Back Then: Samy Deluxe vs. Azad

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Im Jahr 2012 sind Samy Deluxe und Azad angesehene und etablierte Deutschrap Veteranen, die man zu den Ersten zählt, wenn es um die bedeutensten und wichtigsten Hip Hop Vetreter des Landes geht.

Aber auch der Bozz und der Wickeda MC mussten sich über die Jahre hinweg mühsam nach oben arbeiten. Auf dem Weg zur Spitze gerieten die beiden an einem relativ frühen Zeitpunkt ihrer Karrieren aneinander und tauschten ihre divergierenden Ansichten in Form zweier Diss Tracks aus. Im Folgenden soll sich nun nicht allzu sehr auf die eigentliche Fehde fokussiert, sondern auch der State of Mind der deutschen Hip Hop Szene anno 2001 beschrieben werden.

Wie bereits geschildert, schreiben wir das Jahr 2001 und sowohl Samy Deluxe, als auch Azad standen kurz vor der Veröffentlichung ihrer jeweiligen Solo-Debuts. Samy Deluxe hatte im Jahr zuvor mit seiner Crew Dynamite Deluxe das gefeierte und immens erfolgreiche Album „Deluxe Soundsystem“ veröffentlicht, durch welches er seinen Status als bester MC des Landes manifestieren konnte. Bis dato gab es kaum jemanden, der so grazil und elegant über die Instrumentals tänzelte wie Samy, der seinen konkurrenzlosen Flow dabei auch noch in technisch hochwertigen Battlerap einbettete. Nach den Errungenschaften im Kollektiv mit DJ Dynamite und Tropf, konzentrierte sich der Hamburger dann vollends auf seine Karriere als Solokünstler und plante sein Debut, welches er als selbstbewußter Rapper natürlich nach sich selbst benannte. Doch trotz seiner herausragenden Skills, die ihrer Zeit voraus waren, musste sich Sam Semilia mit kritischen Tönen und den damals im Trend liegenden Ausverkauf-Vorwürfen auseinandersetzen: einigen Rapfans missfiel Samy’s ungezwungener Umgang mit den großen TV-Medien, sowie sein Wechsel zum Major Riesen EMI Music. Zudem unterhielt der Rapper zusätzlich Fehden mit dem seinerzeit noch erfolgreichen DJ Tomekk und mit der Juice, die sich in einem kritischen Artikel mit dem Wickeda MC anlegte. So kam es, dass zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des ersten Videos zu Samy Deluxe, dem Track ‚Hab Gehört‘, der Hamburger einen übermäßig talentierten, aber auch gleichzeitg umstrittenen MC darstellte, der sowohl durch seine Musik als auch durch sein Auftreten für positiven und negativen Gesprächsstoff sorgte. Das im Video eingeblendete VIVA Logo steht daher exemplarisch für einen erfolgreichen Rapper, der sich allerdings mit Sellout Vorwürfen herumplagen muss:

Azad derweil, war ebenfalls schon seit einigen Jahren aktiv, u.a. im Verbund mit D-Flame und den Producern A-Bomb und Combad als Asiatic Warriors. Während er sich lokal bereits einen Namen und ein gewisses Standing erarbeiten konnte, gelang es ihm jedoch erst 2000 zum ersten Male national für größere Aufmerksamkeit zu sorgen: mit seinem Video zu Napalm schaffte es der Frankfurter erstmals in die Sphären der damals noch lebendigen und weit reichenden Musiksender. Der Track bestach mit angriffslustigen und harten Ansagen und bot mit dem von Katja Kuhl inszenierten Musikvideo ein atmosphärisches und passendes Pendant zum Song. Erstmals veröffentlicht wurde Napalm auf dem 3P Label Sampler „Evolution/Revolution„.

Über Moses Pelham’s 3P Label erschien dann auch im Mai 2001 das Azad Debut „Leben“. Im Vorfeld sorgte der Nordweststädter mit seiner Vorab-Single ‚Gegen den Strom‘ für Aufruhr, in der er mit der „Mainstream-Szene“ abrechnete und einige Spitzen in Richtung Deichkind, DJ Thomilla oder MC Rene abgab. Dies geschah jedoch recht subtil, da Azad keine Namen nannte, sondern nur Samples der von ihn kritisierten Lieder einspielte oder die Liedtitel nannte:

Azad’s Abrechnung mit den von ihm betitelten Kommerz-Rappern beinhaltete auch einen Ausschnitt aus dem Dynamit Deluxe-Track ‚Ladies & Gentlemen‚, welcher wiederum als erste Singleauskopplung aus dem „Deluxe Soundsystem“ Album den Hamburgern zum überregionalen Durchbruch verhalf:

Hinschtlich der Ausverkaufsschelte seitens Azad, muss dabei bedacht werden, dass anno 2001 noch ganz andere Zeiten im Deutschrap herrschten: so waren die gängigen Musiksender rund um MTV und VIVA alles andere als beliebt beim rappenden Volke und viele Hip Hop-Puristen sahen in einer Zusammenarbeit mit den Mainstream-Medien einen Hochverrat an der Kultur. Während heutzutage wohl die große Mehrheit der rappenden Zunft sich bereitwillig auf Stefans Raab’s TV Total-Couch setzen würde um auf klischeebeladene Fragen des Moderators antworten zu dürfen, waren TV-Auftritte in der Popwelt damals noch ziemlich verpönt. Samy Deluxe gehörte hierbei zu den Ersten, die auf die traditionellen Deutschrap-Konventionen pfiffen, und lief lächelnd in die VIVA Interaktiv Show ein.

Weiterhin jedenfalls sah Samy Deluxe Azad’s Track als direkten Affront gegen sein Schaffen als Künstler und revanchierte sich mit einem an den Frankfurter adressierten Track namens Rache ist Süß:

Azad selber wiederum ließ keine Zeit verstreichen und antwortete kurze Zeit später mit seiner verbalen Attacke namens Samy De Bitch (7 Lektionen). Der Track fand sich sogar wenig später auf dem Azad-Debut „Leben“ wieder.

Anhand der beiden Tracks kann man die unterschiedlichen Rapstile und künstlerischen Herangehensweisen der beiden Hauptprotagonisten gut nachvollziehen und sieht auch, inwiefern sich die damaligen Rapentwürfe der beiden Rap-Brutstätten Hamburg und Frankfurt voneinander abgrenzten.

So versprüht Azad’s Werk in jedem Verse den typischen Sound der Main Metropole. Auf einem düsteren und aggressiven Brett verteilt der Bozz explizite und wütende Seitenhiebe in Richtung Samy Deluxe und wirft ihm nochmals vor kommerziellen Ausverkauf betrieben zu haben. Dabei stellt die gesamte Vortragsweise bedrohlichen und ernsthaften Battle Rap dar, der zu seiner Zeit noch unüblich war und auch deswegen so beeindruckend wirkte. Zu bemängeln gibt es, dass die Raps des Frankfurters damals noch teils schwer verständlich waren und auch der Flow noch an einigen Stellen etwas kantig wirkte. Technisch sollte Azad in den nächsten Jahren dann aber enorm aufholen.

Samy Deluxe dagegen bleibt den damaligen Hamburger Stil treu und geht etwas verspielter an die Sache heran. Dabei glänzt Samy wie gewohnt mit seinem runden Flow und originellen Vergleichen. Vielleicht wirkt er im Gegensatz zu Azad nicht ganz so angreifend, so dass seine lyrische Darbietung streckenweise ein wenig harmlos aber nichtdestotrotz siegessicher wirkt.

Wer denn nun das Battle der beiden Rapgrößen gewonnen hat, mag jeder für sich entscheiden: manche sehen den harten Beat und die kampfeslustige Vortragsweise Azad’s als passender an, während andere wiederum die Technik und Punchlines des Baus Of The Nauf vorziehen. Postiv zu werten ist jedenfalls, dass es sich bei dem Aufeinandertreffen der beiden Rapper um ein Hip Hop-Battle der alten Schule handelte. So wurden die Differenzen nur in Songform ausgetragen, wobei es aber nie unter die Gürtellinie ging und man stets das Gefühl hatte, dass es sich um einen sportlichen Wettkampf handelte.

Die Disstracks wirkten sich nicht negativ auf die Karrieren Samy‘s oder Azad’s aus . Das gelungene Samy Deluxe Album, stieg Ende April 2001 auf Rang 2 der Media Control Charts ein, sodass Sam seinen Ausnahmestatus als MC weiter ausbauen konnte. Azad’s „Leben“ erklomm Ende Mai 2001 dann Platz 46. Vielmehr als die Chartplatzierung bleibt bei seinem Erstling der Klassiker-Status in Erinnerung: die „Ein Mann Armee“ hat sein Solodebut komplett in Eigenregie geschrieben, die Beats produziert und Cuts eingefügt und ein in sich geschlossenes Meistwerk hervorgebracht.

Im Laufe der Zeit näherten sich die beiden Parteien immer mehr an und so verriet Azad bereits 2007 im Interview mit 16bars.de, dass die Fehde mit Samy längst ad acta gelegte wurde:

?So war es auch bei Samy. Ich hab mich halt gefragt, warum hab ich eigentlich noch nen Abtörner auf den? Es war ja immer nur ein künstlerisches Ding, er hat mir nie wirklich hart ans Bein gepisst. Und nach 5 Jahren fragt man sich auch, wieso ist man eigentlich abgetörnt aufeinander??

Anfang 2009 kam es dann sogar zu einer musikalischen Zusammenarbeit der beiden Könner auf dem Azad Street Album „Azphalt Inferno“ ‚Der Bozz & Der Baus‘.

2012 haben beide Rapper nichts von ihrer damaligen Relevanz verloren: so konnte Samy Deluxe im letzten Jahr mit seinem „Schwarz Weiss“ Album“ auf Platz 1 der Alben Charts einsteigen. Azad wiederum werkelt an dem Album „Nebel“ (ein Anagramm zu Leben) und hat bereits den langersehnten Nachfolger „Leben 2“ zu seinem Classic Debut angekündigt, der 2013 erscheinen soll.

Auch erkennt man, dass im Vergleich zu 2001 sich die jeweiligen Attitüden der beiden Hauptdarsteller verändert haben. So hat Azad in der Vergangenheit u.a. mit RTL kooperiert und den deutschen Titeltrack zur TV-Serie Prison Break beigesteuert und bringt nun den Nike EM-Song „Alle Mann“ heraus. Samy Deluxe dagegen ist mittlerweile fast ein wenig als Behüter der Hip Hop Kultur einzustufen, der neuen Strömungen teils recht kritsch gegenübersteht.

In Erinerung bleibt die Fehde zwischen Azad und Samy Deluxe also als sportlicher und friedlicher Austausch zweier rivalisierender MC’s, bei denen die musikalischen Fähigkeiten der beiden Hauptdarsteller im Mittelpunkt standen.