??nden und oftmals wirken die Beats austauschbar und beliebig. So werden derzeit popul?¤re amerikanische Soundentw??rfe meist ohne eigene Handschrift plump imitiert und mehr schlecht als recht umgesetzt. Zudem klingt die musikalische Untermalung teils d??nn, kraftlos und zudem schlecht abgemischt, was bei einem Produkt aus dem Hause Fler eigentlich unverzeihlich ist.

Dabei gibt es inhaltlich an Fler’s High Life Reportagen und Ladytracks eigentlich nichts zu kritisieren. Es stimmt gerade nicht, dass ihm die Menschen seinen Erfolg und sozialen Aufstieg nicht g??nnen, wie Fler es so oft vermutet, denn bereits in der Vergangenheit haben vereinzelt deutsche Rapper ??ber Edelmarken, Topmodels und teuren Champagner philosophiert. So hat zum Beispiel Kay One, der sich thematisch ebenfalls in den g?¤ngigen Gucci Stores wohlf??hlt, unterhaltsam und erfrischend ??ber das Luxusleben in Saus und Braus berichtet und dabei gleichzeitig einen eigenst?¤ndigen musikalischen Entwurf kreiert. Fler dagegen beschr?¤nkt sich darauf kontempor?¤re Musik aus ??bersee 1zu1 zu kopieren und rennt somit pl??tzlich den Trends hinterher anstatt neue Akzente zu setzten. Wom??glich h?¤tte sich der Berliner rap- und soundtechnisch besser auf alte Tugenden verlassen und mit den bew?¤hrten musikalischen Mitteln die neue Lust am Luxus Lifestyle abfeiern sollen, anstatt seine St?¤rken am Mic in ein Korsett aus billig klingenden Beats und Hooks zu zw?¤ngen.

Somit handelt es sich bei „Hinter blauen Augen“ um eines der schw?¤cheren Fler Soloalben, das wohl in erster Linie nur eingefleischte Fans des Berliners ??berzeugen wird und bis auf wenige gelungene Ausnahmen eher blass und weitestgehend belanglos vor sich hin pl?¤tschert.