"Ekelhaftesten Geschichten": 3Plusss über Sexismus im Deutschrap

Triggerwarnung: Der nachfolgende Text befasst sich mit Sexismus und sexuellem Missbrauch. Wenn diese Themen negative Gefühle und Reaktionen bei dir hervorrufen könnten, sei bitte vorsichtig.

Im Sommer vergangenen Jahres fassten mehrere Frauen den Mut, mit ihren Sexismus-Erfahrungen und Schicksalen innerhalb der Deutschrap-Szene an die Öffentlichkeit zu gehen. Neben viel Zuspruch begegnete ihnen mindestens genauso viel Hass. Als Anlaufstelle für Betroffene und zur Aufklärung gründete sich im Zuge dessen außerdem die Organisation DeutschrapMeToo, welche kurze Zeit später bereits stark diskutiert wurde. Menschen innerhalb und außerhalb der Szene lehnten sie ab und verurteilten sie. Auf der anderen Seite solidarisierten sich neben Betroffenen auch viele Leute. Einer von ihnen ist 3Plusss, der sich im Rahmen unseres Formates „FINISHING LINES“ erneut dazu geäußert hat und nach wie vor die Frage stellt: „Wollen wir das jetzt so weitermachen?“

„Digga du hast wahrscheinlich einen Fehler gemacht, wahrscheinlich auch nicht nur den und wie du gerade damit umgehst, richtig richtig hässlich und eigentlich ist das ein Anlass, über the Bigger Picture zu reden“, erklärt der Rapper seinen kritischen Umgang mit einigen Themen auf Twitter. Nachdem die DeutschrapMeToo-Bewegung so stark angefeindet wurde, äußerte 3Plusss etwa, dass so etwas längst überfällig wäre, was die Gegner dieser Bewegung doppelt und dreifach bestätigen würden: „Find unerträglich, wie sich ernsthaft eine Opposition bildet, die unbedingt den Status Quo aufrecht erhalten will, den sie ihrer Schwester, ihrer Tochter, ihrer Mutter niemals wünschen würden.“

Auf die Frage, ob er solche Situationen selbst schon miterlebt habe, antwortet der Rapper: „Jeder, der schon mal ’nen Festival Sommer gespielt hat, schon mal ’ne Tour gespielt hat, schon mal mit größeren Artists, mit kleineren Artists rumgehangen hat, der wirklich mal so einen Eindruck bekommen hat aus verschiedenen Ecken, das passiert überall. Und wenn dir das nicht aufgefallen ist, dann bist du Teil des Problems. Dabei spricht 3Plusss auch sich selbst nicht davon frei. „Ich muss wirklich sagen, ich hab sowas persönlich nie erlebt, aber ich habe mich das ein oder andere Mal auf jeden Fall missverhalten gegenüber Frauen. Ich bin nicht körperlich geworden oder so […] aber ich habe bestimmt hässlich mit denen geredet“, gibt er zu. Er habe selbst lange nichts dazu gesagt, obwohl er, wie eigentlich alle Menschen innerhalb der HipHop-Szene, davon mitbekommen hat: Mir wurden Geschichten erzählt über Leute, die wir alle kennen, die quasi das Herzstück unserer Szene sind, auf die wir uns alle einigen können: Jeder hat diesen Leuten schon mal die Hand gegeben und ich hab‘ ekelhafteste Geschichten über die gehört. Einfach nebenbei beim Buffet.“ Stories, in denen einige Männer ihre situative Überlegenheit ausnutzen, „um sich irgendwie sexuelle Gefälligkeiten zu erschleichen.“

Dabei sei neben den Tätern auch genau das das Problem: „Ich glaube die Leute da draußen haben ein falsches Bild davon, dass es immer nur um die Täter geht. So: ‚Oh ja, das gibt’s diesen einen Täter und wenn wir den packen dann haben wir das Problem gelöst.‘ Es gibt Strukturen drumherum, die das ignorieren. Das sind nicht nur Männer, es gibt auch Frauen, die diese Leute decken, in Positionen, die eigentlich gar nichts mit diesem Verhalten zu tun haben. Es geht um Geld, es geht um Prestige, es geht auch darum, seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu halten. Wenn das rauskommt zum Beispiel, wenn darüber Menschen reden, dann bist du mit dran. Dann verlierst du nicht nur irgendwie dein Geld, dann verlierst du auch dein Ansehen, dann wollen Leute vielleicht nicht mehr mit dir arbeiten. Dann greift vielleicht Cancel Culture und Leute sagen: ‚Ganz ehrlich, du hast mit diesem Macker zehn Jahre gearbeitet und willst mir erzählen, du hast nie was mitbekommen? Wir suchen uns jemand anderes.‘ Da hängt ein riesen Rattenschwanz mit dran.“

3Plusss sieht die Schuld in der Deutschrap-Szene und auch bei sich selbst: „Ich hab jahrelang auch gedacht: ‚Man was hängt ihr denn in irgendwelchen Backstages rum und wundert euch dann, wenn die Rapper verkokste Arschlöscher sind.‘ So, natürlich sind das verkorkste Arschlöcher und natürlich wollen die nur mit euch schlafen. […] Und dann irgendwann gecheckt – das ist überhaupt gar nicht natürlich, sondern, das hast du einfach so verinnerlicht weil alle leben’s dir vor und du hast es nie in Frage gestellt und das ist super bequem für dich als weißer Mann da zu stehen und zu sagen: ‚Tja, wenn du hier im Backstage bist dann darfst du dich nicht wundern, wenn das und das passiert.‘ Dabei ist das einfach nicht so.“

Er ergänzt über seinen kritischen öffentlichen Umgang mit dem Thema: „Ich kann auch verstehen, wenn Leute das so als White Saviour-Scheiße wahrnehmen und das ist es wahrscheinlich auch ein bisschen.“ Dabei wirkt 3Plusss nicht wie jemand, der sich als etwas besseres, oder den „woken“ Mann präsentieren will. Er scheint reflektiert und ehrlich, während ihm anzumerken ist, dass ihm diese Veränderung innerhalb der Szene wirklich wichtig sei. Dennoch möchte er künftig eher Betroffenen eine Bühne bieten: „[Ich] wünsch‘ mir natürlich noch mehr Aufwind dadrauf. Vor allem auch ohne, dass Leute wie ich dazu permanent was sagen müssen, weil am Ende [postet irgendwer] einen Tweet von mir und dann reden alle über mich und warum ich diesen Tweet gemacht habe, aber nicht darüber, was in dem Tweet steht.“ Auch wenn letztendlich vor allem denen, die direkt von etwa Sexismus und sexuellem Missbrauch betroffen sind und waren, zugehört werden muss, ist jede unterstützende Stimme in so einer Bewegung essentiell, denn sie hilft zu verhindern, dass zukünftig weiterhin so viele Menschen mit solchen Erfahrungen leben müssen.

Das ganze „FINISHING LINES“ mit 3Plusss könnt ihr euch hier anschauen. Über Sexismus im Deutschrap redet er etwa ab Minute 22.

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