Zum Ende von Aggro Berlin

In den letzten Tagen und Wochen wurde bereits viel gemunkelt, doch nun ist es offiziell: Das Berliner Erfolgslabel Aggro Berlin ist endgültig Geschichte. Was zunächst als Aprilscherz anmutete, stellt nun für viele Aggro Jünger traurige Realität dar. Allerdings hatten sich die Auflösungserscheinungen bereits in den letzen Monaten gezeigt: Sido kokettierte öffentlich mit Wechselabsichten, Fler und B-Tight waren mit der Promoarbeit unzufrieden und Kitty Kat, einst als neue Wunderwaffe angekündigt, konnte auch bislang nur ein laues Lüftchen entfachen. Zudem sanken auch die Verkaufszahlen trotz Major Support: Fler’s „Fremd Im Eigenen Land“ verkaufte sich trotz unbestreitbarer Qualitäten schlechter als die vorherigen Werke und auch B-Tight’s letztes Solorelease blieb hinter den eigenen Erwartungen zurück. Weiterhin wird wohl die Ernüchterung groß gewesen sein, als man trotz geballter Künstlerpower im Dezember mit der Aggro Ansage 8 nur auf der 25 chartete.

Ob der zuletzt ausgetragene Beef mit Selfmade Records einen Anteil an der Auflösung hat, kann wohl ausgeschlossen werden. Vielmehr werden wohl die labelinternen Probleme rund um Fler’s Ausstieg einen essentiellen Charakter tragen. Der einst so loyale Aggro Berlin Künstler hatte seine Beziehung zu der Künstlerschmiede zuletzt erst auf das Business beschränkt und dann das Label komplett verlassen. Das Anbändeln mit dem früheren Aggro Künstler und jetzigem Erzfeind Bushido wird die Aggro Geschäftsführung wohl auch nicht gerade motiviert haben weiterzumachen.

Das einstige Vorzeige Independentlabel konnte stets polarisieren: sei es Sido’s Arschficksong, der von manchen feministischen Bündnissen als Aufruf zur Analvergewaltigung fehlinterpretiert wurde, B-Tight’s Negerkampagne oder Fler’s grenzwertige Speielereien rund um das Thema „Schwarz-Rot-Gold“. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass Aggro Berlin trotz aller Kritik die Deutschraplandschaft mit seinen Releases und Ideen wie kein zweites Label geprägt hat. Mit Sido und Bushido hat man zudem 2 Rapfiguren erschaffen, die schon längst den eigentlichen Rapkontetxt verlassen haben und mittlerweile in einem popkulturellen Zusammenhang betrachtet werden. Auch die kompromisslose Attitüde hinter Releases wie „Carlo, Cokxxx Nutten“ oder den „Aggro Ansagen“ war seinerzeit einzigartig für Deutschrap.

Zudem sollte auch erwähnt werden, das Aggro Berlin stets sehr professionell gearbeitet hat: während andere Indie Labels wohl davon ausgehen, dass der erwünschte Fame von ganz alleine eintritt, hat Aggro promotechnisch gesehen wohl die beste Arbeit abgeliefert und bewiesen, dass man nicht auf Majorhilfe angewiesen sein muss. Dieses Konzept wird derzeit von Selfmade Records erfolgreich weitergeführt, wobei man auch im Hause Selfmade die Idee mit den Images aufgegriffen hat und beispielsweise auf dem Cover zum „Chronik II“ Sampler die einzelnen Charaktere und ihre Images passend ins Bild rückt.

Fraglich bleibt, wie man den Deal mit Universal Music beurteilen soll: so wurde das Bündeln der gemeinsamen Kräfte als nächster logischer Schritt angesehen, doch der erwünschte Effekt blieb aus. Bis auf Sido konnte keiner der Aggro Künstler an alte Erfolge anknüpfen und auch die sonst so gelobte Promotionarbeit wurde trotz Majorverbindung nicht merklich besser, sondern vielmehr traten gerne mal bisher nicht gekannte Kommunikationsschwierigkeiten auf.

Wie es nun weitergeht, wird sich erst zeigen müssen. Anscheinend bleibt der „Aggro“ Slogan weiterhin bestehen und Aggro TV wird mit dem „Halte Die Fresse“ Konzept weitergeführt werden. Sido, B-Tight, Tony D und Kitty Kat werden wohl über Universal weiterreleasen. Vieleicht schaffen es auch die sonst so erbitterten Konkurrenten aus dem EGJ und dem Aggro Camp nun ihre Streitereien hinter sich zu lassen: Bushido’s Statement zum Aggro Berlin Ende jedenfalls wirkt schon einmal recht versöhnlich. Alles andere steht derzeit in den Sternen…

Das 16bars.de Team jedenfalls hat stets positive Erfahrungen mit Aggro Berlin und seinen Künstlern gesammelt, bedankt sich für die gute Zusammenarbeit und lässt an dieser Stelle verlauten: Aggro bleiben!

BY: BJ AN