Back Then: Massiv veröffentlicht "Opferfest"

Bevor er im April 2007 bei Sony BMG Music Entertainment einen hochdotierten Vertrag unterschrieb, war Massiv Anfang 2006 noch ein relativ unbekannter Rapper, der den Schritt aus der Kleinstadt Pirmasens in die Hauptstadt Berlin gewagt hatte. Der zugezogenene Massiv schafft es jedoch dann binnen kürzester Zeit einen enormen Hype um seine Person aufzubauen, der folgerichtig mit der Unterschrift beim Major Riesen seinen sensationellen Höhepunkt fand. Einige Monate zuvor noch war Massiv bei Basstard’s Horrorkore Entertainment unter Vertrag: der Legende nach hatte Basstard den muskulösen und tätowierten Massiv bereits aufgrund seiner beeindruckender und respekteinflößenden Statur gesignt ohne vorher seine Musik gehört zu haben. In der Zeit bei Horrokore nahm Massiv mit dem „Ghettolied“ dann seinen wohl wichtigesten Song auf, der sich innerhalb weniger Wochen rasch via Bluetooth in ganz Berlin ausbreitete und somit den Weg für Massiv’s spätere Karriere ebnete. Zum angesetzten Videotermin zu „M.A.S.S.I.V./Ghettolied/Blut gegen Blut“ erschienen dann auch mehrere hundert Menschen um Massiv zu unterstützen. Im Mai 2006 wurde dann ein neues Video zu „Ghettolied“ abgedreht: Auch hier wurden mittels Sticker und Mundpropaganda angeblich 1000 begeisterte Anhänger mobilisiert um beim Videodreh mitzuwirken. Mit dem Musikclip sowie einer clever gesetzten doppelseitigen Anzeige in der Juice, die einen finster dreinblickenden Massiv zeigt, konnte der gebürtige Palästinenser seinen lokalen Hype schnell auch auf Restdeutschland ausbreiten.

Noch vor seinem Debutalbum „Blut gegen Blut“ im Juli 2006 veröffentlichte Massiv im Juni 2006 dann zusammen mit Labelinhaber Basstard das „Horrorkore Mixtape Teil 1“ und sorgte vor allem mit den Solotracks „Keine Rapstarz Teil 1“ und „Keine Rapstarz Teil 2“ für offene Münder, da er mit einer schier unfassbaren Härte gegen die Rapkonkurrenz wetterte und dabei mehrmals deutlich unter die Gürtellinie ging:

Die überaus harten Ansagen schmeckten natürlich einigen Kollegen ganz und gar nicht und so verwickelte sich Massiv in eine Fehde mit Snaga & Pillath sowie Manuellsen, die Ende 2006 in dem Austauschen gegenseitiger Disstracks mündete. Massiv tätigte in seinem Track „Die Antwort“ dabei ein paar sehr grenzwertige und Aussagen, die ihm einige Menschen, nicht nur im Ruhrpott, übel nahmen. So kam es dazu, dass im Juni 2007 bei einem Massiv Liveauftritt in Duisburg ein Fan die Bühne stürmte und Massiv schlug und das Konzert dann in eine Massenschlägerei ausartete.

Doch nicht nur im Ruhrpott hatte Massiv Probleme mit anderen Rappern. Das Berliner Label Shok Muzik hatte sich wie viele andere Labels in dieser Zeit dem Gangsterrap verschrieben und konnte 2005 mit dem Crackaveli & Irie D Kollaboalbum „Doppeltes Risiko“ einen ersten Achtungserfolg verzeichnen. In der Folge jedoch schien man sich im Hause Shok Muzik dann lieber auf das Dissen anderer Rapper zu konzentrieren: während Crackaveli sich aus jeglichen Streitereien stets heraushielt, veröffentlichten Irie D und Ufuk Sahin auf einer Juice CD den Disstrack „Der Angriff“, auf dem sie mittels simpelster Reime u.a. sido, Eko Fresh, Kool Savas und Azad attackierten:

Wenig später veröffentlichte Irie D sogar ein Video namens „Was jetzt los“, in dem er durchgehend gegen Aggro Berlin wetterte und dem Label mangelnde Straßenkredibilität vorwarf:

Massiv blieb zwar zunächst von Irie D & Co verschont, im Video zu „Das ist Gangster“ stichelte dann aber ein gewisser Baba Kaan aus dem Shok Muzik Umfeld gegen Massiv, der zu diesem Zeitpunkt relativ eng mit Aggro Berlin verbunden war.

Massiv ließ die Attacke nicht auf sich sitzen und konterte prompt mit seinem inzwischen legendären Track „Opferfest“. Während aus dem Hause Aggro Berlin meist eher indirekte Antworten kamen und bis auf Alpa Gun niemand recht wagte Irie D und Co. namentlich zu erwähnen, polterte Massiv in bewährt aggressiver und angriffslustiger Manier munter und explizit gegen Shok Muzik. Auf einem nach vorne gehenden Instrumental setzte Massiv auf „Opferfest“ jede erdenkliche Waffenart ein um fast sieben Minuten lang mit den Rivalen aus Berlin abzurechnen. Dabei ist es ihm anhand seines Vokabulars, den detailreich ausgeführten Exekutionsmanövern und dem düsteren Tenor des Songs gelungen eine einzigartige und dichte Atmosphäre zu kreieren, die viele Fans trotz der damals noch vorhandenen technischen Defizite überzeugen konnte:

In der eh schon angespannten Stimmung legten Irie D und Ufuk Sahin dann noch einmal mit „Der Angriff Part 2“ nach, ehe Ende Februar 2007 dann das Irie D Soloalbum „Live dabei“ als Bewährungsprobe für Shok Muzik veröffentlicht wurde. Im Zuge des Gangsterrap Hypes hatte das Label nämlich einen Vetriebsdeal beim Major Warner Music Group ergattern können und mit dem Video „Was jetzt los“ schaffte es Irie D sogar in die damals für Rapper wichtige MTV Show TRL. Der Track schaffte es dann auch auf Platz 49 der deutschen Singlecharts und im Hause Aggro Berlin dürfte man zumindest kurzfristig ein wenig beunruhigt gewesen sein, ob das streitlustige Straßenlabel tatsächlich zu einer ernsthaften Konkurrenz und Alternative heranwachsen würde. „Live dabei“ entwickelte sich jedoch zu einem Flop und stieg in der ersten Woche nach Veröffentlichung auf einem enttäuschenden Platz 106 ein. In der Folge wurde es sehr schnell ruhig um Shok Muzik.

Massiv nutzte derweil seinen enormen Hype und unterschrieb im April 2007 bei Sony. Insgesamt veröffentlichte drei Alben über den Major. Während er 2006/2007 mit seinen zahlreich ausgetragenen Scharmützeln, die mit dem „Opferfest“ einen Höhepunkt fanden, noch sehr stark polarisierte, verzichtete Massiv in den kommenden Jahren auf Disses und vertrug sich mit einigen seiner früheren Rivalen. Der Begriff „Opferfest“ blieb jedoch anscheinend als Sinnbild für die hitzige Massiv Phase 2006/2007 in den Köpfen der Leute präsent und steht mittlerweile ein wenig als Blaupause einer harten Kampfansage an die Konkurrenz.

Abschließend lässt sich feststellen, dass es glücklicherweise trotz der teils recht heftigen Disstracks bis auf den Vorfall beim Massiv Konzert in Duisburg nie zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen.