Review: Curse - Freiheit

Freiheit
Freiheit

Drei Jährchen sind vergangen seit der vergangenen „Sinnflut“ und dem damit letzten regulären Album aus dem Hause CURSE. Das Sammelsurium „Einblick Zurück„, welches ein Jahr später als Mixtape erschien, sei außen vor gelassen. Ja, Rap-Poet CURSE hat sich Zeit gelassen. Aber wieso auch nicht in Zeiten von wöchentlich rausgekloppten Mixtape drittklassischer Straßenköter? Er gehört zu den wenigen Rap-Artists, der es schafft verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Auf seine ganz eigene Art und Weise.

Das beweist er auch wieder auf „Freiheit„. Eingeleitet von zarten Klaviermelodien im Wechsel zu einem smoothen Kopfnicker-Beat und leichten „Lala“-Gesang im Hintergrund zeigt der Mindener im eröffnenden ‚Der lange Weg zur…‘ eins: Grips, Gefühl und Tiefgründigkeit. „Die Arche ist angekommen, es ist Land in Sicht“, welch wahre Worte aus den Mündern eines sonst so bescheidenen Rappers. Kein Wunder also, warum gerade er eine erstklassige Feature-Liste aufweisen kann. Interessanterweise (in der Standard-Version) nur im Gesangsbereich. Welcher Duett-Partner passt beim Titeltrack besser als MARIUS MÜLLER-WESTERNHAGEN, der 1989 schon seine Sichtweisen zum Thema Freiheit darlegte und hier im Chorus unterstützend wirkt? Passenderweise wurde ein bombastischer Beat mit zarten Streichern und Percussions arrangiert. Dabei legt CURSE in rund 3 ? Minuten seine Auffassung auf herausragende lyrische Art und Weise dar. Ein Thema, über das man Stunden reden könnte. „Freiheit kann man nicht eindämmen, Freiheit muss man ausatmen“. Woher kommt eigentlich die Gänsehaut? Und sie legt sich nicht nieder. Denn ‚Stell dir vor‘ mit Berufsheulsuse XAVIER NAIDOO reimt sich über einem flotten Piano und knallenden Snares inklusive Gesellschaftskritik. Lines wie „Stell dir vor deine Trauer verblasst, stell dir vor jede Träne kommt nur weil du lachst“ treten einem da schon ganz bedrohlich ins Herz.

‚Schöne Wahrheit‘ mit dem Berliner Rapper CHIMA ist da zwar beattechnisch durch jazzige Anleihen deutlich positiver, überzeugt textlich aber mit einer selbstkritischer Haltung. Umso deutlicher ist da schon ein kleines zwinkerndes Auge bei ‚Nur ein ganz kleines bisschen‘ zu erkennen, versüßt durch das niederländische Goldkehlchen JENNY WILLEMSTIJN. Noch größer wird das Zwinkern beim Selbstironischen ‚Gold‘ und erneuert ein paar Vorurteile („Nicht jeder Mann im Anzug ist Spießer, nicht jeder Mann ohne Bargeld zahlt mit Visa.“). Ganz anders ist da schon ‚100 Jahre‘, was beinahe konzeptionell aufgerollt wurde. CURSE erzählt die Geschichte vierer Personen, die sich allesamt auf verschiedene Weisen von ihren Liebsten verabschieden und beschreibt das auf beeindruckende Art, außerordentliche Ausdrucksweise. Passend dazu ein leicht bluesiger Beat, sanfter Bass mit untermalenden Streichern und Chören. Da kullern sogar die Tränen beim härtesten Gangster-Moloch. Auch schafft Japan-Fanatiker CURSE mit ‚Ich kann nicht mehr‘ und CLUESO als gesangliche Unterstützung mal wieder menschliche Eigenarten treffend aufzubereiten, nervend hierbei sind die zwischendurch eingeworfenen „Come on“ und „Uh“-Ausstöße. Das zerstört für einen minimalen Teil den ernsthaften Grundgedanken.

Eingeleitet mit einer Klaviermelodie und einem beinahe fliegenden, elektronischen, Synthesizer-verspielten Beat schildert das Ex-Phat-Kicks-Mitglied seinem Kind seine Liebe. Geht ganz tief. Vor allem bei dem wunderschön von NNEKA gesungenen Chorus. Ein bisschen fröhlicher wird es mit dem am Raggae bedienten ‚Feier dich selbst‘, woran Raggae-HipHopper PATRICE nicht ganz unschuldig sein dürfte. Textlich fokusiert man sich auf das Thema „Mensch ist Mensch, trotz Differenzen“ („Ob Bankkauffrau mit Strandhaus oder ’ne Punkerbraut die auf ’ner Parkbank haust“). Titel ist hier Programm. Bedient mit einem schönen Jazz-Kopfnicker-Beat inklusive Saxophon zeigt CURSE in ‚Lila‘ mit JAGUAR WRIGHT seine Fähigkeiten im Storytelling und beschreibt hier die Geschichte einer Frau bis hin zur Kindermörderin. Geht nahe in Zeiten von Mutter-Bestien, die ihre Kinder schänden und in Blumentöpfen vergraben. Interessant aufgebaut ist ‚Wenn ich die Welt aus dir erschaffen könnte‘, weil er hier den Aufbau der Welt an dem Körper einer Frau beschreibt. Grandios. Der Quasi-Nachfolger zu ‚Und was ist jetzt?‘ vom „Innere Sicherheit„-Album ist auf „Freiheit“ die Kollaboration mit SILBERMOND und vordergründig Frontfrau Stefanie Kloß in Form von ‚Bis zum Schluss‘. Einen tollen Abschluss findet das rundum gelungene ‚Fantastisch‘ („Kein Platz für mich da wo Hass ist“).

Freiheit“ ist nicht direkt ein Album, dass man für die nächste Kellerparty einlegen sollte. Viel zu tiefgründig und nachdenklich ist das fünfte Studioalbum geworden. Ein Langspieler, bei dem man die Augen schließt und die Worte von CURSE auf sich einprasseln lässt. Rap-technisch hievt sich der Mindener in die deutsche Champions League. Wenn er da nicht schon lange ist. „Freiheit“ bedeutet knapp eine Stunde lang Gänsehaut pur, Reife, Hirn, Herz, Seele, ja, und verdammt noch mal Arsch. Klar, auch hier kann man an ein, zwei Ecken moppern, tun wir aber nicht. Sehr durchdacht mit einer außergewöhnlich prominent besetzten Gesangs-Feature-Liste, die allesamt überzeugen können. Vielleicht ist dieser Rundling sogar der beste aus dem Hause CURSE.

Bewertung: 5 von 6
Bewertung: 5 von 6

By: Daniel Schmidt