Durchgehört: Rick Ross - "God Forgives, I Don't"

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Es ist soweit. Mit „God Forgives, I Don’t“ von Ricky Rozay steht nun eines der meisterwarteten Realeses des Jahres in den Läden und auf den diversen legalen Download-Portalen bereit. Nachdem Rick Ross zu Beginn des Jahres mit „Rich Forever“ sein womöglich bestes Werk bis dahin kostenlos im Netz veröffentlichte, ist die Erwartungshaltung gegenüber dem neuen offiziellen Album vom Bawse aus Miami denkbar groß. Noch zusätzlich angeheizt wurde das Ganze durch eine groß aufgezogene Pressekonferenz Anfang Mai, in der man neben den neuen Business-Ventures von Ross, dem neuen Maybach Music-Signing Omarion und den verbleibenden Releases auch die vermeintliche Übernahme durch das zurzeit Maßstäbe setzende Camp um Rick Ross bekannt gab.

Die erste der dort angekündigten Veröffentlichungen, der zweite Crew-Sampler „Self Made Vol. 2„, erschien nun bereits vor etwas mehr als einem Monat und konnte zwar beachtliche Erfolge in den Billboard-Charts verzeichnen, doch kam man als langjähriger Beobachter der Maybach Music Group und dessen Chef nicht umher, festzustellen, dass die entsprechende Platte nicht die gewohnte Durchschlagskraft besaß, wie sie vorherige Releases noch mit scheinbarer Mühelosigkeit zu erzielen vermochten. Waren seit Rozays „Teflon Don“ alle Veröffentlichungen aus dem Hause MMG wegweisend für den Sound gewesen, in dessen Richtung sich das amerikanische Rapsiel entwickelte, hatte man auf „Self Made Vol. 2“ das erste Mal das Gefühl, dass hier im aktuellen Status Quo verweilt und der im Game errungene Platz lediglich verwaltet wurde. Das mag in Anbetracht dessen, was Rick Ross in den letzten Jahren trotz widrigster Umstände mit seiner Musik und seinem Label erreicht hat, als völlig legitim erscheinen, doch machte sich dies beizeiten negativ in der musikalischen Umsetzung der Platte bemerkbar.

Wenn man bedenkt, dass sich Rick Ross Musik vor allem auch immer durch seinen Hunger und den unabdingbaren Willen, es unbedingt Schaffen zu wollen, auszeichnete und er dies zumeist auch erreichte, indem er mit Vertrauen auf den eigenen Geschmack, sein eigenes Ohr neue Wege beschritt, so wirkte „Self Made Vol. 2“ mit seinen unzähligen Featuregästen von außerhalb des eigenen Camps und dem nun weitaus weniger neuen, sondern inzwischen omnipräsenten und altbekannten MMG-Sound ungewohnt vorhersehbar. Auch wenn bereits die Single-Auskopplungen „Touch’N You“ mit Usher auch für „God Forgives, I Don’t“ nichts Gutes vermuten ließ, verblieb die Hoffnung, dass Rozay sich die ganz großen Perlen für sein lang angekündigtes fünftes Studio-Album zur Seite gelegt hatte.

Nun ist „GFID“ also da und soll in diesem „Durchgehört“ Track für Track auf die Probe gestellt werden:


1. Pray For Us [Prod. By Harry Fraud]

(Sehr freundlich von Ross hier den äußerst talentierten Harry Fraud als Produzenten aufzuführen, nur hat dieses Intro leider gar keinen Beat. Wahrscheinlich hat er das verwendete Vocal-Sample gefunden. Glückwunsch dazu.)

2. Pirates [Prod. By Kenoe]

Wie zu erwarten ein opulentes Intro. Bläser, Streicher, Piano – alles wie gehabt. Dennoch solider Beat. Ross ebenfalls solide.

„Christopher Wallace of my time / R.I.P. to the legend / Tupac Shakur wit‘ a Nine“

3. 3 Kings (Ft. Dr. Dre & Jay-Z) [Prod. By Jake One]

Was das eindrucksvolle Line-Up verspricht, kann der dazugehörige Track leider nur bedingt halten. Jay-Z tritt wie gewohnt stark auf und erzählt, dass die meisten Rapper es nicht einmal mit seiner jungen Tochter aufnehmen würden. Der Rest bleibt hinter den Erwartungen zurück. Dre mit Rozay Flow…hmm.

(Props an Jake One nun einen Track mit diesen drei Namen im Portfolio zu haben.)

4. Ashamed [Prod. By Cool & Dre]

Cool & Dre liefern einen Beat mit souligen 80s-Sample, der wie gemacht ist für Rozays Miami-Coke-Dealer-Swag, aber leider teilweise etwas überladen wirkt.

5. Maybach Music IV (Ft. Ne-Yo) [Prod. By J.U.S.T.I.C.E. League]

Die Kombination von Rick Ross und J.U.S.T.I.C.E. League hat schon so oft wunderbar funktioniert und tut es auch hier. Sommerlicher Soul-Sound gewohnt groß aufgezogen mit Bläsern, Streichern, Breakdowns und Background-Gesang. Das ganze in perfekter Harmonie mit Ross Stimme, der hier zum ersten mal wirklich inspiriert wirkt. Ne-Yo passt ebenso perfekt ins Konzept und zu guter Letzt gibt’s noch ein paar weise Worte von L.A. Reid. Klasse.

6. Sixteen (Ft. Andre 3000) [Prod. By J.U.S.T.I.C.E. League]

Ein nahtloser Übergang zu „Maybach Music IV„. Der 80er Swag geht weiter mit einem cheesy Saxophon im Intro. Das Konzept dieses über 8-minütigen Tracks ist, „How can I squeeze my life into 16 Bar-verse“, und was macht da mehr Sinn als sich Schützenhilfe von Freigeist Andre 3000 geben zu lassen, der nicht nur einen phantastischen Part abliefert, sondern auch die Hook croont und zum Ende hin ein atmosphärisches, wenn auch eher mittelmäßiges Gitarren-Solo runterklampft. Schon cool.

7. Amsterdam [Prod. By Cardiak]

Auch dieser Beat von Cardiak schlägt eine ähnliche Richtung ein, wie die Songs zuvor. Ross flowt souverän, inhaltlich dreht sich wiedermal alles um das Good Life, das so hart zu erkämpfen war und einem von so vielen Neidern nicht gegönnt wird. Gähn.

8. Hold Me Back [Prod. By G5]

Von den ersten verzerrten Bläser-Klängen ist klar, die Soul-Periode des Albums ist vorbei und wir haben den aggressiveren Teil der Platte erreicht. Das hier soll wohl „BMF 2012“ sein. Ist es zwar nicht, aber geht trotzdem sehr klar.

9. 911 [Prod. By Young Shun]

Die eingeschlagene Richtung wird weiter verfolgt. Die Zeit der Snare-Staccatos ist angebrochen. „911“ ist zwar nicht unbedingt furchtbar schlecht, aber leider doch ziemlich beliebig. Skip.

10. So Sophisticated (Ft. Meek Mill) [Prod. By The Beat Bully & Jofmoney]

So Sophisticated“ war bereits im Vorfeld bekannt. Der Beat kann was, trotzdem hat man das Gefühl, dass hier schon viel zu oft gehört zu haben. Der zu Recht gehypte Meek Mill bringt frischen Wind in die Sache. Der Junge aus Philly gewinnt schon alleine deswegen, weil er weniger gesättigt daher kommt als sein Label-Boss. Außerdem packt er Flows aus, u.a. Jay-Zs „Is That Your Bitch„-Style.

11. Presidential (Ft. Elijah Blake) [Prod. By Pharrell Williams]

Ganz offensichtlich ist nun der Teil des kontemporären RnB-Urban-Radio-Sound auf der Platte erreicht. Das von Pharrell gewählte Vocal-Sample geht hier allerdings spätestens ab dem dritten Part tierisch auf den Piss. Spätestens. Schade, sonst eigentlich ganz nett.

12. Ice Cold (Ft. Omarion) [Prod. By Lee Major]

Anstrengend! Rick Ross, der sonst für sein bemerkenswertes Ohr für Beats bekannt ist, hat sich hier etwas ausgesucht, was nicht wirklich mit seiner Stimmlage harmoniert. Omarion alias Maybach O zeigt in der Hook, dass der Beat wohl besser für einen RnB-Song getaugt hätte.

13. Touch?N You (Ft. Usher) [Prod. By Rico Love & Mr. Morris]

Wie ein Auffahrunfall auf der Autobahn. Man kann einfach nicht weggucken /-hören. Vielleicht war das der Gedanke dahinter, dieses Stück Solarium-Musik als erste Single zu veröffentlichen.

14. Diced Pineapples (Ft. Wale & Drake) [Prod. By Cardiak]

Entgegen des ersten Hörempfindens, als der Track letzte Woche leakte, ist „Diced Pineapples“ schon ein ziemlich amtlicher Song. Auch wenn man sich Rozay nicht unbedingt bei den Praktiken vorstellen möchte, über die er hier rappt und Drakes Hook ein wenig zu zuckersüß ausfällt.

15. Ten Jesus Pieces (Ft. Stalley) [Prod. By J.U.S.T.I.C.E. League]

Zum Abschluss noch einmal eine der angesprochenen J.U.S.T.I.C.E. League/Rozay-Symbiosen, mit der der Bawse eigentlich nie etwas falsch machen kann. Inhaltlich geht es halt um äh… Ketten und Stalley merkt an:

„They say, because I’m Muslim I shouldn’t think about the shine / Or even put it in a rhyme. / It’s better things I could talk about or put my money towards / But for now, I’mma wear these ten chains and floss“

Moslem hin oder her, an dem was ihm da geraten wird, ist schon was dran.

Deluxe Edition Bonus Songs

16. Triple Beam Dreams (Ft. Nas) [Prod. By J.U.S.T.I.C.E. League]

17. Rich Forever (Ft. John Legend) [Prod. By DVLP & Filthy]

Beide Bonus Tracks waren bereits auf „Rich Forever“ vertreten und machen im Vergleich mit dem Rest von „God Forgives, I Don’t“ tatsächlich einen Qualitätsunterschied deutlich. Das Album wäre in jedem Fall besser, wenn diese Songs darauf regulär vertreten wären.

FAZIT:

Rick Ross hat seit der Veröffentlichung seines Debüt-Albums „Port Of Miami“ in 2006 das Kunststück geschafft, bei jedem neuen Album nochmal eine Schippe draufzulegen zu können. Jedes seiner bisherigen Alben war besser als sein Vorgänger – lyrisch, konzeptionell und musikalisch. Mit „God Forgives, I Don’t“ ist diese Serie leider gerissen.

Wenn „GFID“ auch kein schlechtes Album ist und einige sehr gute Songs beinhaltet, ist es von einer Weiterentwicklung leider meilenweit entfernt. Im Gegenteil: Rozay wirkt auf weiten Teilen übersättigt und mit dem bisher Erreichten zufrieden. Ein Umstand der seine inhaltliche Einseitigkeit unverzeilicher macht als auf seinen bisherigen Releases. Dem Sound fehlt ebenfalls die innovative Note, die ihn über die letzten Jahre an den Platz geführt hat, an dem er sich heute befindet.

Dennoch hat man es natürlich mit einem hochklassigen MC zu tun, der weitestgehend über Produktionen der ersten Güte spittet. Und letztlich hat das Album definitiv auch seine Momente, doch der ganz große Wurf, den Ross unzählige Male versprochen hatte, ist „God Forgives, I Don’t“ dann leider doch nicht geworden.