"Du weißt nicht, was wir hier durchmachen": 5 wichtige Azad Videos

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Auch wenn er in den letzten Monaten zwischenzeitlich eher durch angriffslustige und provokante Facebook Sermone als durch neue Musik auf sich aufmerksam macht, bleibt Azad’s Status als wahrhafte Deutschrap Legende nach wie vor unbestritten. Ohne jeden Zweifel handelt es sich bei dem stolzen Frankfurter um einen der wichtigsten und größten Künstler, den die deutsche Rapszene hervorgebracht hat und noch immer wird Azad in schöner Regelmäßigkeit zu den wichtigsten Einflüssen gezählt, wenn es um die eigene Rap Sozialisation geht. Die Palette der MC’s, die Azad als prägende Inspiration nennen, reicht dabei von Haftbefehl zu Vega bis hin zu PA Sports und aufstrebenden Rappern wie Kurdo.

Da allerdings nach wie vor ungeklärt ist, wann bzw. ob überhaupt endlich neues Material in Form von „Nebel“ oder gar „Leben 2“ das Licht der Welt erblicken wird, nutzen wir die Gelegenheit um einige ausgewählte Azad Videos zu präsentieren und ihren raphistorischen Hintergrund sowie ihre allgemeine Bedeutsamkeit zu erläutern.


AzadNapalm (2000):

Nachdem er bereits Jahre zuvor im Kollektiv mit D-Flame und den Producern A-Bomb und Combad als Asiatic Warriors aktiv war, konnte Azad erstmals im Jahre 2000 als Solokünstler ein markantes Ausrufezeichen in Stein meißeln und setzte mit seinem Video zu „Napalm“ den bis dato im Deutschrap nicht existierenden Streetrap auf die Landkarte. Während 2000 in den Medien und den Charts noch der fröhliche und etwas harmlose Gute Laune Rap vorherrschte, zerlegte nun ein übelgelaunter Azad in „Napalm“ gleich reihenweise imaginäre Gegner und bediente sich dabei eines Vokabulars sowie einer Klangästhetik, die im Deutschrap etwas völlig Neues darstellte. Erstmals wetterte ein deutscher MC kompromisslos und überaus aggressiv gegen minder talentierte Rapper und mittels der expliziten Wortwahl und dem wütenden Auftreten kreierte Azad den passenden Sound für die tristen Hochhäuser Siedlungen deutscher Großtädte und etablierte erstmals einen kohärenten Street Rap Entwurf in der Bundesrepublik. Zudem unterschied sich das gewählte Soundbild stark vom damaligen Status Quo in Rapdeutschland und orientierte sich an Klangbilder, die eher an Queensbridge als an Hamburg oder Stuttgart erinnerten.

Wenn man sich „Napalm“ anhört, versteht man auch, warum sich Azad via Facebook über den Bushido Track „Kleine Bushidos“ so sehr echauffierte und von kleinen Azads sprach. Auch ein Bushido könnte sich anno dazumal umfassend mit der Musik des Bozzes auseinandergesetzt haben, doch hinsichtlich der Kleine Bushidos/Kleine Azads Debatte haben vermutlich wohl beide Parteien Recht: denn obwohl Azad mit seinem ernsthaften und Rap Ansatz und der bedrohlichen Klangästhetik zweifelsohne einen Straßen Sound erzeugte, der eine im Deutschrap bis dato ungekannte Härte vermittelte, war seine Musik immer noch im Battlerap verwurzelt, während Bushido in seiner Musik sich noch mehr auf einen kriminelle Lebensart berief und sich zumindest inhaltlich vom klassischen Hip Hop distanzierte.

Auch das von Katja Kuhl inszenierte Musikvideo setzte durch die kompromisslose Umsetzung neue Maßstäbe und fängt die bedrohlich-düstere Atmosphäre des innovativen Frankfurter Sounds hervorragend ein. Gleichzeitig unterstreichen die Breaker im Video sowie die Cuts in der Hook aber auch Azad’s klassischen Hip Hop Background: trotz seines martialischen Auftretens hatte man es mit einem echten Hip Hop Aktivisten zu tun, der die diversen klassischen Elemente des Hip Hops verinnerlicht hat. Die Idee Azad und seine Bande hinter Sturmmasken und Armee Jacken zu verstecken, unterstrich dann aber auch die unangepasste Gefährlichkeit, die von seiner Musik ausging, so dass man beim Anschauen des Clips das Gefühl bekam, man würde es mit einem rappenden und militanten Guerilla Kommando zu tun haben. Und auch wenn Azad nur in diesem Clip eine Maske trug, kreierte das geheimnisvolle Auftreten des Rappers bei Zuschauern, die ihn noch nicht kannten, zumindest kurzweilig eine besondere mysteriöse und dunkle Aura. So setzte sich beispielsweise Charlotte Roche in ihrer damaligen Musiksendung Fast Forward mit dem Clip des Frankfurters auseinander und kommentierte den maskierten Mob auf ihre eigene Art und Weise, indem sie das Tragen der Sturmmasken auf ein schweres Akneleiden der Meute zurückführte.

Eine weitere Anekdote zum Clip erzählte die verantwortliche Regisseurin Katja Kuhl: beim Videodreh im Frankfurter Hafen wurde das Team trotz vorheriger Einholung einer Drehgenehmigung von Zivilpolizisten umzingelt, die von besorgten Anwohnern wegen der Gefahr eines terroristischen Anschlags herbeigerufen wurden.

Azad selber rappte zu dem damaligen Zeitpunkt noch weitaus schneller und hektischer und flowt brutal- brachial über den Beat, wobei durch den leicht gehetzt wirkenden Vortrag nicht alles sofort verstanden werden kann und sich Azad daher noch mit Vorwürfen des Nuschelns auseinandersetzten musste. Er verbesserte seine Raptechnik jedoch recht schnell und konnte in den kommenden Jahren auch als technisch versierter Rapper glänzen, der mit Stimme und Technik mühelos spielen umgehen kann.

Folglich stellt „Napalm“ einen zeitlosen und wegweisenden Deutschrap Klassiker, der auch 13 Jahre nach seiner Veröffentlichung nichts von seiner Relevanz eingebüßt hat. Vor allem das Stilmittel der gefühlten 800 Jungs im Hintergrund, die vor Hochhausfassaden Spalier stehen und versuchen möglichst böse in die Kameras zu glotzen sowie das Präsentieren diverser Kampfhunde wird auch im Jahr 2013 noch gerne von einfallslosen Streetrappern aufgegriffen. Mit „Gegen den Strom“ koppelte Azad wenig später einen weiteren kompromisslosen Battle Klassiker aus, bei dem er mit fröhlichen „Kommerz Rappern“ abrechnete.


AzadLeben (2001):

Der introspektive Titeltrack zu seinem 2001er Debut „Leben“ stellt eine eine weitere Facette des künstlerischen Schaffens Azad’s dar und betont seine immer schon vorhandene ernsthafte und nachdenkliche Seite, mit der er sich über die Irrungen und Wirrungen des Lebens auseinandersetzt. Auf „Leben“ reflektiert der Bozz sein persönliches Schicksal, seine Herkunft als auch seinen Alltag in der Frankfurter Hochhaussiedlung. Dabei präsentiert er seine ehrlichen Zeilen erfrischend unpeinlich und jenseits aller Plattitüden und simpler Kopf Hoch Romantik, die ihm heutzutage teils von Kritkern vorgeworfen wird.

Das Video selber reiht sich mit seiner tristen und grauen Hochhäuser Optik stilistisch nahtlos an „Napalm“ und „Gegen den Strom“ an und dürfte auch sido’s Märkische Viertel Romantik im „„Mein Block“ Video beeinflusst haben.


AzadPhoenix (2004):

Angelehnt an die Figur aus der griechischen Mythologie, schrieb Azad auf seinem „Der Bozz“ Album eine motivierende Durchhalte Hymne, die er sowohl an sich selbst, als auch an seine Hörer richtet. Auf einem entspannten, verträumten und fast schon hypnotisierenden Instrumental referiert der „Goethe der Straße“ über Träume und Ziele, die sich inmitten all des Schmerzes und des Leides herausbilden und war textlich wohl nie besser als in diesem Song. So vereint er perfekt seine leicht pathetische Asphalt Rhetorik mit aufbauenden und Mut machenden Tönen und schafft es seine Message ohne jeden Kitsch oder Phrasendrescherei direkt in die Köpfe der Zuhörer zu platzieren. Der ruhige Beat stellt zudem die passende Grundlage für die Kopf Hoch Lyrics Azad’s dar und punktet mit einer unaufgeregten und ruhigen Stimmung, anstatt auf vorhersehbare Piano- oder Streicherklänge zu setzten.

Auch der Musikclip bietet mit seiner helleren, warmen Farbwahl und der sommerlichen Atmosphäre einen aufmunternden und positiven Vibe, auch wenn man auf die Kampfsport Bilder hätte verzichten können. Azad selber präsentiert sich als nachdenklicher Mann, der inmitten seiner Leute steht, sie aber auch anführt und zu ihnen spricht.

Zwar war „Phoenix“ mit seiner Platzierung auf Rang 66 der Singlecharts kein großer Charterfolg, stellt dennoch einen leicht unterschätzten und gern übersehenen, stillen Deutschrap Klassiker dar.


Azad & Kool SavasMonstershit (2005):

Azad und Kool Savas konnten sich fast zeitgleich in der Deutschrap Szene hocharbeiten und kooperierten bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ihrer Karrieren eng zusammen. So war Savas auf einem Hidden Track von „Leben“ vertreten, während Azad auf dem wenig später veröffentlichten „NLP“ Album Savas‘ damaliger Crew M.O.R. ein Paar Bars zum Besten gab. Die beiden Ausnahme MC’s verband ihre angriffslustige und härtere Battle Lyrik, mit der sie sich von der vorherrschenden Konkurrenz absetzten und somit einen Paradigmenwechsel vom vormaligen spaßigen Sound hin zu einer roheren Musik einleiten konnten. Die Fans der Frankfurt-Berlin Connection forderten alsbald eine engere Zusammenarbeit und nach diversen Features firmierten Savas und Azad 2005 unter dem Crewnamen One. Das veröffentlichte Kollaboalbum konnte sich dann auch dank der sehr erfolgreichen zweiten Single „All 4 One“ kommerziell durchsetzten, wobei vor allem die erste Auskopplung „Monstershit“ für Battlerap Fans interessanter sein dürfte: auf einem knochenharten Monroe Brett besinnen sich Azad und Kool Savas auf ihre Battle Stärken und nehmen das Instrumental mit ihren wildgewordenen Technik Abfahrten vollends auseinander. Von einem technischen Standpunkt aus, befand sich Azad hier einer Phase, in der er viel mit seiner Stimme, verschiedenen Betonungen und einem möglichst komplexen Raptechnik arbeitete. Im Gegensatz zu seinem früher sehr schnellem und hastigen Flow und dem später bewußt reduzierten Rapstil, dominiert zu „One“ Zeiten daher ein sehr auf Style und Technik basierender Vortrag.

Das Video selber stellt eine zwiespältige und unausgegorene Mischung dar: für Savas und Azad eigentlich eher untypisch räkeln sich einige Bikini Girls in dem Clip und die eingesetzten Computer Effekte wirken inzwischen sehr altbacken. Immerhin passen die gezeigten Bilder zum druckvollen Charakter der Battletexte.

Auch nach „One“ arbeiteten Essah und die Faust des Nordwestens immer wieder sehr erfolgreich zusammen wie zum Beispiel auf „Immer wenn ich rhyme“ oder „Fly away“. Ende 2011 kam es jedoch dann für Außenstehende überraschend zum Split der ehemaligen Freunde.


AzadAlles Lügen 2007:

2007 hatte Azad in Zusammenarbeit mit Adel Tawil und dem „Prison Break Anthem (Ich glaub an dich)“ seinen kommerziell größten Hit und eroberte mit der Single Platz 1 der Charts. Der Track zur RTL Serie stellt zwar nicht Azad’s beste musikalische Arbeit dar und setzt rein inhaltlich auf die bekannten und bewährten Durchalteparolen, jedoch dürfte der Track bei Azad einen besonderen Stellenwert genießen, da ihm trotz der vielen Respektsbekundungen bis dato als Solokünstler nie der ganze große Charterfolg vergönnt war.

Künstlerisch interessanter dürfte aber das sehr dunkle und fast schon vollends resignierte „Alles Lügen“ sein, welches auf dem ebenfalls noch 2007 veröffentlichten „Blockschrift“ zu finden ist. Konträr zu dem sonst noch so hoffnungsvollen und aufbauenden Worten Azad’s überwiegt hier eine düstere, desillusionierte Grundstimmung und ein allein gelassener und frustriert wirkender Azad rappt sich seinen Schmerz von der Seele. Auffallend ist der deutlich reduzierte und bewußt zurückgenommene Reimstil, der sich gewollt dem eindringlichen Vortrag Azad’s unterordnet, so dass die Darbietung noch emotionaler und intensiver wirkt.

Auch das Video, in dem der deprimierte Azad auf sich allein gestellt im Dunkeln steht, unterstreicht die depressive Atmosphäre des Songs und somit stellt „Alles Lügen“ eines der intensivsten und bedrückendsten Azad Werke dar. Auch 2012 hatte man zeitweise das Gefühl, dass die Thematik des Songs bei Azad wieder aktuell sein könnte, da er anhand seiner Facebook Rundumschläge ein gewisses Gefühl der Unzufriedenheit manifestierte, wobei zuletzt wieder positivere Einträge einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck vermitteln. Bleibt zu hoffen, dass die Frankfurter Raplegende in Zukunft musikalisch wieder angreifen wird und die innig wartende Raphörerschaft mit frischer Musik direkt aus Frankfurts Straßen beglücken wird: