Review: Kay One - Kenneth Allein Zu Haus

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Gespannt durfte man schon sein auf Kay Ones Solorelease. Während ihm
vorhandene Skills im Laufe seiner bisherigen Karriere eigentlich immer
wieder attestiert wurden, blieb die Bestätigung dieser Einschätzung auf
Albumlänge aus verschiedensten Gründen aus. Es wurde also Zeit für den aus
dem Allgäu stammenden Wahlberliner über den Status als Backup und bessere
Hälfte Bushidos hinauszukommen und als eigenständiger Künstler
wahrgenommen zu werden.

?Kenneth allein zu Haus?- so heißt das in der Premium-Version 21
Anspielpunkte umfassende Produkt , das selbstverständlich über
?Ersguterjunge? erschienen ist und von Bushido präsentiert wird.
Hauptverantwortlich für die Produktionen sind Djorkaeff und Beatzarre,
denen an mancher Stelle bspw. von Bushido assistiert wurde. Der
Albumtitel bildet zugleich auch den konzeptionellen Rahmen des Ganzen: Kay
One wird von seinem Boss in dessen Villa für zwei Wochen alleine gelassen
und bekommt im ?Intro? Ansagen und Verbote, an die er sich natürlich nicht
hält. Auf diese Storyline wird in Form von Skits im Laufe des Albums immer
wieder Bezug genommen, was sich als gut umgesetzte Idee erweist, die wie
ein roter Faden durch die Trackauswahl führt. Was zwischen diesen Skits an
Mucke angeboten wird, ist dann etwas differenzierter zu betrachten…

Zunächst: Kay One beweist auf diesen Album, dass er ein Künstler ist, der
Fähigkeiten im Bereich des Songwritings besitzt, an die nicht viele
deutsche Rapper herankommen. Mit einer enormen Vielseitigkeit ist er in
der Lage ein inhaltliches Spektrum abzudecken, das so nicht zu erwarten
war und unterschiedlichste Menschen gleichermaßen ansprechen dürfte.
Leicht zu verdauende, ignorante Representertracks (?Style und das Geld?,
?Sexy Teens?) sind ebenso enthalten wie persönliche, ernstere Themen (?So
allein?, ?In Liebe, dein Bruder?) oder obligatorische Liebeslieder über
zerstörte Gefühle und Beziehungen (?Verzeih mir?, ?Bitte vergiss mich
nicht?). Die Produktionen entsprechen dieser Vielseitigkeit und verlassen
dabei nicht selten den Rapkontext. Plump und vereinfacht formuliert ist
also für jeden etwas dabei in dieser bunten Ansammlung.

Auch ich fühle mich daher streckenweise gut unterhalten und habe nach
mehrmaligen Durchhören meine Favoriten. Der als Opener dienende Titeltrack
?Kenneth allein zu Haus?, das von einer lockeren ?good-times-Stimmung?
getragene ?Irgendwann? oder das sehr persönliche ?In Liebe, dein Bruder?
wären an dieser Stelle zu nennen. Das ein Hauch von Cocktailbar
vermittelnde ?Ein guter Tag?, auf dem Kay One sehr bildhaft eine Nacht
schildert, in der seine Probleme im Alkohol ertränkt oder der Track namens
?Bushido?, auf dem er seine Dankbarkeit gegenüber seinem Ziehvater zum
Ausdruck bringt, wissen ebenfalls zu gefallen. Ein paar weitere Stücke
gehen ebenso in Ordnung und halten auch beim zweiten Hören meine
Aufmerksamkeit hoch, was nicht zuletzt den zwar simplen, doch schlüssigen
Songkonzepten Kay Ones zuzuschreiben ist.

Dennoch, an manchen Stellen überschreitet das Ganze dann doch die
Toleranzschwelle des (zumindest für mich) Ertragbaren. Die Single ?Ich
brech die Herzen? barg ja noch eine gewisse Ironie und Komik; Songs wie
?Bitte vergiss mich nicht? oder ?Nie vorbei? hingegen sind ernst gemeinte
Popsongs, die dann wohl doch eher in der Zielgruppe pubertierender, von
Liebeskummer geplagter Mädchen Anklang finden sollen. Meinen Ohren sind
die von Phillipe Heithier gesungenen Gesangsparts und Radiohooks dann
doch ein Stück weit zu cheesy und so bin ich beim zweiten Mal schon fast
gezwungen zu skippen. Mit dem Atzensong ?Bis die Polizei kommt? mit
Frauenarzt wird dann auch nochmal in eine Kerbe geschlagen, die sich
momentan sicherlich lohnt.

Dies verdeutlicht auf explizite Weise jedoch nochmal eine Ebene, die sich
eigentlich durch das gesamte Album zieht: Es trägt einen nicht von der
Hand zu weisenden Popcharakter. Die Produktionen verlassen nie wirklich
den für Popsongs charakteristischen Sound- und Harmoniekosmos.
Insbesondere die Liebessongs werden von einer intendiert massentauglichen
Melancholie getragen, die einem schon mal übel aufstoßen kann. Dass ein
Produzent wie Djorkaeff, bekannt für diverse Streetbanger, sich mit
verantwortlich zeigt, verweist darauf, dass es sich dabei wohl um eine
kalkulierte Arbeits- und Vorgehensweise handelt.

Verrückt ist, dass man trotz alle dem das Gefühl hat, dass man einen Blick
auf die Person Kay One bekommt, ihn trotzdem als integeren Künstler
wahrnimmt. Das liegt daran, dass er inhaltlich schon einiges in sein
Solowerk hinein gepackt hat. Eine widerspruchslose Bewertung gestaltet
sich daher auch nicht so einfach.

Letztendlich bewegt er sich durch seine Nähe zu Bushido und das Mitwirken
in dessen ?grandiosen? Film in einer Öffentlichkeit, die weit über den Hip
Hop- Kontext hinausgeht. Dass er vor diesem Hintergrund auf
Käuferschichten und Fans schaut, die andere Rapper nicht erreichen können,
ist sicherlich richtig. Man könnte ihn dafür natürlich verurteilen und
engstirnige ?sell-out-Argumentationsketten? bemühen. Man könnte ihm aber
auch einfach dafür Respekt geben, dass er ein streckenweise gutes Stück
Entertainment in Rapform fabriziert hat, dass einige Facetten seiner
Persönlichkeit zeigt und gleichzeitig massenkompatibel ist. Ich neige eher
zu Zweitem.

Bewertung: 4 von 6
Bewertung: 4 von 6