Recap 2013: Das Jahr der Kollabos

Mit seinem kommenden Album „#hangster“ hat es sich Psaiko.Dino zur Aufgabe gemacht, zwei scheinbar nicht vereinbare Subgenres der aktuellen Deutschrap-Landschaft miteinander zu versöhnen. Die soften „Hipster“-Rapper auf der einen Seite, die harten „Gangsta“-Rapper auf der anderen. Eine von Künstler und Label mit Sicherheit bewusst überspitzte Dichotomie, die ihren Ursprung in einer geplanten Kollaboration von Cro und Haftbefehl („8km/h„) hat und von den schlauen Köpfen bei Chimperator als ansprechendes Album-Prinzip für das erst Solo-Projekt von Cros Live-DJ auserkoren wurde.

Das Konzept, scheinbar fremde Lebenswelten im HipHop-Kontext aufeinander prallen zu lassen, ist nicht neu. Bereits 2011 verfolgten Laas Unltd und Fler mit ihrem gemeinsamen Song „Star Wars“ eine ähnliche Strategie und auch im US-amerikanischen Kontext lassen sich unzählige ähnliche Beispiele finden (seien es Kollabos von Talib Kweli und Gucci Mane, Mac Miller und Project Pat oder ähnlich plakativ wie hierzulande: „Different Worlds“ von The Alchemist und Big Twins). Dennoch steht Psaiko.Dinos Ansatz bei „#hangster“ stellvertretend für eine Entwicklung, die im Deutschrap bereits letztes Jahr ihren Ursprung fand und sich in 2013 konsequent fortsetzte.

Celo und Abdi, die jüngst zusammen mit SAM die neueste Hörprobe des „#hangster“ Projekts lieferten und zuvor mit der DCVDNS-Kollabo „Frankfurter Zoo“ für Aufsehen sorgten, überraschten bereits früh im Jahr, als sie auf dem „#Yolo (Remix)“ des Vorzeige Hipsters MC Fitti auftauchten. Während in Interviews in Bezug auf diese Zusammenarbeit gerne auch damals schon die spartenübergreifende Rap-Vereinigung in den Vordergrund gerückt wurde, gaben Celo und Abdi damals auch unumwunden zu, dass das großzügige Entgegenkommen des für den Remix verantwortlichen Sponsors G-Shock (welches sogar Abdis Vater mit einem schmucken neuen Uhrwerk hinterließ) definitiv bei der Entscheidungsfindung für eine Teilnahme an dem Projekt eine nicht zu vernachlässigende Nebenrolle spielte. Auch die über 700.000 Klicks, die der „#Yolo (Remix)“ inzwischen bei Youtube anhäufen konnte, sollten von allen Beteiligten registriert worden sein.

Neben vielen anderen interessanten Entwicklungen scheint 2013 mehr als die Jahre zuvor auch für die umgreifende (Neu-)Erkenntnis zu stehen, dass nicht nur hochprofilige Fehden mit anderen Sprechgesangsartisten die Aufmerksamkeit für die eigene Person erhöhen können, sondern der wohlüberlegte Schulterschluss mit ausgewählten Künstlern einen ebenso aufmerksamkeitsfördernden und womöglich lukrativen Effekt haben kann.

Während in den USA seit geraumer Zeit Gewissheit herrscht, dass man auch sehr gut gemeinsam Geld verdienen kann und einige Produzenten/DJs (DJ Khaled) und Rapper (Lil Wayne zwischen „Carter II“ und „Carter III„; Bun B und 2 Chainz vor ihren jeweiligen Solo-Debuts) die Kollaboration bewusst als karrierefördernde Maßnahme wahrnahmen, blieb man in den mageren Zeiten der Deutschrap-Krise zumeist unter sich, kollaborierte nur im eigenen Camp und schoss gegen jeden, der einem sein Stück vom ohnehin schon kleinen Kuchen streitig machen könnte. Seitdem sich die finanziellen Rahmenbedingungen für das Genre wieder verbessert haben und Künstler wie Casper, Marteria und die Orsons das Bewusstsein, wie Rap klingen (und erfolgreich sein) kann öffneten, scheint momentan der Zeitpunkt gekommen, wo sich Rapper jeder Couleur die Hände reichen können und in alter True School-Manier das Afrika Bambaataa-Mantra Peace, Unity, Love and Having Fun zelebrieren.

Niemand nutzte das Mittel des qualitativen Gastbeitrags in 2013 umfassender für sich als der ungekrönte Feature-King der vergangenen 12 Monate, MoTrip. Auch ohne eigenen Solo-Release (mit Ausnahme der in Kooperation mit hiphop.de entstandenen Single „Guten Morgen NSA„) konnte sich Aachens Finest mit Features für über 15 andere Künstler bis zu seinem für kommendes Jahr angekündigten Langspieler erfolgreich im Gespräch halten. Noch bemerkenswerter als die schiere Masse ist neben der konstanten Qualität der Beiträge allerdings mit welch unterschiedlichen Künstlern Mo Dirty Shit im letzten Jahr zusammenarbeitete. Massiv, Max Herre, Summer Cem, DCVDNS, Vega, Chefket, Liquit Walker, Ali As und Chima sind nur einige der Namen auf deren Tracks ein Verse von Mr. Schreiben, Schreiben zu hören war. Darüber hinaus war MoTrip mit seinen Gastbeiträgen auf den Projekten von Genetikk, Raf Camora, Eko Fresh und sido auch an gleich vier Nummer 1-Alben beteiligt, von denen zwei gute Chancen haben im nächsten Jahr Gold zu gehen. Hut ab!

Ebenso auf die Bündelung von Kräften (und in diesem Fall auch Namen) setzten Massiv und Eko Fresh mit ihren jeweiligen Album-Releases. Während „BGB3“ einer Kulmination des kompletten Straßenrap-Genres gleichkam, teilte sich Eko auf der ersten CD seines Doppel-Albums „Eksodus“ nur mit J-Luv und Ado Kojo das Mikro, um dann auf CD 2 mit einer Heerschar an nationalen und internationalen Personal Favorites zuzuschlagen.

Demselben Prinzip folgte dann auch sido bei dem viel besprochenen Titeltrack seines „30-11-80„-Albums und kombinierte frühe Helden wie Moses Pelham, Smudo und Dr. Renz mit alten Weggefährten wie B-Tight, Bass Sultan Hengzt und Bushido und neuen Favoriten wie Blut und Kasse. Mit „Maskerade“ sportete sidos jüngster Charttopper gleich noch einen weitere bemerkenswerte Kollaboration, die beinahe mit einem Feature von Cro das Aufeinandertreffen der maskierten Elite vervollständigt hätte:

Letztes Beispiel der gesteigerten Bereitschaft über etwaige Tellerränder zu schauen und vor allem zusammenzuarbeiten ist der Remix zu „Champagner für alle“ von Capo, der mit den Azzlackz Celo, Abdi und Milonair, der „Lila Wolken„-Posse um Yasha, Miss Platnum und The Krauts, Chimperator-Neuling Lary und sido gleich mehrere Lager miteinander auf einem Track vereinte.

Mit dem Release von „#hangster“ im Januar und dem angekündigten „Zodiak“-Projekt von Raf Camora, Chakuza und Joshi Mizu deutet sich an, dass der Trend, seine Kräfte zum gemeinschaftlichen Fortkommen zu bündeln, sich auch im kommenden Jahr fortsetzen wird. Neben vielen weiter Indikatoren eine Entwicklung, die zeigt, dass es der deutschen Rapkultur inzwischen wieder sehr gut geht. Und für all jene, die bei all der Eintracht und Liebe in der Szene Angst bekommen, ihr Lieblingsgenre könnte im wirtschaftlichen Aufschwung die Zähne verlieren, gibt es dann ja auch im ersten Quartal neues Material von Bushido, Kollegah und Farid Bang.