Von Sticheleien zu harten Beleidigungen: Deutschrap im Diss-Fieber

In den letzten Wochen kam auffällig viel neue Musik, in denen Rapper*innen mit ihren Kolleg*innen abrechneten. Dabei waren neben unterschwelligen und nur vermutbaren Disses auch ganz direkte Ansprachen und namentliche Erwähnungen zu hören. Einige Artists, darunter Shirin David, liefern Antworten an frühere Sticheleien, andere führen jahrelangen Beef fort. Spätestens seit Bushidos neuen Songs „Giftgrünes B“ oder dem letzte Woche erschienenen „H.M.P. 2“ mit Animus und Saad sowie Farid Bangs Album „X“ dreht sich Deutschrap vermehrt um Disses und Beef. Zwischen unterhaltsamen Seitenhieben finden sich immer wieder Aussagen, die für viele unter der Gürtellinie scheinen mögen. Doch können diese noch mit dem Fakt, dass es sich nunmal um HipHop dreht, entschuldigt werden?

Shirin David hat schon lange vor dem Release ihres Albums „Bitches Brauchen Rap“ darüber geredet, welche Artists gegen sie geschossen haben und eventuelle Reaktionen durchscheinen lassen: „Ich disse niemanden, der mir nicht ans Bein gepisst hat. Alles was ihr auf dem Album bekommt, sind Antworten“, so Shirin in einem YouTube Video vom April diesen Jahres. Genau die liefert sie auch, etwa auf dem gleichnamigen Song. Die Line: „Welcher Spinner sagt ich wär ein Tourist“, könnte eine direkte Anspielung auf die Line von Bushido’s Song „2003“ mit JURI sein, auf welchem er rappt: „Deutschraps Resident, ja, ich komm‘ mit JURI / Sag der Bitch Shirin David, sie ist nur ein Touri“. Den Song „NDA’s“ mit Shindy beendet die Rapperin außerdem mit folgendem Satz: „Und übrigens, Boy, ich bin nicht dein Bae“. Wahrscheinlich eine Ansage an Fler, welcher ihr damals seinen Song „Shirinbae“ widmete. Der Rapper reagierte wenig später in einer Instagram Story: „Sie hat mich damals um Support angebettelt wegen dem Shindy-Beef. Jetzt kommt sie mir auf nem Shindy-Song so. Sie wird bald merken, ob sie die Nerven für Streit mit mir hat.“ Eine Antwort in einem zukünftigen Song ist also nicht auszuschließen.

Ein wenig konkreter wird es mit Farid Bang: „Schluss mit Party-Tracks, denn jetzt ist Farid back / Ja, ich ficke jeden Rapper von A bis Z“ (Song: „AMERICAN DREAM“). Dass er nicht der Typ ist, der ein Blatt vor den Mund nimmt, hat er auf seinem Album „X“ erneut bewiesen. Schaut man sich die Lyrics der einzelnen Songs an, fallen in jedem mehrere Namen. Besonders häufig kommt MOK vor, mit welchem er schon länger Beef hat: „Rapp‘ nicht in hohem Deutsch, nein, ich bleibe Verbrecher / MOK verkauft bei Drogenschulden die eigene Schwester (Song: „TESTOSTERON“), ist nur einer von vielen Disses. Andere Namen, darunter Kalim in der Line „Es ist Judgement Day, du wirst anvisiert / Vorbei an Kalims Stirn, direkt in Kasimir“ (Song: „MOVEMENT“) überraschten Deutschrap-Fans. Farid Bang stellt später in einem Live-Stream klar: „Nicht jede[r] Name, den man nennt, ist ein Diss. […] Wenn ich einen Diss sage, dann heißt das: ‚Ich ficke dich.'“ Auch Rapper Monet wird mehr als einmal erwähnt: „Ich rappe: ‚Ich ficke Monet‚ und er schickt Flammen-Emoj“ (Song: „HINRUNDE“).

Bushido hat ebenfalls keine Scheu, seine Rap-Kolleg*innen direkt anzusprechen: „Großer AMG, Junge, ich hab‘ große Reifen / Samra lässt sich wie ein Hund durch seine Wohnung peitschen“ rappt er unter anderem in „Giftgrünes B“. In Folge dieser Line gab es eine hitzige Auseinandersetzung mit Samra-Signing Bojan, welcher in seiner Instagram-Story gegen Bushido zurückschoss: „Seit Neustem bist du ja mit dem SEK und gehst den schlauen Weg, ich glaub’ der passendere Titel wär’ das blaue B.“ Den Track „H.M.P. 2“ mit Animus und Saad kündigte Bushido im Vorhinein bereits als „Diss-Gewitter“ an. Nach dieser Aussage folgte direkt die nächste Auseinandersetzung, in diesem Fall mit Manuellsen, welcher den Rapper darum bat, Rooz, der zu dieser Zeit aufgrund seiner Corona-Erkrankung auf der Intensivstation lag, nicht zu erwähnen. Der Track erschien vor vier Tagen und mit ihm die Line: „Bleibe immer noch der, der dich fickt / Und ellaOne (Tabletten zur Notfallverhütung) benutzt jetzt Roozy als ihr Werbegesicht“. Animus schoss mit der Line „Ich ficke Shirins Mutter nur, damit sie einen Vater hat“ gegen die Rapperin und zielt damit auf Shirin David’s Vergangenheit ab, die sie in ihrem Track „Fliegst du mit“ thematisiert. Auch Fler aka Frank White wird sowohl von Saad: „Jetzt wird Baba Saad Frank White seine Karriere ficken / Ich hab‘ nicht ma‘ was gegen diesen Schwanz gehabt / Aber er macht immer weiter, denkt, er wäre anders krass“, sowie von Bushido: „Welchen Bastard jucken deine Punchlines? / Und wieso reimt sich Frank Weiß immer noch auf Angstschweiß?“, hart gedisst.

Dass diese Disses teilweise unter der Gürtellinie sind, vor allem wenn sie gegen Elternteile oder Außenstehende gehen, kann niemand anzweifeln. Allerdings reden wir von HipHop und wer jemanden beleidigt oder gegen jemanden schießt, muss mit dem Echo rechnen. Dass hierbei Verherrlichung oder ähnliches von gewalttätigen Übergriffen wir sexuellem Missbrauch ausgeschlossen sind, sollte jedem bewusst sein, denn es gibt Themen, unabhängig von politischer Korrektheit, über die man keine Witze macht. Auch die moralische Verwerflichkeit einiger Aussagen kann nicht mit dem Umstand, dass sie innerhalb eines Raptextes erscheinen, entschuldigt werden. Moral ist allerdings in der Regel auch nicht die Intention von Rapper*innen mit solchen Zeilen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Teil des deutschen HipHop-Kosmos im Zuge der letzten Releases auch weiterhin im Diss-Modus befinden wird. Ob die Artists, gegen die kürzlich geschossen wurde, darauf reagieren und in neuen Tracks antworten, wird sich zeigen.

[contentcards url=“https://www.16bars.de/newsartikel/286130/farid-bang-wenn-ich-einen-diss-sage-dann-heisst-das-ich-ficke-dich/“ target=“_blank“]