Spätestens seit die Golden Era durch Joey Bada$$ und seine Kollegen von der Pro Era-Crew revitalisiert wurde, ist bewiesen, dass es auch unter jüngeren Hip Hop-Künstlern Rapper gibt, die sich nicht nur intensiv mit dem von vielen als die Hochzeit der Kultur gesehenen Zeitraum beschäftigt haben, sondern die Ostküsten-geprägte Herangehensweise an Rap durch und durch verinnerlichen. Es wird wieder auf klassische, sample-basierte Boom Bap-Instrumentals gerappt, die Fahne für Nas, den Wu-Tang Clan, Biggie und ähnlich bedeutsame Eastcoast-Artists hochgehalten sowie inhaltlich wieder mehr auf das Aufzeigen von gesellschaftlichen Missständen oder das darstellen des täglichen Struggles als junger Amerikaner geachtet. Der Struggle ist vielleicht nicht unbedingt derselbe, den Nas auf „Illmatic“ besingt, und auch die Auswüchse der Party-Kultur des neuen Jahrtausends machen vor den Texten der jungen Golden Era-Vertreter nicht halt – trotzdem muss generell gewürdigt werden, dass der Conscious Rap-Ansatz wieder Einzug in die Bars von Rappern gefunden hat, von denen man durch ihre Jugendlichkeit vor ein paar Jahren noch nichts anderes als kodein-angereicherten Ignoranz-Rap der Marke Gucci Mane erwartet hätte.
Der Grund dafür wird wohl ein allgemeiner Wandel der Mentalität in der Herangehensweise an Musik gewesen sein. Das Internet verändert alles, die Plattenverkäufe von Mainstream-Künstlern gehen überall extrem zurück und Musik ist auf einmal nicht mehr einer der schnellsten Wege, seinen eigenen amerikanischen Traum zu verwirklichen, sondern vor allem wieder ein Instrument zur Selbstentfaltung und Therapie. Die Protagonisten hinter dem Golden Era-Revival zielen weit weniger auf die massive Vermarktung ihrer Kunst ab als die Rap-Newcomer aus der Zeit zwischen „Tha Carter 3“ bis ca. 2010. Man möchte den Fans starke Inhalte, gute Beats und möglichst viel von dem Geist des Hip Hops der frühen Neunziger liefern.
Selbstverständlich hat es außer Joey Bada$$ und der Pro Era-Crew einige Künstler gegeben, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen und ebenso auf das Representen der Old School wert legen. Diese gab es auch schon vor dem Erblühen des Pro Era-Movements, allerdings haben Joey Bada$$ und seine Homies diesen Ansatz erst wieder so richtig auf die Karte gebracht und diesen auch noch für eine nennenswerte Karriere zu verwerten gewusst. Vertretern von rückwärtsgewandtem Golden Era-Rap haben auf einmal wieder die Möglichkeit, ihre Kunst auch kommerziell erfolgreich zu vertreiben und vor allem, was noch viel wichtiger ist, wieder Anerkennung für diese Herangehensweise zu bekommen. Der Weg ist vorbereitet, weniger steinig als je zuvor und wartet darauf, von dem nächsten Star eines jungen und trotzdem irgendwie alten Genres beschritten zu werden: Vorhang auf für Bishop Nehru.
Bishop Nehru – Fickle Mind$
Bishop Nehru heißt mit bürgerlichem Namen Marcel Scott, ist erst 17 Jahre alt und kommt aus Rockland County bei New York. Sein Name setzt sich aus der Kunstfigur Bishop, die Tupac Shakur 1992 in dem Film „Juice“ spielte, und dem indischen Freiheitsverfechter, Widerstandskämpfer und guten Freund von Mahatma Ghandi, Jawaharlal Nehru, zusammen. Desweiteren hat er sein erstes Mixtape mit 16 Jahren veröffentlicht, hört neben Hip Hop am allerliebsten Jazz und ist zu einem so frühen Zeitpunkt seiner Karriere wie jetzt bereits mit Co-Signs von u. a. Kendrick Lamar, MF Doom und Nas ausgestattet.
Wem diese kurze Personenbeschreibung noch nicht ausreicht, um sofort Youtube und Google nach dem Output des jungen New Yorkers zu durchforsten, dem sei an dieser Stelle mit größtem Nachdruck die Auseinandersetzung mit dem Rap-Erstlingswerks Nehrus empfohlen, einem Mixtape namens „Nehruvia„. Auf 13 Tracks rappt der adoleszente Bishop Nehru auf Beats von u. a. MF Doom, Madlib und J Dilla von allem, was einen 16-jährigen bewegt und schmückt seine Geschichten mit philosophischen Ergänzungen aus, die auch an der Uni Anklang finden würden. Dazu hat Nehru trotz seines jungen Alters bereits ein vergleichbar hohes Skill-Level erreicht, auf Text- wie auf Produktionsebene.