Diebstahl oder Hommage: Wann wird das Sample zur Kopie?

Vor kurzem erschien mit „Keine Liebe“ ein Song von RIN und Bausa, bei dem die gesamte Hook aus dem Klassiker „Du trägst keine Liebe in dir“ der Band Echt übernommen wurde. Aber nicht nur die beiden bedienen sich bei ihren Songs an den Werken anderer KünstlerInnen. Auch Summer Cem, Luciano und Sinan-G brachten in letzter Zeit Tracks raus, die schon fast an Coverversionen der Originale grenzen. Was in Form von Samples schon immer Teil der Hip-Hop Kultur war, spitzt sich momentan im Deutschrap Game zu.

Natürlich gehört das Sample oft zum Grundbaustein eines Hip-Hop Tracks. Dabei werden auch nicht immer Passagen von der einen, unentdeckten Vinyl aus dem Regal eines Plattenladens an der Westcoast benutzt. Oft bedienen sich Rapper auch ganz pragmatisch an Teilen von Songs, die so schon einmal gut funktioniert haben. Das ist an sich auch kein Problem, die Frage ist nur, ab wann das Sample dabei zur Kopie wird?

Diese Frage beschäftigte auch eine der längsten Gerichtsverhandlungen in der Geschichte des Deutschraps. Im Fall Moses Pelham gegen die Band Kraftwerk hatte der Rapper eine Musiksequenz aus einem Kraftwerk Song für seinen eigenen Track gebraucht, und wurde daraufhin von der Band verklagt. Die Folge: Ein 20 Jahre andauernder Rechtstreit.

Mittlerweile bekam Pelham recht. Der EuGH, oberster Gerichtshof der Europäischen Union urteilte: Samplen ist erlaubt. Allerdings nur dann, wenn das gebrauchte Musikstück so abgeändert wurde, dass es beim Hören nicht mehr wiedererkennbar ist. Das ist bei keinem der eingangs erwähnten Songs von RIN und Bausa, Summer Cem oder Fler der Fall. Dennoch können auch solche Tracks als legitim sein. Jedoch nur dann, wenn sie als eine Hommage an das Original gewertet werden können.

Aber was ist überhaupt eine Hommage? Auf Wikipedia findet man dazu folgende Definition: „Eine Hommage […] ist ein öffentlicher Ehrenerweis, meist auf eine berühmte Persönlichkeit, der man sich verpflichtet fühlt. Oft stehen die Urheber einer Hommage selbst in der Öffentlichkeit.“

Eine Hommage ist also dann eine Hommage und keine Kopie, wenn sie sich als einen „öffentlichen Ehrenerweis“ darstellt. Das bedeutet, dass vor allem die Ebene der Darstellung nach außen hin zur Öffentlichkeit interessant wird. Wenn sich der Künstler bei seinem Produkt auf das Werk bezieht, das ihn inspiriert hat und so klar macht, dass sein Song auf einem anderen Song basiert.

Welche Songs dabei als Hommage und welche als Kopie gewertet werden können, ist sehr schwierig zu entscheiden. Dennoch: Mit dem Hintergrund der Definition einer Hommage und des darin erhaltenen „öffentlichen Ehrenverweises“ ist es wohl in Ordnung, wenn RIN und Bausa in ihrem Song „Keine Liebe“ Teile des Titels, die Hook und die Vocals vom Original übernehmen. Sie machen durch mehrere Anspielungen klar, dass sich ihr Track auf den gleichnamigen Song der Band Echt bezieht.

Etwas anders verhält es sich mit dem Song Mhm von Yung Hurn. Bei diesem wurden Flow, Vibe und Songkonzept eines anderen Tracks übernommen. Das geschieht jedoch subtil und ohne klar zumachen, dass sich Yung Hurn von einem anderen Song inspirieren lassen hat. Im Original heißt der Song „Ok“ und stammt von Smokepurpp. Das sich Yung Hurn hier bei Smokepurpp bedient hat, dürfte wohl den wenigsten unter euch bekannt sein. Das zeigt, dass es Yung Hurn mit dem öffentlichen Ehrenerweis für seine Inspiration hier nicht so genau genommen hat.

Der Grad zwischen Diebstahl und Hommage ist im Deutschrap, wie auch in jeder anderen Kunstform ein sehr schmaler. Was als „öffentlicher Ehrenerweis“ und was als Plagiat gewertet werden kann, liegt wohl am Ende immer im Auge des Betrachters. Macht ein Künstler klar, dass er sich mit seinem Song auf ein früheres Werk bezieht, kann man dies durchaus akzeptieren. In so einem Fall würde man (wohl) von einer Hommage sprechen. Ist das aber nicht der Fall, liegt es umso näher den Track als Kopie zu bezeichnen. Anderseits ist es auch unumstritten immer wieder ein schönes Gefühl, wenn man einen verloren geglaubten Song in einer Deutschrapversion wiederfindet.

Geschrieben von Jonas Weinmann

Hier haben wir euch noch ein paar Beispiele von „gecoverten“ Deutschrap Songs zusammengestellt: Was denkt ihr? Kopie oder Hommage?

Sinan-G – „Hinter Blauen Augen“

K.I.Z— „Hurensohn“

Summer Cem – „Summer Cem“

Bushido — „Sonnenbank Flavour“

Zugezogen Maskulin – „Füchse 2015“

Cro – „Easy“

Aktuelle Deutschraptracks findet ihr außerdem in unserer Playlist:

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