Trettmann - Alles andere als Standard

Etwas mehr als ein Jahr ist es her. Ein Künstler, der, so mögen einige denken, bereits die besten Hip-Hop Jahre hinter sich gelassen hat, veröffentlicht ein Album. Der Künstler steht irgendwo im Nichts und bringt mal mehr mal, mal weniger erfolgreiche Songs raus. Plötzlich erscheint die erste Singleauskopplung. Dann noch eine. Und noch eine. Wie eine Lawine überrollen diese Tracks alles und jeden und auf einmal gibt es keinen Ausweg mehr. Weder für die Hörer und die Fans, noch für den Künstler.

Aber von wem rede ich überhaupt?

Von niemand geringerem als Trettmann! Zusammen mit den dreien von KitschKrieg entsteht eine Platte, die alles andere in den Schatten stellt. Zwar sind die Verkaufszahlen nicht auf dem Level von Kollegah, Helene Fischer oder Andrea Berg, aber wie denn auch? Hinter KitschKrieg und Trettmann stehen keine Budgets, mit denen perfekt inszenierte PR-Aktionen gestartet werden (können). Hinter ihnen steht kein gigantisches Label, das aus dem Nichts plötzlich mit Platin ausgezeichnete 08/15-Rapper in die Sphären der Musikindustrie katapultiert. Hinter dem Team verbergen sich ehrliche Erfahrungen, unabdingbarer Fleiß und jede Menge Talent. Künstler aus allen möglichen Facetten des Deutschraps erkennen das und wollen Teil dessen werden und Trettmann begleiten – und das werden sie. Cro, Marteria, die Jungs von der 187 Straßenbande um Gzuz und Bonez MC und auch Megaloh standen alle mit ihm im Studio. Vor ein paar Jahren hätte das Niemand gedacht: „Gar nicht lange her, noch vor paar Jahr ́n / flogen wir noch unter dem Radar“. Aber das wohlbehütete Baby, das mit der Feder
Trettmanns geschaffen und in den Studios des KitschKrieg-Trios geboren wurde, ist kein normales Baby. Eine Art Million-Dollar-Baby, durch das alle auf diese Ausnahmekünstler von KitschKrieg und Trettmann aufmerksam werden. Vielleicht ist es auch sowas wie Benjamin Button: Man denkt, man habe alles gehört, man habe den Künstler, die Texte und die Message(s) verstanden, aber am Ende findet man sich plötzlich am Anfang wieder und freut sich, jede Erfahrung noch einmal „das erste Mal“ machen zu dürfen. Das Baby trägt den Namen…

#DIY

Nichts Besonderes mag man denken; eines von unzähligen Deutschrap-Alben, das Monat für Monat die spotify-Neuerscheinungen überflutet, den hungrigen Hörer füttert und dann irgendwo und irgendwann in den deutschen Charts auftaucht, bis man sich daran überfressen hat und einfach alles wieder auskotzen möchte. „#DIY“ ist anders. „#DIY“ ist wie eine Kombination von Omas und Mutters Essen. Irgendwas an dem Album lässt uns nicht genug davon bekommen. Eine Art Sucht überkommt den Hörer. Der mit der Sucht einhergegangene Impact auf die deutsche Rap-Kultur ist nicht mehr zu leugnen geschweige denn wegzudenken. „#DIY“ chartete in Deutschland zwar „nur“ auf Platz 17, was der Platte aber nicht die musikalische Qualität abspricht. Das könnte vielmehr unter anderem daran liegen, dass eben genau solche PR- und Marketing-Aktionen ausblieben, oder auch daran, dass in derselben Woche zwei der Deutschrap-Urgesteine und Deutschrap-Paten ein Kollaboalbum veröffentlicht haben: Savas & Sido konnten mit „Royal Bunker“ direkt die 1 erobern und ließen Capital Bra, Andrea Berg und Helene Fischer hinter sich.

Aber zurück zu Tretti und seinem Baby. Was ist denn überhaupt, neben diesem ins Ohr gehenden Klang mit überragenden Zeilen, das Besondere daran? Wie man am Titel des Albums erkennen kann, geht es um ein Do-it-yourself Produkt. Die Produktion verschlingt eben keine Hunderttausende Euros, die von einem großen Studio investiert werden. Eine effektive Produktion von Beats, auf denen Trettmann mit einer Leichtigkeit, wie man sie nur noch selten im deutschen Hip-Hop hört, die Hörer abholt und mit auf eine Reise nimmt. Eine Reise, bei der Trettmann der Reiseführer ist und die Hörer auf den Weg durch seine Gedanken und Erfahrungen mitnimmt. Das Ziel? Der Weg!

Ein Weg, auf dem man lachen, weinen und sich gleichzeitig wieder freuen möchte, bevor man das Leid am eigenen Körper fühlt. Gleich nach dem Ende des Ausflugs möchte man am liebsten direkt wieder die TrettmannReise buchen. Genau diese Gefühle sind das Beeindruckende an dem Album und die Antwort auf die Frage, was an der Platte besonders sei und was sie von all dem anderen „Deutschrap“ abhebt.

Die drei von KitschKrieg haben Großes geleistet. Durch diese Produktion und die Musik, die von Trettmann geprägt wurde und von der Trettmann geprägt wurde, konnten Künstler wie Bonez MC und RAF Camora diesen Hype nutzen und sind mit ihrer Arbeit auf einer Erfolgswelle geschwommen, die seinesgleichen sucht. Klar haben auch sie große Arbeit geleistet und wären vermutlich auch da angekommen, wo sie heute stehen, aber Trettmann hat einen bzw. seinen Teil dazu beigetragen, dass der durch Dancehall geprägte Hip-Hop in Deutschland funktioniert und angenommen wird. Rooz Lee hat Trettmann als „Hybrid“ bezeichnet; er könne alles. Von Rap zu RnB über Dancehall und Reggae. All das wird einem beim Hören von „#DIY“ geboten.

Trettmann schafft es beispielsweise, mit „New York“ eine Deutschrap-Ballade geschaffen zu haben, die „direkt auf ́nem Herzklopfen geschrieben“ scheint. Mit einer Ehrlichkeit, mit Gefühl für Sprache und Klänge erzeugt er Emotionen, wie kaum ein anderer deutscher Rapper. Er setzt dabei auf melodische Aspekte und weniger auf heftige Beats. Auf die muss man aber nicht verzichten, wenn man das Album hört: „Knöcheltief“ ist das beste Beispiel. Eine Melodie, ein Beat und auch Gzuz sind der Grund dafür, dass dieses Lied in den letzten Monaten in unzähligen Clubs und auf so einigen Partys für ausgelassene Stimmung gesorgt haben.

Diese angedeutete Vielfältigkeit macht dieses Baby zu etwas Großem. Etwas, das man nur verstehen kann, wenn man sich damit beschäftigt, dem Baby zuhört und sich von ihm erziehen lässt. Nicht andersherum! Aber was rede ich da?! „#DIY“ spricht mit so eindrucksvoller Klarheit das aus, was man nicht verstehen kann: Gefühle! Man muss es fühlen, um zu verstehen…

Geschrieben von Alexander Okken.

Weitere, aktuelle Tracks findet ihr in unserer Playlist:

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