Review: Favorite - Anarcho

Anarcho
Anarcho

Nach einigen Verzögerungen hat Favorite nun sein zweites Soloalbum „Anarcho“ veröffentlicht. Dabei konnte der kontroverse Selfmade Rapper schon im Vorfeld der Albumveröffentlichung mal wieder mit einigen Aktionen die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen: so beleidigte er grundlos in dem Street Video ‚Anarcho Rap‘ den Berliner Rapper Taichi und auch der Juice Track ‚Antichrist Superstar‘ schockte mit einigen sehr expliziten Ansagen. Ob „Anarcho“ nun den immensen Hype um den jungen Essener gerecht wird oder nur auf Sparflamme kocht, wird sich nun zeigen.

Das Albumintro sowie der Opener ‚Fav Zeit‘ zeigen gleich zu Beginn, was den Zuhörern erwartet und stellen auf optimale Weise die Quintessenz des Anarcho Prinzips dar. Dieses lässt mit den Begriffen Wut, Wahnsinn, böser Humor und pure Aggression wohl am besten beschreiben. Favorite zeigt sich gleich zu Beginn hoch motiviert und überzeugt mit kampflustigen Ansagen auf technisch hohem Niveau. Dieser gute erste Eindruck wird im weiteren Verlaufe des Albums bestätigt, so dass den Zuhörern zahlreiche Highlights geboten werden. Auf ‚Wunderschöner Tag‘ zum Beispiel zeigt Favorite eine seiner stärksten Leistungen und fährt eine ganze Reihe an gelungenen Punchlines auf. Auch Featuregast Kool Savas zeigt sich bestens aufgelegt, kann aber aufgrund der wirklich hervorragenden Performance Favorites?s nicht ganz mithalten. Die Groupie Hymne ’30‘ stellt einen weiteren Kracher dar, der redaktionsintern bereits seit längerem gefeiert wird (mit der Ausnahme, dass unsere Redaktion ohne Groupies auskommen muss). Auf einem sehr guten Rizbo Beat widmen sich Favorite und Selfmade Partner Kollegah dem Thema Groupie Love und wissen dabei mit den passenden Lyrics sowie mit genialer Hook zu begeistern. Vor allem der selbsternannte Boss der Bosse brilliert wie gewohnt mit extrem hoher Punchlinedichte, unglaublichen Wortspielen und selbstbewussten Aussagen. Doch auch Fave steht seinem Labelkollegen in Sachen Wortspielereien in nichts nach und schildert sehr lebhaft wie er mit weiblichen Fans umgeht.

Inhaltlich wird wie bereits angesprochen vor allem auf Battletracks gesetzt, auf denen Favorite seine vielen Ideen und seine leicht kranke Fantasie ausleben kann. So hagelt es im Verlaufe des Albums Beleidigungen, und aggressive Ansagen, die mit jeder Menge überdrehtem Humor und der nötigen Portion Selbstironie abgerundet werden. Als gelungene Beispiele dafür können Tracks wie ‚Killapromo‘, ‚Selfmade G‘ oder ‚Organraub‘ herhalten. Dabei verzichtet der ansonsten sehr dissfreudige Rapper dieses Mal weitestgehend auf die namentliche Erwähnung seiner Rapkollegen. Neben Taichi wir nur MC Basstard mit einem kleinen Seitenhieb bedacht, und ob man in den Zeilen *“Ich fahr heut nach Hamburg hau so richtig auf die Kacke/Hau so richtig auf die Kacke drauf ich hau die Kacke tot,
die Kacke ist am Dampfen…“* einen versteckten Diss an Illo The Shit ausmachen kann, bleibt jedem selbst überlassen.

Zwar machen die härteren und verrückten Tracks den Hauptteil von „Anarcho“ aus, doch hat Favorite auch einige ernsthafte und persönliche Stücke für sein Zweitwerk aufgenommen. So stellt ‚Im Dreck‘ eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten dar, und kann durchaus als kämpferische Ansage an das bisherige Schicksal verstanden werden. Auch ‚Auszeit‘ beweist, dass der Selfmade Rapper sich nicht nur auf das Eliminieren anonymer Sparringspartner versteht, sondern durchaus ein Talent für ehrliche und unpeinliche Texte besitzt. Dabei verfällt er glücklicherweise nicht in die sonst so typischen Plattitüden, sondern schafft es den Zuhörer mit ausgereiften und spannenden Statements zu fesseln. Besonders beeindruckend gestaltet sich der Kontrast zwischen diesen ernsten und tiefsinnigen Passagen und dem ansonsten sehr abgedrehtem Humor des Selfmade Rappers: man bekommt den Eindruck, dass Favorite einen wahren Seelenstriptease auf Albumlänge hinlegt, wenn er in der einen Sekunde zum lyrischen Gemetzel aufruht und in der anderen um Selbstreflexion bemüht ist.

Anarcho“ profitiert hauptsächlich von Favorite?s überragender Leistung. Der ohnehin schon mit Skills gesegnete Rapper hat sich für sein neues Album nochmals technisch steigern können und präsentiert wahnwitzige Lyrics, die sich zwar oft weit unter der Gürtellinie ansiedeln, aber durch die originelle und unterhaltsame Präsentation einem immer wieder zum Schmunzeln bringen. Fav besticht auf beeindruckende Weise als pöbelnder, drogenabhängiger Badboy am Rande des Wahnsinns, der trotz seiner vielen angriffslustigen Zeilen charismatisch daherkommt und mit seinem Wortwitz begeistert. Neben seinen gelungenen und technisch ausgereiften Rapparts können auch die oftmals gesungenen Hooks des Selfmade Rappers überwiegend überzeugen. Zwar hat sich Favorite in dieser Hinsicht deutlich von 50 Cent und seinen genölten Chorussen beeinflussen lassen, doch muss man es ihm lassen, dass er ein gutes Gespür für Hooks hat, auch wenn sicherlich nicht alle diese Art von Refrains feiern werden. Neben der exzellenten Performance des selbsternannten Selfmade G?s können auch seine Gäste mit soliden Parts den positiven Eindruck unterstreichen: so ergänzen insbesondere die Parts von Shiml, Kollegah und Hollywood Hank die Lines des Hauptprotagonisten. Nicht zu vergessen sind auch die sehr genialen Skits, auf denen Rizbo, Slick One und Kollegah versuchen den völlig verplanten Fav ins Studio zu bewegen und sich über seinen extravaganten Musikgeschmack (Tony D und Jimmy Blue) wundern.

Die Soundkulisse geht überwiegend auf die Kappe von Selfmade Hausproduzent Rizbo. Dieser hat mal wieder ein paar richtig gute Instrumentals zur Verfügung gestellt, wobei es besonders löblich ist, dass die Produktionen allesamt sehr gut zu Favorite und seinen Texten passen und es jeweils schaffen entweder eine bedrohliche Atmosphäre herzustellen (‚Organraub‘)oder die kranken Einfälle des Rappers musikalisch zu unterstreichen. So stellen die Beats zu ‚Fav Zeit‘, ‚Selfmade G‘, ’30‘ oder ‚Organraub‘ allesamt amtliche Kracher dar. Auch die weiteren Produzenten wie Mauvais Garcon oder Chrizmatic steuern mehrheitlich solide Beats bei, so dass sich soundmäßig ein gutes Gesamtbild ergibt. Allerdings fallen dann doch einige Beats ein wenig durchschnittlich aus, so dass die wirklichen musikalischen Highlights ein bißchen rar gesät sind, obwohl sich das Soundbild insgedamt auf einem ansehnlichem Niveau befindet.

Allerdings lassen sich auf „Anarcho“ auch einige Schwächen ausmachen. Zwar ist es löblich, dass Favorite versucht hat möglichst viele Tracks für das Album bereitzustellen, doch haben sich auch ein paar Lückenfüller auf das Album geschlichen, die den hohen Standard der restlichen Songs nicht halten können. So ist ‚Auserwählt‘ eine doch sehr mediokre Angelegenheit: weder Beat noch das Feature von K.i.Z. Mitglied Nico wollen so recht überzeugen. Ebenso fällt die Vorabsingle ‚Anarcho Rap’im Vergleich zu den restlichen ein wenig schwächer aus. Auf ‚Ghettoboyz‘ zeigt dann Favorite, dass auch er schwächere Parts abgeben kann und verliert auf dem Track recht deutlich das labelinterne Kräftemessen mit seinem Featuregast Kollegah. Auch soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Soundteppich zwar insgesamt überwiegend gut ausfällt, aber sich auch ein paar recht beliebige Beats auf das Album geschmuggelt haben.

Alles in allem aber ist „Anarcho“ ein sehr gutes Album geworden, dass gegenüber seinem Vorgängerwerk „Harlekin“ eine nochmals deutliche Steigerung in allen relevanten Bereichen darstellt. Favorite agiert lyrisch sowie raptechnisch auf höchstem Niveau und schafft es mit seinen witzigen und schockierenden Einfällen die Zuhörer über die gesamte Albumlänge hinweg zu fesseln. Bis auf ein paar Schwächen stellt „Anarcho“ demnach die logische Weiterentwickung eines talentierten jungen Künstlers dar, von dem man in Zukunft noch einiges erwarten darf. Insgesamt also ein Album, dass sich jeder Rapfan zulegen sollte.

Bewertung: 4,5 von 6
Bewertung: 4,5 von 6

By: BJ AN