Durchgehört: Max Herre - Hallo Welt!

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„HipHop ist zurück“ – titelt Deutschlands größtes Printmedium im HipHop-Sektor in seiner neuesten Ausgabe. Das dazugehörige Cover ziert allerdings nicht Cro, Casper oder einer der vielen weiteren jungen Künstler, die dieses Jahr mit beeindruckenden Chartpositionen glänzen konnte, sondern Max Herre, den ehemalige Kopf von Freundeskreis, der legendären Stuttgarter Rap-Formation. Max veröffentlicht kommenden Freitag sein inzwischen drittes Solo-Album „Hallo Welt!“ und kehrt damit nach Ausflügen in die Singer/Songwriter-Ecke zu seinen HipHop-Wurzeln zurück. Wir haben vorab in das Album reingehört.

Das titelgebende Intro von „Hallo Welt!“ inszeniert vor einem souligem Backdrop die Rückkehr des vermeintlichen Heilsbringers, der 16 Jahre nach „A-N-N-A„seine Zeit gekommen“ sieht und sich ausmacht „Seelen zu bewegen“. Weiterhin drischt Max bedeutungsschwanger Phrasen wie, „Unser Weg ist uns nicht vorbestimmt“ und dass „gestern noch morgen heute war“. Ungefähr so etwas hatte man befürchtet.

Weiter geht es mit dem von Patrice und Fetsum gefeaturten „Aufruhr (Freedom Time)„, in dessen ersten Part sich Max den Frühlingsrevolutionen im Nahen Osten zuwendet, um das Ganze im weiteren Verlauf mit linksintellektuellen Gemeinplätzen zu verquicken und schließlich romantisch verbrämt mit der „Freedom Time“ eine neue Zeitrechnung auszurufen. Leider hat die musikalische Untermalung rein gar nichts revolutionäres anzubieten und so schunkelt sich „Aufruhr“ stattdessen mit einem nostalgischen Soul-Groove ohne Ecken und Kanten zur romantischen Revoluzzer-Pose. Gut gemeint, aber in dieser Form leider unbrauchbar.

Wenn einem bei „DuDuDu“ dann das nächste Gitarrenriff der Marke Soul-Standard entgegenklimpert, hat man eigentlich schon keine Lust mehr weiterzuhören. Auch die schmalzige Falsetto-Hook hätte man sich sparen können. Es ist einer der Momente der Platte, in dem man sich fragt, wieviel eine Instrumentisierung, die wie ein Abziehbild von einem Abziehbild klingt, tatsächlich mit ernstgemeinter Soul-Musik zu tun haben kann. Denn das was hier und beispielsweise auch auf „Jeder Tag Zuviel“ musikalisch geboten wird, haben Sharon Jones and the Dap-Kings oder auch Mark Ronson bereits Anfang bis Mitte der 2000er besser reproduziert. Das Ganze ist ist zwar technisch einwandfrei umgesetzt, aber einfach nicht besonders innovativ.

Zumindest schafft es Max auf „Jeder Tag zuviel“ seine Sozialkritik direkter an den Mann zu bringen, in dem er es vermeidet, alle Weltprobleme in eine Song zu packen, sondern stattdessen Einzelschicksale innerhalb des ungeliebten Systems für jeden nachvollziehbar zu beschreiben.

Die offizielle erste Single des Albums „Wolke 7„, die erst kürzlich in die Top Ten der deutschen Single-Charts einsteigen konnte, ist wohl der kreative Tiefpunkt des Albums. Das der Song casperesk klingt ist noch untertrieben. Max Herre, der nächstes Jahr seinen 40. Geburtstag feiern wird, rappt über diffuse Jugendgefühle, die aus dem Mund eines Mitte 20-Jährigen deutlich glaubhafter geklungen hätten. Philipp Poisels Einsatz in der Hook geht einfach überhaupt nicht.

Als man fast schon bereit ist „Hallo Welt!“ abzuschreiben, kommt mit „Solang“ ein Track, der Einen wieder hoffen lässt. Denn hier stimmt einiges: Die Hook ist super und passt perfekt zum Beat, dass Frankfurter Schule-Sample ist zwar etwas prätentiös, aber dennoch cool und während Max wieder vom „Wir“ im Großen und Ganzen schwadroniert, bringt Gast-MC Tua mit der Beschreibung seiner eigenen Entfremdung das Thema des Tracks greifbar auf den Punkt.

Was folgt ist das Gipfeltreffen zweier MC-Veteran, die zur Jahrtausendwende als die cr?me de la cr?me des deutschen Rap gefeiert wurden. Was davon übrig blieb ist, ist auf dem Samy Deluxe gefeaturten „Einstürzen Neubauen“ zu hören. Über einen Beat, der wie Pharoahe Monch vor 5 Jahren klingt, rappen die beiden gut situierten Gentleman, die den Rap immer wieder dann aus dem Kleiderschrank holen, wenn sie grad mal wieder Lust drauf haben, über Revolte. Das Ganze mit einer stimmlichen Energie, die einen nicht einmal dazu verleiten würde, wenige km/h über der Geschwindigkeitsbegrenzung zu fahren. Zahnlos.

Da ist es wirklich unheimlich erfrischend mit „Fühlt sich wie fliegen an“ den ersten Song des Albums präsentiert zu bekommen, der nicht so tut, als wäre er mehr als das, was er ist: ein tolles Stück Populär-Musik. Der Beat ist tanzbar und infektiös und Max zeigt hier endlich eine seiner wirklichen Stärken. Nämlich über bzw. zu einer Frau zu rappen/zu singen ohne das es kitschig oder aufgesetzt wirkt. Das kann er und schafft es damit erstmals auf der Platte hinter seinen Ansichten und Weltanschauungen als Person hervorzutreten. Die beiden Gäste Cro und Clueso liefern hier ebenfalls ab. „Fühlt sich wie fliegen an“ ist definitiv einer der Gewinner des Albums.

Und hochqualitativ geht es weiter: „1992“ ist gerade mal 1,5 Minuten lang, doch überzeugt durch die persönliche Note. Max flowt old-schoolig über einen Beat, der an die titelgebende Zeit angelehnt ist, und erzählt von seinen ersten Gehversuchen in der damaligen Stutgarter Szene. Etwas mehr von dieser Art selbstgelebter Geschichte hätte dem Album gut gestanden.

Mit „Vida“ legt Max eine wirklich wunderschöne Ode an seine Tochter nach. Max Hang zur Metaphorik ist in diesem äußerst persönlichen Rahmen vielleicht am Besten aufgehoben und Aloe Blacc veredelt mit seiner butterweichen Stimme die Hook. Da gibt es nichts auszusetzen – ebenfalls ein absoluter Höhepunkt.

Der sich anschließende „KAHEDI Dub“ krankt ein wenig an Max Bedürfnis hier intellektuelles Namedropping betreiben zu müssen: Bob Marley, Block Party, Doc Martens, Jean-Luc Goddard, Charles Bukowski, Ai Wei Wei – wir haben’s verstanden. Ansonsten ist „KAHEDI Dub“ okay, Marterias Gastpart auch.

Berlin – Tel Aviv“ fällt thematisch am weitesten aus dem inhaltlichen Rahmen von „Hallo Welt!„. In dem Song beschreibt Max die Flüchtlingsgeschichte eines jüdischen Mädchens, dass 1938 von Berlin nach Tel Aviv flieht. Die Thematik kommt unerwartet, die Umsetzung ist makellos. Das sanfte Instrumental und ein gefühlvoller Beitrag von Sophie Hunger, werden durch das Aufblitzen einer von Max Herres weiteren unbestrittenen Stärken komplettiert: komplexes Storytelling, das seine Wirkung nicht verfehlt.

Das sich anschließende „So wundervoll“ ist eine gelungene Neuauflage des Billy Preston-Klassikers „You Are So Beautiful„. Max Motivationslyrik wirkt hier im Zusammenspiel mit der eigenwilligen musikalische Untermalung ernst gemeint und aufbauend.

Auch bei „Nicht vorbei (bis es vorbei ist)“ wird ein Klassiker neu aufgegriffen. Eine Variation von Lenny KravitzIt Ain’t Over Til It’s Over“ bietet hier den musikalischen Hintergrund für Max Lyrics, die einem bereits von „DuDuDu“ bekannt sind, hier aber ungleich besser aufgehoben sind. Bedient man sich bei einem Hit dieser Größenordnung, kann allerdings auch nicht viel schiefgehen.

Letzter Track auf „Hallo Welt!“ ist der Track „Rap ist“ auf dem Nesola-Signing Megaloh die Ehre zuteil wird, die Platte mit seinem Vers zu beenden. Das macht er auch ganz ordentlich, was aber leider nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der Song insgesamt eher so mittel ist. Der Beat klingt stark von einigen Tracks des 2009 von Damon Dash veröffentlichten BlackRoc-Projekts beinflusst, nur leider nicht so fett und soulfull wie diese. Dass Max Herre in 2012 meint erklären zu müssen was „Rap ist„, ist einfach nur unnötig. Außerdem ist, „Ich mag nicht Jay oder Nas – ich mag beide“ so ziemlich die langweiligste Aussage, die ich mir in einem Rapsong vorstellen kann.

FAZIT:

Hallo Welt!“ ist eine durchwachsene Angelegenheit. Währende die Platte einige sehr gute, ehrliche Songs bereithält, die teilweise wirklich unter die Haut gehen, hat sie leider auch mehrere Momente, die entweder aufgesetzt oder einfach langweilig wirken. Max ist am Besten, wenn er persönliche Geschichten erzählt und am wenigsten erträglich, wenn der „Jesus von Benztown“ mit fast vierzig von der Weltrevolution schwärmt. Solch eine ebenso naive, wie plakative One-World-Romantik ist in der Musik eines Anfang zwanzigjährigen verzeihlich und bisweilen sogar charmant, bei einem Mann im besten Alter geht diese Formel nicht mehr auf.

Was nicht heißen soll, dass Max auf seine politischen Ansichten verzichten soll, nur scheint es effektiver, wie auch ästhetisch ansprechender die Sozialkritik auf clevere Art und Weise über persönliche Geschichten zu äußern, anstatt auf knapp 3 Minuten unterschiedlichste Weltprobleme auf der Meta-Ebene beleuchten zu wollen. Dafür ist weder das Format des Pop-Songs, noch das des Rap-Songs ausreichend geeignet.

Musikalisch wäre ein etwas weiteres Abrücken von den Inspirationsquellen bzw. eine gründlichere Neuinterpretation dieser wünschenswert gewesen. Die rein technische Umsetzung des Ganzen ist allerdings zum überwiegenden Teil einwandfrei.

Wer sich vor Release der Platte am kommenden Freitag bereits selbst ein Bild von „Hallo Welt!“ machen möchte, der kann bereits seit gestern auf Max Herres Facbook-Page in das Album reinhören.