Love Hurts: Deutsche Rapper im Rausch der Gefühle

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„Ich bin hart wie mein Schwanz.“

Ganz klare Sache: Der Competition- und Battle-Gedanke im Deutschrap wird ernst genommen und oftmals wird Rap nur allzu gerne als Vehikel benutzt um der eigenen Männlichkeit und Omnipotenz zu frönen. So stellen sich Rapper gerne als harte, gefühllose und kompromisslose Draufgänger dar, die sich lieber mit feindlichen Gruppierungen, ausgeklügelten Drogendeals im großen Stile oder bedeutungslosen Sex mit möglichst vielen verschiedenen Frauen beschäftigen, als mit so trivialen Dingen wie der eigenen Freundin oder sonstigen nervigen Problemfeldern.

Allerdings scheint auch selbst der härteste Teufelskerl über eine emotionale und weiche Seite zu verfügen und ist daher tatsächlich ab und an in eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts verliebt. Um seine Vielseitigkeit als Künstler unter Beweis zu stellen und auch die weiblichen und jüngeren Zuhörer zufriedenzustellen, werden dann die großen Gefühle in emotionale Schmachtfetzten verpackt, in denen wahlweise die tiefe Zuneigung zur Freundin oder die unendliche Trauer wegen der Ex berapt wird.

Der Song an die große Liebe oder die Verflossene fällt dann allerdings meist überaus kitschig aus, so dass man bei einigen Liebesoden das Gefühl hat, man würde einer vertonten Version von „Nur Die Liebe zählt“ oder „Traumhochzeit“ lauschen. Vor allem Street-oder Gangsterrapper, die sich zuvor in ihren Tracks als gefühlskalte und polygame Kampfhähne präsentieren, lassen in Liebesliedern alle Hemmungen fallen und schluchzen ungeniert ihren Herzschmerz in das Mikfrofon. In den gerappten Love Storys kommt dann auch das passende Schmachtfetzen-Vokabular inflationär zum Einsatz, so dass der Zuhörer wiederholt mit ausgelutschten Phrasen und Wortkombinationen („mein Schatz“, „Du hast einen Platz in meinem Herzen“ etc.) „erfreut“ wird. Es scheint manchmal gar so, als würden diejenigen Rapper, die sonst absolut knallhart auftreten, in ihren Liebesopern dann versuchen das genaue Gegenteil zu verkörpern, also sich möglichst romantisch und emotional, wenn nicht gar weinerlich präsentieren wollen. Damit versuchen also einige Rapper zwei völlig entgegengesetzte Gefühlszustände in ihrer Musik zu verpacken und wechseln fließend vom bekannten „Ich bin so hart“ zum kurzfristigen „Ich bin so verliebt“.

Folgend werden nun einige verliebte Deutschrapper und ihre Liebes- sowie Herzschmerzorgien an die Auserwählte präsentiert.


MassivEs Tut Mir Leid:

„Wir waren unsterblich in einander verliebt.
Man sah uns öfters kuscheln an einem holzgewärmten Kamin.“

Massiv wurde vor allem zu Beginn seiner Karriere als eisenharte Gangsterrap Maschine wahrgenommen, was durch seine brachiale Musik und sein äußeres Auftreten hervorgerufen wurde. Auf seinem Major Debut „Ein Mann Ein Wort“ packte dann aber auch dem Wahlberliner der Liebeseifer und so nahm Massiv einen, sagen wir mal, besonders gefühlsbetonten Song auf. Während das Al‘ Massiva Oberhaupt sonst eher über die Vorzüge großkalibriger Gewehre philosophierte und man annehmen konnte, dass er sich eher Waffen und exzessiver Gewalt zugeneigt fühlt, tritt in „Es Tut Mir Leid“ dann plötzlich eine ehemalige Flamme in den Vordergrund und wird vom trauernden Massiv nach allen Regeln der Kunst besäuselt. Massiv, der sonst gerne maximale Härte repräsentiert, zeigt in diesem Track dann maximale Weichheit und tritt als unglücklich Verliebter auf, der seine große Liebe der Karriere wegen verlassen musste und nun „täglich weint“. Dabei versucht er seine großen Gefühle mit möglichst pathetischen Umschreibungen zu verdeutlichen, so dass Zeilen wie „Unsere Liebe war wie Fackeln im Sturm“ die kitschige Liebes Hymne dominieren und wir lernen, dass auch der robuste Massiv ein gefühlvoller Schelm sein kann:


Kay OneNah Und Doch So Fern:

„Ich denke jeden Tag an dich wenn ich gerade aufsteh, schlafen geh? und raus geh.
Verdammt sogar beim Aufnehmen das Bauchweh.“

Kay One lässt in seiner Musik gerne die Sektkorken knallen und brüstet sich als potentes Partytier, das souverän die Models von München bis nach St. Tropez vernascht. Doch auch ein begeisterter Anhänger der Vielweiberei wie Kay One verliebt sich offenbar auch mal in eine seiner Gespielinnen und mutiert vom Champagner trinkenden Partyficker zum gefühlvollen und einsamen Liebesritter mit gebrochenen Herzen. Auf „Nah Und Doch So Fern“ widmet sich Kay One einer verflossenen Liebe und zwar in diesem Falle Mandy Capristo, die er in dem Track auch namentlich erwähnt. Das Ergebnis ist hierbei eine wehmütige Rückschau auf die schönen Zeiten und das Verfluchen der einsamen Gegenwart, angereichert mit dem üblichen Herzschmerzvokabular.

Kay‘s rührselige Performance auf dem Sofa (Zigarette rauchen, mit den Händen über die Augen wischen, Kopfschütteln), mit der versucht sein Gefühlschaos auch bildlich umzusetzen, ist natürlich ebenfalls ganz großes Kino:


TaichiEndgültig:

„Du warst mein Lieblingsmensch, guck jetzt sind wir getrennt.
Und es tut verdammt weh, dass ich dich nie wieder Liebling nenn.“

Taichi reiht sich zwar nicht in die Riege der harter Street Rapper ein, einen überdurchschnittlich kitschigen Liebessong hat aber auch er in petto. In Endgültig verarbeitet er das Ende einer Beziehung und schmeißt dabei mit ganz großen Worten um sich: mit der Ex sollten die gemeinsamen Kinder groß gezogen werden und natürlich hat die ehemalige Freundin nach wie vor einen Platz in seinem Herzen.

Im Musikclip berappt Taichi mit extrem traurigen und jammernden Hundeblick sein trauriges Schicksal und steht dabei aber gleichzeitig steif wie ein Brett in der Gegend herum. Auch werden im Video Szenen aus der noch glücklichen Zeit mit der Ex gezeigt, was ein beliebtes Stilmittel für Tracks dieser Art ist. Somit erfahren wir, was Taichi als Boyfriend so alles treibt: von romantischen Spaziergängen im Wald bis hin zum Schaukeln auf einem Spielplatz hat er eigentlich alles zu bieten, was man sich als Freundin nur wünschen kann.


KC Rebell feat. Moe PhoenixDein Mann:

„Baby komm in meinen Arm, ich gebe dich nicht her mein Schatz.
Denn Niemand ersetzt deinen Platz, denn du hast das was keine hat.
Und hör wie ich dir leise sag: Ich liebe dich.“

KC Rebell überzeugt zumeist als aggressiver und gewitzter Staßenrapper, der technisch anspruchsvoll seine imaginären Gegner verhaut. Während er in seiner Hauptdisziplin, dem Battlerap, keine Gnade zeigt, verkommt er in „Dein Mann“ jedoch zum zärtlichen Lover, der einen Liebsbrief sondergleichen an die Herzdame verfasst. Dabei spart er nicht mit allerlei pathetischen Liebes- und Treueschwüren, die er mit einer Extraportion Liebe und Zuneigung anreichert und noch ein wenig Liebe hinzufügt. Sofern man nur diesen einen KC Rebell Track kennen sollte, dürfte man annehmen, dass man es mit einem sanften Teddybär und nicht mit einer offensiven Rapmaschine zu tun habe.

Auch das Video glänzt mit bestem Rosamunde Pilcher Swag und wie schon im Taichi Video sieht man einige intime Szenen aus dem Leben des Ruhrpott Rappers mit seinem Herzblatt. So steht scheinbar auch KC Rebell (wie Taichi) auf lange Spaziergänge und innige Umarmungen.


Kollegah feat. SahinDu:

„Homies rufen an, doch ich will kaum noch reden.
Sie war die Eine, die Frau fürs Leben“.

Auch Kollegah stellt sich in seinen Tracks in erster Linie als gefühlloser „Liebesgott mit Riesencock“ dar, der Frauen lieber auf den Strich schickt, anstatt sie romantisch ins Kino auszuführen. Doch auch dem Boss wurde offenbar schon das Herz gebrochen: auf „Du“ spricht der traurige und zurückgelassene Kollegah über seine Angebetete, die jedoch einem Großcousin versprochen worden ist und daher nicht mit dem Selfmade Records Rapper in Richtung Sonnenuntergang flanieren darf. Der einsame Kollegah ertrinkt folglich in Tränen und tut das, was ein verlassener Mann so treibt: er konsumiert Drogen und verprasst das angesparte Geld für das gemeinsame Traumhaus im Casino.

Auch in dem Video nimmt Kollegah die gängigen Posen ein um seinen Herzschmerz möglichst deutlich herauszustellen: so zerreißt er beispielsweise die gemeinsamen Bilder aus glücklichen Tagen oder nimmt ein Schaumbad(?). Zudem stellt Kolle eindrucksvoll unter Beweis, dass er mindestens genauso gut wie Kay One traurig auf einem Sofa sitzen kann.


PA SportsDank Dir:

„Jeder lebt jetzt sein Leben mein Schatz.
Trotzdem fehlt mir deine Nähe bei Nacht.“

Wie sein SAW Kollege KC Rebell hat sich auch PA Sports bereits dem Thema Liebe & Beziehung gewidmet. Während KC Rebell auf „Dein Mann“ allerdings noch glücklich liiert ist, wurde PA von seiner Auserwählten verlassen und verarbeitet die Trennung in dem Track „Dank Dir“. Dabei wirkt das Gezeigte bis auf die gelungene Hook doch arg pathetisch und unterscheidet sich kaum merklich von thematisch verwandten Liedern: PA Sports betrauert mit gebrochenen Herzen die glückliche Vergangenheit und kann seine Ex trotz allem Geschehenen nicht vergessen.

Auch in dem Video geht man auf Nummer sich und setzt auf die altbewährten Stilelemente: ungläubiges Kopfschütteln bei PA Sports, Fotos des ehemaligen Paares an der Wand sowie Szenen aus der glücklichen Vergangenheit inklusive Kissenschlacht auf dem Sofa und romantischen Stadtbummel.


Fler feat. DoreenIch Sing Nicht Mehr Für Dich:

„Ich denk an deine Stimme. Sie klingt so wie Tausend Engel.
Da wo ich jetzt bin, mal ich deinen Namen auf die grauen Wände.“

Bei Fler als cleveren Geschäftsmann kann man sich nicht so sicher sein, ob er Ich Sing Nicht Mehr Für Dich wirklich für sein „Mädchen“ geschrieben hat, oder eher ein paar potenzielle jüngere oder frisch verliebte Käufer anlocken wollte. Jedenfalls kommt er bei seiner Herzschmerz Story nicht über die gängigen Kummersong-Allgemeinplätze hinaus, die er über das eingängige Piano Geklimper säuselt. Durch den längeren Doreen Gesangspart wirkt der Track zudem mehr wie ein Lied der Sido-Ex, das durch Fler’s traurigen Klagerap „bereichert“ wird.