„Ich bin Künstler, kein Politiker„. So, oder so ähnlich lautet oftmals die Antwort, wenn man Rapper in Interviews nach aktuell brisanten politischen Themen befragen möchte. Zu hoch scheint das Risiko, sich mit dem eigenen Halbwissen und der daraus resultierenden Argumentationsschwäche aufs Glatteis zu begeben. Ein Phänomen, dass nicht nur im Hip Hop zu Tage kommt. „Personen des öffentlichen“ Lebens halten sich all zu gerne bedeckt und hüten sich davor, zu viel zu sagen. Aber diese Woche wurde etwas gesagt.
Seit 2 Tagen diskutiert das Internet, genre- und berufsübergreifend, heftigst über die vom Tote Hosen-Sänger Campino während der Echo-Verleihung geäußerten Vorwürfe gegen Farid Bang und Kollegah, die mit ihrem Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ den Preis in der Kategorie „Hip Hop National“ abgeräumt haben.
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Zentrum der Debatte dabei die Themen Antsimetismus, Homophobie und Frauenverachtung. Ich verzichte an dieser Stelle darauf einzelne Textzeilen zu zitieren. Diskussionen darüber, was im Battlerap erlaubt ist und was nicht, sind fast so alt wie das Genre selbst. Während die Ausrede „Ist doch nur Battlerap“ lange Zeit mehr oder weniger funktioniert hat und zumindest szene-intern auf Verständnis gestoßen ist, spielt Hip Hop Musik im Jahre 2018, nicht zuletzt kommerziell, auf einer so großen Bühne, das im Grunde jeder seinen Senf dazu geben möchte. Auch die, die gar nicht wissen, wie die diese Kunstform funktioniert. Aber ist das überhaupt wichtig?
Einer, der sehr wohl versteht worum es dabei geht, hat zu dem ganzen Thema ein sehr interessantes und deutliches Statement abgegeben: Retrogott. Dabei kritisiert er vor Allem die „hirnlose Verteidigungshaltung“ mit der das eigene Genre vermeintlich beschützt wird und distanziert sich von einer Kunstfreiheit, die aus Themen wie die dem Holocaust Klamauk macht.
Anders sieht es Ex-Kinder des Zorns Künstler Separate, der die Diskussion um einzelne Textpassagen im Battle-Rap Kontext für überbewertet hält.
Im Interview mit dem Online-Magazin der Neon (Stern) vertritt Fler eine ähnliche Meinung. Darin sagt er:
„… aber es geht bei der allgemeinen Kritik dennoch nie um die Kunst. Es wird immer in einen ganz anderen Kontext gesetzt und verallgemeinert. Es ist gar kein Problem, dass über diese Farid-Line diskutiert wird, sondern wie die Diskussion ausartet. Auf einmal wird daraus eine Antisemitismus-Debatte…. Deutschrap hat kein Antisemitismusproblem. Das geht auch gar nicht, weil wir Multikulti sind.“
Bei so vielen Meinungen werden schnell Erinnerungen an die Debatte um die „Coolest Monkey in the Jungle“-Kampagne von H&M warm. Menschen, die etwas als „nicht so schlimm“ sehen, versuchen anderen Menschen, die sich durch etwas angegriffen fühlen zu erklären, dass man sich dadurch doch nicht angegriffen fühlen muss – und genau darin liegt das Problem. Ja, Kollegah und Farid provozieren, attackieren und treten das, was das durchschnittliche Echo-Publikum unter „gutem Geschmack“ versteht, mit Füßen. Dass das auf einem so großen medialen Level Diskussionen entfacht, ist nur logisch. Aber klar, Fler hat Durchaus Recht wenn er sagt, dass die Art wie darüber diskutiert – bzw. nicht diskutiert sondern geurteilt wird, problematisch ist.
Die Reaktionen auf einzelne Zeilen, aus denen jetzt eine Antisemtismus-Debatte geworden ist, gehen schnell ins Bodenlose. Miriam Davoudvandi, Chefredakteurin des Splash-Mags hat sich dazu ganz klug geäußert:
ist es auf diesem planeten eigentlich möglich, jemanden zu kritisieren, ohne ihn wiederum zu diskriminieren? der antisemitismus anderer ist kein freifahrtschein für eigenen rassismus liebe leude
— miriam davoudvandi (@labiledeutsche) 14. April 2018
Einige haben das offenbar überhaupt nicht verstanden. So meldete sich beispielsweise Dr. Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AFD im Bundestag zu Wort:
Um #FaridBang mit seinen eigenen Worten zu zitieren: Er ist nichts weiter als ein „Asozialer Marokkaner“, der unsere Werte verachtet und nicht in unser Land gehört! #ECHO2018 #EchoAwards2018 Mein Kommentar dazu: https://t.co/HoqFxhyZsn pic.twitter.com/KSEwWoQhi9
— Dr. Alice Weidel (@Alice_Weidel) 13. April 2018
Auch Außenminister Heiko Maas hat die Preisverleihung an Kollegah und Farid mit „Einfach widerwärtig“ und „beschämend“ kommentiert.
Antisemitische Provokationen haben keine Preise verdient, sie sind einfach widerwärtig. Dass am Holocaustgedenktag ein solcher Preis verliehen wird, ist beschämend. So wie #Campino müssen wir uns schützend vor jüdisches Leben stellen – jeden Tag und überall. #ECHO2018 https://t.co/OdSx9RjDW8
— Heiko Maas (@HeikoMaas) 13. April 2018
Amüsanter wird es, wenn man sich zu diesem Thema die Social Media-Bemühungen der Geissens zu Gemüte führt.
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Mit dem #wehavefun beendet Robert Geiss seine Hasstirade, die mit rechtspopulistischen Floskeln nur so um sich schießt. Die Gefahr des Brainstormings ist natürlich allgegenwärtig und definitiv etwas wo vor man unsere Kinder schützen sollte…
☝🏾🤯 Lasst euch nicht brainstormen #iloveitalie
— ALI AS (@AliAs_BM4G) 15. April 2018
Sicherlich gibt es im Deutschrap problematische Inhalte, die zur Diskussion gestellt werden sollten – und das mittlerweile auch auf großer Ebene. Zu wenige Künstler äußern sich klar zu politischen Themen oder distanzieren sich von fragwürdigen Inhalten. Auch Deutschrap-Medien wie wir, werden oftmals dafür kritisiert zu selten Stellung zu beziehen. Dass es dann erst einen Campino braucht, der mit dem ganzen reichlich wenig zu tun, ist natürlich schade. Stattdessen läge es eher an Künstlern und Medien der Szene, diese Themen aufzugreifen. Wir sehen die Debatte um Antisemitismus, Homophobie oder Frauenverachtung im Deutschrap grundsätzlich als wichtig und dringend notwendig an. Deutschrap war noch nie besonders gut darin eigene Fehler zu erkennen und Schwächen einzugestehen. Vielleicht sollte man mal damit anfangen, bevor mit Geissens, Campinos oder Außenministern diskutiert wird.