Hugo Nameless erklärt: "Was ist eigentlich Flintrap?"

Die Anfänge

„Hast du von Eminem gehört?“

„Ja“

„Hast du von Tupac gehört?“

„Wahrscheinlich“

„Was ist mit MC Breed?“

„Wahrscheinlich nicht“

So steht es auf der Website, welche Teil der multimedialen Dokumentation der Rapszene aus Flint, Michigan ist. Der dazu entstandene Dokumentarfilm „Breed & Bootleg- Legends of Flint Rap Music„, gewann zum Erstaunen aller Beteiligten letztes Jahr einen Emmy. Einer der Beteiligten, Ira „Bootleg“ Dorsey, sagte im Interview dazu: „when I got my hands on it [the Emmy], I took it on a journey through the ghetto“ und lacht. Etwa eine Fahrstunde von Detroit entfernt, von wo zahlreiche Rapper wie Eminem oder Danny Brown stammen, liegt Flint, eine kleine Stadt mit großem Einfluss auf die internationale Rap-Szene.

Zuerst gab es Eric T. Breed, der unter dem Namen MC Breed 1991 einen neuen Sound, den Midwest Sound, kreierte und den mittleren Westen auf die Rap-Landkarte setzte, während die Größen dieser Zeit die Ost- und Westküste repräsentierten. Über die Geschichte des Rappioniers und seinen Kollegen Ira „Bootleg“ Dorsey handelt auch die Dokumentation. Mit seiner ersten veröffentlichten Single „Ain’t No Future in Your Frontin‘„, landete Breed, der 2008 mit nur 37 Jahren verstorbene Pionier auf Platz 66 der Billboard Hot 100. Der charakteristische Sound MC Breeds verband Funk mit den knarzigen Drums der Ostküste und den Synthesizern der Westküste und machte ihn zum ersten kommerziell erfolgreichen Rapper des Mittleren Westens der USA. In Atlanta arbeitete er mit Tupac, Snoop Dogg, George Clinton und anderen und brachte unter anderem Tupac für Konzerte mit nach Flint.

 

 

Auch Ira „Bootleg“ Dorsey wurde von MC Breed beeinflusst, und gemeinsam mit Freunden gründete er The Dayton Family, welche ihren Namen der Dayton Street, krimineller Hotspot Flints, verdankten. Und wie MC Breed schaffte auch er und seine Crew den Durchbruch allerdings mit einem etwas anderen Sound. Dennoch verbanden die Lyrics, welche härter waren und die durch Kriminalität und Armut gebeutelte Umgebung der Flint-Rapper und ihre Leben reflektierten. So sagt Ira „Bootleg“ Dorsey über seine Texte, „this is the world I see. How am I supposed to rap about sweet things?“ (Das ist die Welt, die ich sehe. Wie könnte ich über süße Dinge rappen?“).

Die politisch-ökonomische Krise der Zeit spiegelt sich in der Geschichte der Stadt und den Problemen der Individuen wieder, die von den Flint-Rappern in Geschichten verpackt, in die Welt getragen wurden.

Flintrap heute

Die Türe, die die Pioniere aus Flint öffneten, ist heute Eingang für viele neue Talente aus Michigan und darüber hinaus. Seit einigen Jahren kommt Flintrap mit etwas anderem Sound zurück und bringt die kleine Stadt ein weiteres Mal auf die Karte.

Häufig gibt es keine Hook, und die Art und Weise, nur die letzten Wörter einer Zeile zu reimen wirken im Vergleich zu etablierten Reimschemen ignorant und darum erfrischend. Die neue Welle von Talenten aus Flint wurde vor allem Ende der 2010er-Jahre von Rio Da Yung Og angestoßen, der mit seinem Track „Legendary“ in Detroit für Aufmerksamkeit sorgte.

 

 

Auch Atlantas Miles Parks McCollum, bekannt unter dem Namen Lil Yachty, der schon 2017 mit einem Feature auf Tee GrizzleysFrom the D to the A“ Präsenz in Detroit zeigte, veröffentlichte vor einem Jahr „Royal Rumble“ mit zahlreichen Stars der Flintrap-Szene. So waren darauf unter anderen Krispylife Kidd und Rio Da Yung Og vertreten.

 

 

Flintrap in Deutschland

Der rohe Sound und die aggresiven Texte mit humoristischen Elementen sind heute auch Vorbild für deutschsprachige Rapper wie KDM Shey, Hugo Nameless oder Blocctwinbendo. KDM Shey, was für Kalash Dadash Musik Shey steht, erzählte uns unlängst in einem Interview über seine Zeit in den USA und die Bedeutung der Texte, die er schreibt. Selbst Rapper wie Money Boy setzen auf Songs wie dem dieses Jahr erschienenen „Churros“ auf den unverkennbaren Detroit/Flint-Sound und tragen den Flavor aus dem Untergrund immer mehr in den Mainstream.

 

Um Flintrap in Deutschland auf die Spur zu kommen, haben wir Hugo Nameless aka OG Berger einige Fragen zum Thema gestellt:

Was ist charakteristisch für den Flintrap-Stil?

Charakteristisch für den Stil ist auf jeden Fall ein etwas höheres Tempo zwischen 190- und 200, teilweise 210 BPM, manchmal auch 180, da gibt es jetzt keine ganz genaue Zahl, aber man kann im Schnitt sagen, so zwischen 190 und 210 BPM. Im Gegensatz zur West Coast, die ja auch ein ähnliches Drum-Pattern haben, ist es nochmal ein bisschen schneller. Detroit und die Szene ist mit der Flintszene sehr verwandt, das ist ja die Nachbarstadt von Flint, nur Flintrap als solches ist nochmal ein bisschen dreckiger, weniger melodisch und sehr auf Punchlines basiert, während aus Detroit mehr Melodisches kommt.

Wann und wie hast du von der Detroit/Flint-Szene Wind bekommen?

Von der Szene hab ich Wind bekommen, so 2018, 2019, würde ich sagen. Bei mir hat das angefangen mit den Teejayx6-Sachen und Kasher Quon. Die waren so die Ersten, die ich so richtig gehört hab‘ auf dieser Ebene, obwohl das ja eigentlich eher Detroit ist, wo die herkommen, aber die haben den Grundstein für den Sound im Mainstream gelegt, würde ich sagen.

Wann kam Flintrap nach Deutschland und welche Namen sind ausschlaggebend?

Über die Producer, die halt die Beats gemacht haben, auch. Und wenn man mal zurückschaut, ich hab einen Song auf Soundcloud, der heißt „Tim Mälzer“, den hab ich Ende 2019 Anfang 2020 aufgenommen, und ich glaube, das war auf jeden Fall mit einer der ersten, wenn nicht sogar der erste deutsche Flintrap-Song. Beziehungsweise mit denselben Stilelementen. Ich hab einfach den Ami-Rap gehört, und das war auch der Grund, warum ich mich wieder mit KDM Shey zusammengetan hab, wir hatten nicht so viel Kontakt, aber durch die Liebe zu diesem Style haben wir wieder zueinander gefunden. Ich hatte damals diesen Song gemacht und wusste damals nicht, dass andere Leute diesen Style in Deutschland auch machen aber mir viel dann vor allem GPC und Shey auf und dann haben wir wieder zusammengefunden. So ist durch Flint und Detroit wieder eine sehr innige Freundschaft entstanden.

Gibt es andere europäische Szenen, in welchen der Flintsound eine Rolle spielt?

Flint ist eigentlich überall sehr groß, also auch in Brasilien und tatsächlich auch in Russland. Jeder kann eigentlich einen Flintsong machen, auch wenn du nicht wirklich rappen kannst, solange du lustige Punchlines machen kannst, kannst du eigentlich schon den Sound machen. Hier in Deutschland ist das teilweise schon zu einem Humor verkommen, soweit, dass die Leute gar nicht mehr richtig flowen und irgendwas auf offbeat sagen. Zu einem gewissen Grad find‘ ich es cool, aber manchmal ist es auch ein bisschen ‚Overkill‘. Aber an sich ist die Barriere bei Detroit-shit sehr viel lower, weil, du musst einfach nur Shit talken, Witze erzählen und dann kannst du eigentlich schon einen Flintsong machen.

Wo positionierst du dich musikalisch?

Ich würde mich nicht als Flintrapper bezeichnen, das ist aber auf jeden Fall eine Richtung die ich sehr feier und auch sehr viel gemacht hab, aber ich mache auch sehr viele andere Sachen. Und für uns persönlich, also für KDM Shey und mich und so, wir sind halt immer so ein bisschen „early adopters“ oder „Trendsetter“, dementsprechend sind wir halt auch immer auf der Suche nach dem Nächsten. Wir merken, wie viele Leute diesen Style jetzt machen, also auch kleinere Artists. Aber ich würde persönlich sagen, dass der Flintstyle sowohl in meinen Produktionsstil als auch in meinen Rap miteingeflossen ist.

Welche Namen sollte man kennen?

Namen, die man kennen sollte, sind auf jeden Fall Babyface Ray, Rio Da Yung OG, RMC Mike, Theze, Icewear Vezzo und auch Lil Yachty hat eine Zeit lang sehr viel für die Szene gemacht so 2021. […] Aber in Flint ist gar nicht mal mehr so so viel los gerade.

Welche Entwicklung für deutschen Rap prognostizierst du für die Zukunft?

Deutschrap sehe ich auf jeden Fall für die nächsten eineinhalb Jahre definitiv noch mehr Flint. Ich glaube, wir brauchen immer ein bisschen länger, damit das auch ankommt und die Leute den Sound auch verstehen. Aber ich glaube, es ist noch nicht so played out, wie das für Leute wie mich und Shey teilweise wirkt. Es hat, glaube ich, noch eine Zukunft in Deutschland und der Sound sowie die Art und Weise, ein bisschen Witz und Humor reinzubringen, ist auch nachhaltig, auch wenn der typische Flintsound weg ist, der sich mittlerweile auch in neue Sounds entwickelt. Das hat auf jeden Fall geprägt, dieser Humor, und ich glaube, es hat auch viele Leute zum Rappen gebracht, die sich davor nicht rangetraut haben.

Hier der Song „Manchmal“ von OG Berger aka Hugo Nameless und Beslik Meister: