Graefliche Ansichten ?Hallo, ist da jemand??

Letzte Woche wurde bereits das aktuelle Sommerloch behandelt und bis dato hat sich nicht viel getan. Deutschland schläft.

Die Festival-Saison ist vorbei und all die Künstler, die noch mehr oder weniger etwas verkaufen, bereiten Ihre Veröffentlichungen vor. Und da gibt es noch ein paar, die meinen, die Gunst der Stunde zu nutzen und veröffentlichen etwas – vorzugsweise ein Free-Download-Album.
Frei nach dem Motto: Back to the Roots ? Mal freiwillig, mal unfreiwillig.

Hallo, ist da jemand, der das hören wird?
Sicherlich ein paar, doch diese Releases gehen einfach unter. Zudem kann dies nie und nimmer zufriedenstellend sein, denn jeder Künstler möchte doch für seine Mühen einen angemessenen Lohn. Bei den wenigsten sind dem Release ein paar Auftritte angeschlossen und somit ist ein solches Projekt nicht ein einfacher, sondern gleich ein zweifacher Rückschritt.

Hallo, ist da jemand, der etwas tun will?
Anscheinend nicht. Firmen schließen oder veröffentlichen auf Grund stagnierender Verkaufszahlen und mangelnder Budgets selbst Free-Download-Projekte. Traut sich keiner mehr zu experimentieren und etwas auszuprobieren? Selbst mit einfachsten Mitteln lassen sich passende Werbestrategien oder Videos zaubern. Das Geheimnis ist nur: Gewusst wie!

Zudem wird immer pauschalisiert, dass alles sowieso wie wild gedownloaded wird. Mittlerweile werden sogar illegale Downloadzahlen statt der tatsächlichen Verkaufszahlen angegeben. Ich finde, dass D-Bo mit seinem Album ?Die Lüge der Freiheit? Mut bewiesen hat und dieser sich hoffentlich einigermaßen ausbezahlt hat. Er veröffentlichte sein Album regulär im Handel – inklusive eines Gutscheines für sein T-Shirt – und als kostenfreien Download auf seiner Homepage. Beiläufig wurde dazu animiert, bei Gefallen des Projektes etwas ?zu spenden?. Möglichkeiten gab es zuhauf: Von SMS über Banküberweisung bis hin zu Paypal.

Hallo, ist da jemand, der einfach einmal etwas cooles machen möchte?
Die letzten Jahre haben nicht gut getan. Die vermehrte Reduzierung auf Marketingstrategien und die öffentliche Glorifizierung der Verkaufszahlen hat die Sicht auf das eigentlich wichtige verschwimmen lassen: Gute Musik!

Bei Musik geht es darum, Emotionen auf radiofreundliche 03:30 Minuten zu bündeln, in denen sich der Konsument wiederfinden kann. Und statt Künstler ließe sich hierfür auch der Begriff Interpret sehr gut nutzen. Worin soll sich ein schulpflichtiges Kind wiederfinden, wenn sein Idol davon erzählt, das er mit 10.000 Euro in der Jogginghose und seiner 5.000 Euro Breitling-Uhr am Handgelenk über den Kuhdamm läuft?

Es geht aktuell im Hip Hop immer noch zu sehr um Selbstglorifizierung. Es fehlt das menschliche. Ich vermisse Emotionen. Und die Bestehen nicht darin, das ich mehrere Male höre, wie die Welt ?gefickt? und das ?Cash gemacht? wird.

Hallo, ist da jemand, der als Hip Hop-Fan so seine Probleme hat?
Die wenigsten können heute offen aussprechen, dass sie Deutsch-Rap-Hörer sind. Über die Jahre hinweg wurde das Bild von Hip Hop immer negativer gezeichnet. Lange vorbei, die Zeiten, als Samy Deluxe mit ?Weck mich auf? auch Nicht-Hip-Hop-Hörer angesprochen hat. Aggro Berlin hat im Endeffekt auch Nicht-Hip-Hop-Hörer angesprochen, leider trug diese Welle gleichzeitig zum heutigen ?standing? in der Gesellschaft bei.

Eine neue Ausgabe von Graefliche Ansichten folgt am Montag, den 31.08.2009, hier an gewohnter Stelle, auf 16bars.de.

Euer Dominik Graef