Review: Kollegah - Kollegah

Kollegah
Kollegah

Der selbsternannte Boss der Bosse Kollegah steht dieser Tage mit seinem nunmehr zweiten Soloalbum „Kollegah“ in den Startlöchern. Nach seinen zwei allseits umjubelten Mixtapes konnte der talentierte Selfmade Spitter mit seinem im letzten Jahr veröffentlichtem Debutalbum „Alphagene“ seine Spitzenposition in Rapdeutschland endgültig festigen. Dabei war man auch in der hiesigen Redaktion vom Debut des Halbkanadiers begeistert, so dass man sich zu einer Wertung von stolzen 5 Punkten hinreißen ließ. Rückblickend und mit gut einem Jahr Abstand war ein solcher Jubelsturm vielleicht ein wenig zu hoch gegriffen. Zwar ist „Alphagene“ nach wie vor ein ziemlich gutes Debutalbum, allerdings waren auf längerer Distanz dann doch nicht alle Tracks so „alles zerberstend“ wie von Kollegah im Vorfeld angekündigt. So fielen im Vergleich zu den hochgejubelten Mixtapes einige Songs weniger spannend aus, und auch die gerne mal technolastigen Beats konnten letztendlich nicht alle überzeugen. Nichtsdestotrotz bleibt „Alphagene“ eines der besten und unterhaltsamsten Deutschrap Releases des letzten Jahres, wenn auch viele Fans der ersten Stunde weiterhin die ersten beiden Mixtapes vorziehen und das Debut des „Bosses“ kritisch begutachten.

Nach dem Release des Albums konnte Kollegah im Folgenden vorwiegend auf Featurebeiträgen überzeugen. So veredelte er die Tonträger der Herren Casper und Favorite mit seinen Wortbeiträgen und konnte auch auf dem jüngst erschienen Free Download Album des Essener Rappers Jason einen starken Sechzehner platzieren. Für Verwirrung sorgte da eher das Juice Exclusive ‚Bodyguard‘, welches mit Autotuneeinsatz und sehr beliebigen Lines einen schwachen Eindruck hinterließ und seine Rolle als Anheizer für das Album deutlich verfehlte. Nun ist aber schlussendlich und nicht einmal ein Jahr nach „Alphagene“ das neue Album „Kollegah“ erschienen. Dabei ist die Erwartungshaltung mal wieder immens, so dass sich nun die Frage stellt, ob Kollegah den guten Vorgänger nochmals toppen wird und auch den Mythos um seine ersten beiden Mixtapes endlich hinter sich lassen kann.

Hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung wurde im Vorfeld der Albumveröffentlichung bekannt gegeben, dass sich das selbstbetitelte Album des Selfmade Rapppers wieder mehr an den Mixtapes orientieren wird. Dementsprechend stehen auf „Kollegah“ eindeutig die Battle- und Representertracks im Vordergrund, auf denen Kollegah die altbekannten Themen um Gucci Sweater, weißes Pulver und mattschwarze Sportwagen abhandelt. Auf Persönliches oder Thementracks wurde dagegen bis auf wenige Ausnahmen fast komplett verzichtet. Nur die Songs ‚Herbst‘ und ‚Bis zum Tag‘ lassen hinter die Fassade des Sakkos tragenden, eiskalten Drogendealers blicken. Dies ist eine gut durchdachte und begrüßenswerte Entscheidung, da es vor allem die vielen Battlerapstücke sind, die dem „Boss der Bosse“ den bestmöglichen Spielraum für seine technisch hochkomplexen und mit vielen Wortspielen gespickten Angebereien bieten. Dieses Konzept wird auf Kollegah aufgegriffen und vorliegend sogar perfektioniert. So zeigt sich Kollegah reimtechnisch in absoluter Bestform und kommt mit einer schier unglaublichen Dichte an genialen Punchlines daher. Noch immer ist es beeindruckend, wie Kollegah scheinbar mühelos Wortspielereien aus den Ärmeln schüttelt und diese mit einer perfekten Reimtechnik verfeinert. So kann man sich im Verlaufe des Albums auf eine Vielzahl an ausgefallenen und intelligenten Wortspielen freuen, die in einem technisch mehr als ansprechenden Rahmen präsentiert werden. Mittlerweile gibt es wohl kaum noch jemanden, der den Grad zwischen genial ausgetüftelten Lyrics und entsprechender Raptechnik so gut ausbalanciert wie Kollegah. Zwischen den komplexen Reimen und den lustigen Texten sucht man vergebens nach Zweckreimen. So gesehen hätte man auch ein Accapella Album releasen können, denn die Wortbeiträge des Rappers sind so unterhaltsam, dass die Beats gerne mal zum schmückenden Beiwerk verkommen. Auch auf die berüchtigten Doubletimeabfahrten des Rappers wird nicht verzichtet, allerdings kommen diese auf Kollegah meist wohl dosiert zum Einsatz, nehmen nicht zuviel Raum weg und wirken somit immer richtig platziert.
Weiterhin gab Kollegah vor der Veröffentlichung des Albums an, dass Kollegah eine Art Sommeralbum werden wird. Dieses macht sich vor allem auf dem sehr sommerlichen Track ‚30,3‘ bemerkbar, auf dem Kollegah mit seinen Texten bestes Sommerfeeling verbreitet. Doch auch Tracks wie das von der Westcoast beeinflusste Straßenapotheker oder das Outro geben eine relaxte und an den Sommer angelegte Atmosphäre wieder, die trotz Allem im Einklang mit dem lyrischen Eierschaukeln des Selfmade Rappers stehen.

Angesichts der starken Performance Kollegah?s lassen sich zahlreiche Highlights ausfindig machen. So zeigen besonders die beiden Songs ‚Doubletime Freestyle‘ und ‚Halftime Freestyle‘ nochmals deutlich, dass Kollegah alle technischen Facetten und Spielereien beherrscht und seine irrwitzigen Texte in hochkomplexe Reimstaffetten verpacken kann. Auch ‚Kokamusik‘ unterstreicht auf beeindruckende Weise die Fähigkeiten des Selfmade Rappers, atmosphärische Bilder zu erzeugen und gleichzeitig technisch gut dazustehen. So beschleunigt er auf dem Track im dritten Vers mal eben das Tempo und setzt wie aus dem Stehgreif zum altbekannten und gern gesehenen Doubletimerap an. Zudem sollte auch das Outro nicht unerwähnt bleiben, das wie schon auf „Alphagene“ einen Klassiker darstellt. Auf einem relaxten Beat stellt Kollegah neue Maßstäbe in Sachen Arroganz und Ignoranz, was er sich jedoch anhand der dargebotenen Vorstellung auch erlauben kann. Am Rande sei erwähnt, dass der im Outro vorkommende kurze Dialog zwischen Kollegah und seiner Auserwählten netterweise auch im Booklet unter „Talking to pancake-cooking biatch in the background“ vermerkt worden ist. Neben den humorvollen und unterhaltsamen Battletracks sind die wirklichen Themensongs klar in der Minderheit. Jedoch bietet Kollegah mit ‚Herbst‘ einen sehr gelungenen und introvertierten Track, auf dem er sich selbstkritisch und retrospektiv mit seinem Leben und seinen Problemen mit den weltlichen Lastern auseinandersetzt. Doch auch auf allen anderen Tracks hagelt es gute Vergleiche und kreative Bilder, so dass man an der Performance Kollegah?s im Grunde gar nichts bemängeln kann.

Die musikalische Ausrichtung des Albums wurde, was wenig überrascht, Selfmade Inhouse Producer Rizbo anvertraut. Dieser hat wie gewohnt einige sehr gute Instrumentals auf Kollegah untergebracht. Dabei wird sein Faible für die technoide Musik des Euro Dance der 90er wieder klar erkennbar. Nachdem er bereits The Prodigy?s ‚No Good‘ für den „Chronik I“ Sampler sowie Pharao?s ‚There?s A Star‘ für Alphagene bearbeitete, hat er dieses Mal unter anderem ‚Omen 3‘ von Magic Affair als musikalisches Gerüst für den Song ‚Bad Boy‘ verwendet. Doch während Rizbo auf Alphagene dann doch einige wenige Male am guten Geschmack vorbei produzierte, erweist er sich auf Kollegah stilsicherer. So sorgen die sphärischen Beats zu ‚Doubletime Freestyle‘ und ‚Halftime Freestyle‘ die perfekte musikalische Unterlage für die Rapattacken des Selfmade Rappers. Auch der Titeltrack, ‚Kokamusik‘, die erste Single ‚Big Boss‘ oder das sehr relaxte ‚30,3‘, welches das versprochene Sommerfeeling perfekt einfängt, kommen mit sehr guten Beats daher. Von den wenigen Fremdproduktionen kann am ehesten das von Vizir bereitgestellte Outro mit einem, wie bereits erwähnt, sehr entspanntem Beat überzeugen.

Neben den vielen guten Momenten bietet Kollegah auch einige wenige Schwachpunkte. So besticht der persönliche Track ‚Bis zum Tag‘ zwar mit einem guten Beat, doch gerät die Liebeshuldigung an eine frühere Freundin mit Floskeln und abgedroschenen Phrasen a la „Bonnie & Clyde / Wir Zwei gegen den Rest der Welt“ dann doch ein wenig zu klischeehaft. Zudem passt der Track im Gegensatz zu dem ähnlich persönlichem ‚Herbst‘ nicht wirklich in den Gesamtkontext des Albums. Auch das clubbige ‚Badboy‘ ist gelinde gesagt sehr gewöhnungsbedürftig geraten, was vor allem an der viel zu lang geratenen Hook liegen mag. Weiterhin haben sich auch eine wenige durchschnittliche Instrumentals geschmuggelt: so fallen das von Chrizmatic produzierte ‚Gangsterarroganz? sowie ‚Ghettobusiness? im Vergleich zu den anderen Beats ein wenig ab.

Ein kleiner Exkurs sollte hinsichtlich des Booklets und des Albumcovers auch kurz erlaubt sein. So muss das umfangreiche Booklet mit seinen edlen Fotos sowie den abgedruckten Texten definitiv gelobt werden. Allerdings ist es in diesem Zusammenhang dann ein wenig unverständlich warum gerade wieder das Albumcover so billig daherkommt. Wie schon bei „Alphagene“ befindet sich das Coverartwork jenseits von Gut und Böse und kann höchstens aufgrund seines Trashcharakters ein Schmunzeln hervorrufen.

Insgesamt ist Kollegah ein wirklich sehr starkes Album geworden, das vor allem von der unglaublichen Performance des Hauptprotagonisten profitiert. Kollegah schafft es über die gesamte Spieldauer mit seinen hochkomplexen und humorvollen Texten zu unterhalten und hat sich zudem die passende musikalische Untermalung bereitstellen lassen. Bis auf wenige Ausnahmen begeistert das Album mit Nonstop Punchlines auf technisch höchstem Niveau und spannenden Erzählungen aus dem Leben eines „Straßenapothekers“. Ob das Ganze nun authentisch ist oder auf einem geschickt ausgewähltem Image basiert, dürfte anhand der hohen Qualität des Endproduktes eher nebensächlich sein. Lediglich im musikalischen Bereich ist noch ein wenig Platz nach oben, da 3 bis 4 Instrumentals ein wenig schwächer ausfallen. Somit übertrumpft ?Kollegah? definitiv seinen Vorgänger „Alphagene“ und auch diejenigen, die noch bei „Alphagene“ die Atmosphäre der Mixtapes vermisst haben, sollten anhand der sehr vielen punchlinelastigen Songs auf ihre Kosten kommen. Um es zu guter Letzt mit den Worten Kollegah?s zu sagen: ?Kollegah? ist ein alles zerberstendes Album.

Bei Nacht DVD

Die knapp 50minütige Bonus-DVD über Düsseldorfs Gestalten aus der Unterwelt bereichert Kolles Album leider in keinster Weise. Mittelprächtige Tonqualität, merkwürdige Kameraführung und sich immer wiederholende Aussagen sorgen dafür, dass es nicht ganz einfach, ist die DVD in einem Stück durchzugucken. Und was hat diese DVD mit Kollegah zu tun? Fazit: Konzertmitschnitte, Interviews oder Musikvideos wären wesentlich angebrachter gewesen.

Bewertung: 5 von 6
Bewertung: 5 von 6

By: BJ AN