Durchgehört: The Game - Doctor's Advocate

The Game - Doctor's Advocate
The Game – Doctor’s Advocate

Nun ist sie also endlich erschienen: Doctor’s Advocate; die zweite Majorplatte vom selbsternannten Retter der Westcoast The Game. Die Erwartungen waren nach dem von vielen als Klassiker titulierten ersten Majoralbum „The Documentary“ ins Unermessliche gestiegen. Schafft Game es nun diese hohen Erwartungen zu erfüllen und sich schlussendlich als ernstzunehmender Künstler zu etablieren oder erweist sich die vom Erzrivalen 50 Cent deklarierte Game Over Kampagne als richtunggebend?

Bereits im Vorfeld der Albumveröffentlichung schaffte Game es konstant die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen und gehörig zu polarisieren. So gab es den Beef mit der G-Unit, in dessen Verlauf Game mehrere Disstracks veröffentlichte (zuletzt auf The Funeral und Soundscan) und sogar eine DVD gegen die ehemaligen Kollegen (Stop Snitchin! Stop Lyin!) auf den Markt brachte.

Auch über die ständige Neubesetzung der Black Wall Street (Charlie Baltimore rein, Eastwood raus) und den Split mit Game’s Halbbruder Big Fase 100 wurde immer wieder spekuliert. Auch musste Game sich mit den Vorwürfen konfrontieren, er sei ein Ex-Stripper, der damals im Stripclub seiner Mutter unter den Namen Dozzia aufgetreten sei. Auch das im Netz zirkulierende Video mit Game’s Auftritt in der Show Change Of Heart trug nicht gerade zur Glaubwürdigkeit des selbsternannten Gangbangers bei. Jüngst kam es zu einer physischen Auseinandersetzung mit Ras Kass, die den Black Wall Street Chef in die Schlagzeilen brachte.

The Game & Dr. Dre
The Game & Dr. Dre

Viel Wichtiger in Hinsicht auf das musikalische Schaffen war allerdings die Meldung, dass der Compton Rapper das Label von Dr. Dre „Aftermath“ verlassen hat und bei Geffen untergekommen ist. Dies wurde von vielen als erster Bruch zwischen den Beiden interpretiert. Zuletzt wurde sogar bekannt gegeben, dass Dr. Dre sich vollständig aus der Albumproduktion zu „Doctor’s Advocate“ heraushalte und nicht mal als Executive Producer fungiere. Zwar gab Game zu verstehen, dass dies geplant sei um zu beweisen, dass er auch ohne den berühmten Mentor gute Alben veröffentlicht, doch bleiben große Bendenken, ob das Verhältnis von Dre und Game im Zuge des Splits mit der G-Unit gelitten hat. Wenigstens konnte Game noch kurz vor der offiziellen Veröffentlichung den unglaublichen „One Blood Remix“ raushauen, auf dem sich die Creme de la Creme des aktuellen Rapgeschäfts in 12 Minuten die Klinke in die Hand gibt ( auch Ja Rule ist auf dem Remix mit einem Part vertreten: Game und Murder Inc haben ihre Streitigkeiten beendet).

Nun aber zum eigentlichen Album. Der Westcoast Rapper hat nichts dem Zufall überlassen und eine Armada an Topproduzenten um sich geschart. Hinsichtlich der Features wird die hohe Anzahl an Westcoast Acts deutlich, wahrscheinlich um die neuerdings so populäre „Westcoast Unity“ zu demonstrieren. Dies ist natürlich nur zu begrüßen. Das Cover des Albums erinnert klar an das hoch gelobte erste Majoralbum und soll wohl eine Hommage darstellen. Dies ist aber eher nebensächlich und so wird sich jetzt auf die einzelnen Tracks konzentriert.

01 – Lookin‘ At You (feat. Mac Minister)

Der von Ervin Pope produzierte Introtrack des Albums macht sofort den eindeutigen Westcoast Einschlag im Beat und in den Lyrics deutlich. The Game, der in dem Track wie Dr. Dre himself klingt, zeigt sich schon in den ersten Zeilen hoch motiviert:
„Guess who‘ s back on the West coast tracks It’s the motherfuckin‘ messiah of gangsta rap Still dip in the six-fo‘, still puffin on the same chronic Haters mad cause I still got it I never fall off even without the Doc You niggaz sellin your soul tryin to stay on top“

Ironischerweise hat Mac Minister einen kleinen Zwischenpart auf dem Track (erinnert an das Intro von Yukmouth’s „Thug Lord“ Album). Dieser wird ja eher mit Yukmouth assoziiert, mit dem Game auch einen heftigen Beef unterhielt. Insgesamt also ein sehr guter Song und ein mehr als gelungener Einstand.

02 – Da Shit

Ein weiteres Highlight. DJ Khalil, der auch auf dem neuen Jay-Z Album vertreten ist, hat hier einen wahrlich verrückten Beat produziert, auf dem Game in bewährter Manier über Bitches und Chronic referiert. Die Hook der anonymen Sängerin rundet den sehr guten, kalifornisch geprägten Song ab. Stark.

Junior Reid
Junior Reid

03 – It’s Okay (One Blood)

Die schon bekannte Streetsingle, die den Sommer über dominierte und für positive Überraschungen sorgte. Der von Reefa geleacte Track mit der krachenden Bassline gilt schon bei vielen als Klassiker. Sicherlich ist der Beat ein Brett, doch das Junior Reid Sample bleibt wohl weiterhin Geschmackssache.

04 – Compton (feat. Will.I.Am)

Auch dieser Song hält den hohen Standard der vorherigen Tracks. Black Eyed Peas Frontmann Will.I.Am. hat den Track produziert und orientiert sich dabei an einen Old School Sound, der sehr an die N.W.A. Sachen erinnert. Glücklicherweise beschränkt sich sein Part auch nur auf einen kleinen Teil in der Hook (lustig übrigens, dass Will.I.Am. mit einen Blood zusammenarbeitet. Erinnert sich noch jemand an „Where’s The Love?“ „but we still got terrorists here livin: the big C.I.A., the Bloods and the Crips and The KKK“). The Game liefert hier seiner Heimatstadt seine persönliche Hymne, inklusive des bekannte Namedroppings. Insgesamt eine weitere starke Vorstellung des Rappers.
„Walkin through Compton, Eazy still alive Raider hat to the back throw your dubs in the sky My floetry wicked, sit back while I kick it And do it like Dre did it, N.W.A. did it“

05 – Remedy

Beim Beat hatte diesmal Just Blaze seine Finger im Spiel. Das Ergebnis ist ein solider Track, der aber nicht an die Brillanz der ersten Tracks heranreicht. Das Isaac Hayes Sample und die Scratch Einlage im Refrain sind definitiv in Ordnung, aber im Gegensatz zur Albumeröffnung fällt dieses Stück etwas ab. Auch Game selbst ist in seinen Lyrics hier etwas eintönig am Werke: Er raucht Chronic, kommt aus Compton und ist der King of L.A.. Trotzdem immer noch ein solider Track.

06 – Let’s Ride

Die erste offizielle Single. Auch unter dem Namen „Strip Club“ bekannt. Die Single ist definitiv eine Lowrider Hymne und wiederum sehr Westcoast orientiert mit seiner Pianomelodie. Scott Storch (verantwortlich für den Beat) hat bei Dr. Dre einiges gelernt. Auch Game gibt sich keine Blöße und verrät in seinen Lyrics wie im Club ordentlich gefeiert wird. Zwar ist der Track nicht ganz so gut wie die damalige Übersingle „How We Do“, doch bleibt ein überdurchschnittlich guter Clubtrack, der bestimmt auch in den einschlägigen Stripclubs Freunde finden wird.

Nate Dogg
Nate Dogg

07 – Too Much (feat. Nate Dogg)

Eine weitere sehr gute Produktion von Scott Storch, die den Westcoast Flavour des Albums aufrechterhält. Auch der Gastpart vom Hookmaster Nate Dogg zeigt das Bemühen ein Soundbild zu erzeugen, das die Westküste repräsentieren soll. Dies gelingt hier mit Bravour: Der Beat und Game’s Performance bringen sofort eine Kalifornien Atmosphäre mit sich, die seinesgleichen sucht. Nate’s Part ist zwar eher überflüssig, doch dies lässt sich anhand der restlichen dopen Performance Game’s leicht verschmerzen.

08 – Wouldn’t Get Far (feat. Kanye West)

Dieser Song löst sich vom bisherigen Westküstensound. Thematisch lästern Game und Kanye West (der auch den Beat produziert hat) auf amüsante Weise über Groupie Bitches, die alles tun würden um zu den Award Shows zu kommen und sich auch sonst gerne mit Rappern einlassen. Der soulig gefärbte Beat mit dem „Wouldn’t Get Far“ Sample, das sich über den Track erstreckt, ist mit Abstand einer der besseren Kanye Beats der letzten Zeit, was diesen Song zu einem weiteren Highlight der Platte wachsen lässt. Sehr lustiges Outro von Game (inklusive 2Pac Zitat aus „All About You“).

09 – Scream On ‚Em

Ruffer, minimalistischer Beat von Swizz Beatz, der mittlerweile definitiv wieder in Topform ist. Game zerstört auf dem simplen aber genialen Beat alles und jeden. Aggressiv, präsent und voller Energie. Nur der lange Schrei in der Hook und Swizz Outro nerven. Kaum zu glauben aber wahr: weiterer Topsong, der in den Club will.

10 – One Night

Nottz bringt einen ruhigen Beat an den Start, der Raum lässt für Games sehr persönliche Abrechnung mit falschen Freunden und dem letzten Jahr. Dabei lässt sich eine gewisse Bitterkeit beim Compton Rapper feststellen:
*“And I still was fuckin with niggaz, after I got shot
And didn’t get on hospital visit
My Homey Snoop told me it’d be days like this
It hurt my heart, to say this shit!
I’m supposed to enjoy this shit but it’s quite clear
The last twelve months been a fuckin nightmare“*

Der Track ist zwar kein Classic, bietet aber einen interessanten Einblick in die Gedankengänge des Rappers.

Jonathan J.R. Rotem
Jonathan J.R. Rotem

11 – Doctor’s Advocate (feat. Busta Rhymes)

Der Titeltrack des Albums ist ein weiterer sehr persönlicher und emotionaler Song von The Game, der direkt an Dr. Dre gerichtet ist und Aufschluss über die Freundschaft und jetzige Situation der Beiden gibt. Game’s Rapstil und seine Stimmlage erinnert hier stark an diejenige von „Start from Scratch“: eine zerbrechliche Stimme, die zeigen soll, dass er total betrunken ist. Dies wird auch im Songintro und Outro deutlich, in denen Busta Rhymes einen völlig besoffenen Game nach Hause lotsen soll. Game versucht sich in dem Song bei seinem Mentor zu rechtfertigen und zu entschuldigen, und gibt ihm zu verstehen, dass er weiterhin loyal zu ihm stehen wird. Busta Rhymes unterstützt ihn dabei, indem er dem Doctor zu erklären versucht, warum Game manchmal etwas schwierig ist.
Ein interessanter und guter Track mit passender musikalischer Unterlage von Jonathan „J.R.“ Rotem. Allerdings mutet Game’s Gefühlsdarbietung und Seelenstriptease in Bezug auf seine Beziehung zu Dr. Dre etwas merkwürdig an. Dabei ist die Emotionalität von Game gar nicht das Problem, sondern dass er extra für Dre einen Song schreibt und dabei noch psychologischen Beistand von Busta Rhymes holt. Gerade deswegen aber ist dieser Song hörenswert und in seiner enormen Intensität wichtig für das Album.

12 – Ol English

Ein weiterer Bombentrack. Game liefert hier als Storyteller eine seiner besten Leistungen überhaupt ab, indem er von seine Kindheit und seiner Familie erzählt. Ob die Biographie so stimmen mag, bleibt dahingestellt, aber die Art und Weise wie Game von seinem erstochenen Onkel, seiner Crack-Dealenden Mutter und seinem mit einer Black Panther Tätowierung gekennzeichneten Vater erzählt, ist phantastisch. Der von Hi-Tek produzierte Beat ist zwar nicht sonderlich spektakulär, erzeugt aber eine ungeheuer intensive Stimmung und passt in seiner ruhigen etwas melancholischen Art hervorragend zu Game’s Geschichten aus seinem Leben.

13 – California Vacation (feat. Snoop Dogg & Xzibit)

Ein weiterer typischer Westcoast Track, der den Vibe des Albums aufrechterhält. Der Song steht für die neue „Westcoast Unity“, was anhand der Gastparts von Snoop und Xzibit offensichtlich wird. Der Posse Cut ist kein Highlight des Albums, aber trotzdem ein guter Track, der auf Alben von anderen Artists sicherlich zu den Besten gehören würde. Der Beat kommt abermals von Jonathan „J.R.“ Rotem.

Tha Dogg Pound
Tha Dogg Pound

14 – Bang (feat. Daz Dillinger & Kurupt)

Abermals eine Zusammenarbeit von drei Westküstenrappern, die zeigen soll, dass L.A. zurück ist. Jelly Roll hat einen Beat gezaubert, der sofort nach Kalifornien klingt und durch sein krankes Pianospiel in der Hook und der geradezu hypnotisierenden Wirkung zu begeistern weiß. Auch ist es einfach cool, The Game und Tha Dogg Pound auf einem Track zu hören. Ein richtiger guter Westcoast Sound.

15 – Around The World (feat. Jamie Foxx)

Einer der schwächeren Songs des Albums, was weniger an Game’s Text über Bitches liegt, sondern an der etwas belanglosen Hook und dem mediokren Beat von Mr. Porter. Wobei sich der Song durch seine ruhige und chillige Atmosphäre mit mehrmaligem Hören steigert. Die hochgepitche Stimme ist ein lustiges Gimmick.

16 – Why You Hate The Game (feat. Nas & Marsha of Floetry)

Der Abschlusssong wurde von Just Blaze produziert. Ein sehr souldurchtränkter
Beat, der durch die tolle Stimme von Marsha Ambrosius und dem eingesetzten Chor zu einem wahren Meisterwerk mutiert. Der Song vermittelt eine positive und optimistische Grundstimmung, die somit einen passenden und schönen Abschluss für das Album liefert „And the sun shines with you“. Game benutzt sein Gimmick des Namedroppings hier besonders oft, wobei es bei diesem Song nicht nervig anmutet, sondern eher passend ist. Der Track ist mit neun Minuten ein wenig zu lang, doch da er als Abschlusstrack eine Art Aufbruchstimmung wiedergibt, ist die lange Spielzeit gerechtfertigt. Insgesamt ein würdiger Abschluss des Albums und auch sonst ein großartiger Track.
„I Wanna thank everybody for comin‘ out God Bless
One love! Good night! Or good day if you on the other side of the globe
Yo just we on the move with this shit „Doctor’s Advocate“
See you on the third album „hate it or love it““

Fazit: Kaum zu glauben, aber wahr: The Game hat es tatsächlich geschafft und ein Album aufgenommen, das den Vergleich mit seinem Majordebut „The Documentary“ nicht scheuen muss. „Doctor’s Advocate“ verfügt über alle Zutaten, die ein Topalbum benötigt. Besonders positiv aufgefallen ist die musikalische Orientierung am Westküstensound, die zeigt, dass auch die Westküste mit einem zeitgemäßen Sound aufwarten kann. Die Vorwürfe seitens 50 Cent’s, dass The Game ohne ihn und Dr. Dre kein gutes Album aufnehmen könne, hat dieser eindrucksvoll widerlegt. Auch ohne den berühmten Mentor an seiner Seite hat Game es geschafft Songs aufzunehmen, die zeitlos gut sind und selbst wenn eine deutliche Skepsis vor dem Release bestand, ist diese nach dem ersten Durchlauf verflogen. Der gesamte Ablauf der einzelnen Lieder ist perfekt durchdacht und liefert einen Spannungsbogen, der in dem fulminanten „Why You Hate The Game“ endet. Natürlich gibt es auch kleine Kritikpunkte. So verwundert es, dass kein Mitglied von der Black Wall Street auf der Platte vertreten ist, was nicht gerade für die Stabilität dieser „Bewegung“ steht. Auch sind „Remedy“ und „Around The World“ nur Durchschnittskost. Allerdings überwiegen die positiven Momente deutlich. Dies liegt neben den wirklich guten Beats auch an The Game selber, der sich redlich Mühe gibt den Hörer zu fesseln und auch einen Einblick in seine Seelenleben bietet. Insgesamt ist The Game daher eines der besten Rapalben des Jahres 2006 gelungen, das den Vergleich mit dem Vorgänger standhält und auch Chancen hat als West coast Klassiker angesehen zu werden.

Bewertung: 5 von 6
Bewertung: 5 von 6

Gehört von: DS