Review: Fler - Fremd Im Eigenen Land

Bereits im Vorfeld wurde viel über das neue Fler Album diskutiert, da zum Einen immer wieder neue Albumtitel in den Raum geworfen wurden ( „Kugelsicherer Jugendlicher“, „Weiße Wut“, „Das Weiße Album“) und zum Anderen der erste Aggro Berlin Release über den Major Universal auf den Plan stand. Nun ist Ende Januar Fler?s neuestes Werk unter den Namen „Fremd Im Eigenen Land“ erschienen, welcher auf die gleichnamige Single von Advanced Chemistry anspielt. Der Titel nimmt also die ?Deutsch-und ?stolz-drauf? Thematik des Erstlings „Neue Deutsche Welle“ wieder auf, da Fler?s zweites Album „Trendsetter“ sich schlechter als sein Debut verkauft hat. Hinsichtlich dieses Bekenntnisses zur deutschen Herkunft muss gesagt werden, dass man der Rückbesinnung Fler?s auf die germanischen Wurzeln kritisch gegenüber stehen kann und sollte. Zwar stammt der Hauptteil der Hörerschicht wohl nicht aus einem ähnlichen sozialen Umfeld wie der Berliner, der laut eigener Aussage in seinem Viertel als Deutscher in der Minderheit war, doch bedient sich der Rapper bei seiner Deutschtümelei zu sehr plakativen Phrasen und Symbolen, die über die üblichen Adler und Schwarz-Rot-Gold Klischees nicht hinausgehen. Somit wirken die Ausgüsse nationalen Bewusstseins zu bemüht provokativ und aufgrund des einfachen Vokabulars werden die Tracks halt oft vorschnell mit rechtem Gedankengut assoziiert. Zwar sollte jedem klar sein, dass Fler mitnichten ein Nazi ist, doch stehen einige seiner Aussagen weiterhin in einem etwas fragwürdigen Licht.

Allerdings wird aufgrund der vielen Diskussionen über Fler?s nationales Verständnis oftmals vergessen, dass der Aggro Berliner sich von der raptechnischen Seite her stetig verbessert hat und mit jedem Release in Sachen Flow und Reimtechnik enorme Fortschritte verbuchen konnte. Dieses Bemühen seitens Fler?s, der in Sachen Raptechnik zum Beispiel Samy Deluxe oder Kool Savas als Vorbilder nennt und mit diesen auch konkurrieren will, wird bei den ganzen Debatten um seine Person oftmals vergessen. Auch für sein neues Album hat Frank White eine weitere Steigerung seiner Rapskills angekündigt. Ob er dieses Versprechen erfüllen kann, wird sich nun zeigen.

Das erste Drittel des neuen Albums überrascht mit einer Fülle an Highlights. Schon der von Shuko produzierte Opener ‚Berlin‘ ist ein richtig guter Banger, der eine bedrohliche Atmosphäre transportiert und mit einen motivierten Fler glänzt. Auch die erste Single ‚Deutscha Badboy‘ ist, wenn man mal einige Deutschlines außer Acht lässt, ein überdurchschnittlich eingerappter Track, der beweist, das Fler mittlerweile mit den Besten mithalten kann. DJ Desue, der auch die erste Single produziert hat, stellt danach auf ‚Mein Jahr‘ einen weiteren sehr guten Beat zur Verfügung, der auch textlich ein Highlight darstellt: in den drei Strophen geht Fler jeweils auf drei verschiedene Phasen seines Lebens ein und beschreibt, was ihn alles missfällt („Ich bin es Leid?“). Abgerundet wird das Ganze durch eine passende Hook der No Angels Sängerin Nadja Benaissa. Als nächstes Highlight des Albums reiht sich der Song ‚Fler Vs. Frank White‘ ein, in dem Fler gegen sein alter ego Frank White zum lyrischen Battle antritt. Dabei rappt der Berliner in verschiedenen Stimmlagen um die beiden unterschiedlichen Charaktere zu betonen. Auch auf diesem Track liefert der Rapper eine mehr als gute Figur ab und kommt mit sehr guten und durchdachten Texten, die optimal auf die beiden Rapfiguren abgestimmt sind. Auch der Beat von Djorkaeff, der hier zum ersten Mal in Erscheinung tritt ist ein temporeiches, druckvolles und sehr gutes Instrumental. Lediglich den Gastauftritt von Ex MTV Moderator(?) Patrice als Ringrichter hätte man sich sparen können.’Alles Was Ich Brauch‘ komplettiert die Hitdichte des Albums und punktet mit einem ehrlichen Fler, der seinen Alkoholkonsum in den Mittelpunkt rückt. Zwar ist die Idee einer Liebeshymne für das Lieblingsberauschungsmittel nicht gerade neu, doch dafür ist diese hier fulminant in Szene gesetzt worden. Der phänomenale Beat von Djorkaeff sollte dabei auch erwähnt werden.

Nach diesem Ansturm an Highlights reihen sich im weiteren Verlaufe natürlich auch ein paar eher mittelmäßige Tracks ein und der sehr hohe Standard der ersten Tracks kann nicht ganz gehalten werden. So ist die Kollabo mit Sido namens ‚Chefsache‘ doch ein wenig beliebig ausgefallen. Da hätte die zweite Zusammenarbeit von Sido und Fler auf der Premium Edition von „Fremd Im Eigenen Land“ viel besser auf das reguläre Album gepasst. Auch fällt auf, dass Fler seinem Labelpartner Sido doch schon ein wenig Schneid abkauft, da der Maskenmann auf dem Song einen eher mäßigen Part hinlegt. Das von den Goofiesmackerz bereitgestellte ‚Warum Bist Du So‘ stellt eine Hommage an die Berliner B-Boy Legende Maxim dar und punktet mit ruhigem Beat und einem ehrlichen Text. Ob sich der Song jedoch als zweite Single eignet wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Auch ‚Mein Mädchen‘ mutet doch sehr kitschig an und wird aufgrund seiner sehr klischeehaften Texte bestimmt nicht bei jedem Anklang finden. Zudem kann Fler zwar auch mit einigen persönlichen Einblicken sowie ehrlichen Lines punkten, doch bedient er sich bei einigen Songs beim Fundus der typischen Rapklischees, was zum Beispiel bei ‚Ich Kann Dich Sehen‘ oder dem eben erwähnten ‚Mein Mädchen‘ auffällt.

Insgesamt überwiegen jedoch auch auf der zweiten Albumhälfte die guten Tracks. So ist ‚Ich Bin Deutscha‘ ein weiteres Highlight, auf dem Fler abermals zeigt, dass er mittlerweile mühelos verschiedene Flows auf eine Platte packen kann und sich, was die Reimtechnik angeht, sich vor der Rapelite nicht verstecken braucht. Auch der Beat von DJ Desue ist ein Kracher, so dass aus dem Lied ein wirklich guter Raptrack georden ist. Ebenso kann ‚Nacht Und Nebelaktion‘ mit düsterem Beat von Djorkaeff und einem weiteren starken Part Flers gefallen. Auf dem gelungenen ‚Wer Wir Sind‘ referieren Fler und MC Bogy über ihre bewegte und schwere Vergangenheit, wobei beide ordentliche und ehrliche Lines zum Besten geben. Somit findet man auch im weiteren Verlaufe einige ganz gute Tracks, wobei sich die Themenvielfalt gegen Ende hin etwas in Grenzen hält.

Wie bereits angedeutet ist die Soundkulisse des neuen Fler Albums größtenteils überragend ausgefallen. Dies hat der Aggroberliner vor allem Djorkaeff zu verdanken, der die meisten Tracks von „Fremd Im Eigenen Land“ produziert hat und mit seinem bombastischen und atmosphärischen Sound das Album am stärksten prägt. Auch die Beiträge von DJ Desue und Shuko sind mehr als gelungen. Alles in allem bietet Fler?s neuester Streich in musikalischer Hinsicht kaum Ausfälle und der Rapper beweist bei der Beatauswahl ein glückliches Händchen.

Wie bei den Aggro Berlin Releases üblich, stellt die Premium Edition von „Fremd Im Eigenen Land“ kein Sammelsurium an B Ware da, sondern ist vielmehr eine logische Weiterführung des Albumkonzeptes und kann mit einigen sehr starken Songs auftrumpfen. ‚Südberlin Maskulin‘ ist zum Beispiel ein wahres Brett, das von Fler und seinem neuen Partner Godsilla ordentlich auseinander genommen wird. Der Track steigert schon einmal die Vorfreude auf das im Mai erscheinende Kollaboalbum der beiden Berliner Rapper. Verantwortlich für den unglaublich druckvollen und pumpenden Beat von ‚Südberlin Maskulin‘ ist Ilan, bei dem man nur hoffen kann, dass er bald wieder verstärkt im Rapbereich tätig sein wird. Auch ‚Therapie'(mit Sido und Kool Savas Zitat), ‚Nutte Bounce‘, ‚Geld Oder Tot‘ oder ‚Alles Meins‘ stellen allesamt gute Tracks dar, die auch auf dem regulären Album zu den besseren Tracks gehören würden. Somit kann die Premium Edition nicht als Versuch seitens Aggro Berlin gewertet werden, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern ist in diesem Falle eine lohnenswerte Bereicherung zur eigentlichen Haupt-CD.

Fler hat mit „Fremd Im Eigenen Land“ sein bisher bestes Album an den Start gebracht. Der Berliner gibt über die gesamte Albumlänge eine weitestgehend gute Performance ab und zeigt sich im Vergleich zu früheren Releases nochmals stark verbessert, was die Qualitäten am Mic angeht. Zudem unterstreicht das sehr gute Soundbild den positiven Gesamteindruck der neuen Veröffentlichung aus dem Hause Aggro Berlin. Vor allem das erste Drittel des Albums überzeugt mit einem enormen Hitpotenzial. Zwar schleichen sich später auch einige mittelmäßige Stücke auf die Platte (‚Ghettodrama‘,’Mein Mädchen‘,’Chefsache‘)und Fler versteht sich eher auf aggressive Battletracks als auf gefühlvolle Tracks doch mindern diese Tatsachen die Stärken des Albums nur geringfügig. Vielmehr scheint der Rapper endgültig seinen Stil gefunden zu haben und muss sich hinsichtlich des Reimstils nicht mehr an amerikanischen Acts orientieren, wie dies auf etwas unangenehme Weise bei „Trendsetter“ geschehen ist. Als Kritikpunkt bleibt anzumerken, dass der Albumtitel auch nach Durchhören des Albums einen faden Beigeschmack hinterlässt, da dieser offensichtlich lediglich der Provokation dienen soll. Jedenfalls wurde sich auf dem Album mit der im Albumnamen angesprochenen Problematik nicht wirklich auseinandergesetzt. Fler hat eine solche Provokation auch eigentlich nicht nötig, da seine Fähigkeiten als MC ausreichen um auf solche Gimmicks zu verzichten. So kommt Fler seinem Vorbild Kool Savas mit „Fremd Im Eigenen Land“ schon sehr nahe und hat im Vergleich zu „Tot Oder Lebendig“ vielleicht sogar das konsequentere Album abgeliefert. Alles in Allem ist „Fremd Im Eigenen Land“ ein gutes Rapalbum geworden, welches Fler als stärksten Aggroberliner etabliert und im jungen Jahr 2008 zu den bisher besten Releases gezählt werden darf.

Bewertung: 4,5 von 6
Bewertung: 4,5 von 6

By: BJ AN