Review: JAW & Hollywood Hank - Menschenfeind

JAW & Hollywood Hank -  Menschenfeind
JAW & Hollywood Hank – Menschenfeind

Für das ?menschenverachtende? Kollabowerk „Menschenfeind“ von JAW und Hollywood Hank ist das gegenwärtige heile, schöne Sommerszenario ein völlig unpassender, doch gleichzeitig nahezu perfekter Hintergrund. Klingt sinnlos und paradox, ist aber so.

Doch erst mal zum offiziellen Teil: Erschienen ist das Album auf JAW?s Freiburger Label Weisse Scheisse und kann definitiv mit dem etwas abgelutschten Begriff einer echten „Untergrund-Produktion“ beschrieben werden. Und auch wenn die Herren Jotta und Hank für den aufmerksamen Verfolger der hiesigen Raplandschaft keine Unbekannten sein werden, kann von einem wirklichen „Hype“ und allgegenwärtiger Bekanntheit nicht gesprochen werden. Jedoch ist davon auszugehen, dass zu viel Menschentrubel und Rampenlicht den zwei selbst ernannten Menschenfeinden sowieso nicht passen würde- zumindest wenn man den Fehler begeht, ihre Texte ohne zynisch-ironisierende Perspektive komplett für bare Münze zu nehmen. Wer ohne einen Zugang zur Ausdrucksweise der Künstler bekommen zu wollen bereits nach der ersten geschmacklosen „Splatterline“ die Nase rümpft und die Moralkeule schwingt, dem sei vom Konsum dieses Releases auf jedem Fall abgeraten.

Was JAW und Hollywood Hank textlich auf dieser elf Track langen EP mit martialischer Unterstützung von Private Paul, Plasti, Adolph Gandhi, Rahzkroneprinz, Mach One und Favorite nämlich abliefern, ist ein böser, perfider Abgesang auf eine ?Kranke Welt?, die sich
in den lyrischen ?Psycho- Brutalo- Ergüssen? der dunklen Rapgemeinschaft zu spiegeln scheint. Aus der recht sicheren Position eines alles verachtenden, weltabgewandten Misanthrops, der durch das Fehlen jeglicher Werte und Tabus seine künstlerische Freiheit grenzenlos entfalten kann, schießen die zwei Hauptprotagonisten dabei auf alles und jeden, was ihnen so an verachtungswürdigen Menschen und Dingen im alltäglichen Wahnsinn
begegnet. Und da JAW und Hank beide ihr technisches Handwerk verstehen und durchaus überzeugende Fähigkeiten besitzen, wissen sie mich als nicht abgeneigten Hörer in erster Instanz auch durchaus zu entertainen.
So warten sie bereits auf dem Opener ?Der Clown in meiner Wohnung? mit gewohnt witzig böshaften Punchlines auf, die meine Mundwinkel das ein oder andere mal nach oben bewegen und ein freundliches Grinsen auf mein Gesicht zaubern. ?Gott hat Humor? und ?Menschenhass? schließen inhaltlich nahtlos daran an, deuten aber auch an, dass inhaltlich nicht mit Riesenüberraschungen zu rechnen ist. ?Der Obszönling? (Solotrack von Hank) ist dann der musikalische Höhepunkt für mich, was in erster Linie an dem soundtrack-artigen, atmosphärischen Sample liegt, das den perfekten Nährboden für die kranken, zynischen
Innenansichten des Zittauer Rappers bietet. Wirklich großes Kino, weil hier Beat und Text symbiotisch verschmelzen und eine eklig, stimulierende Stimmung kreieren, die Gänsehaut und Lacher gleichzeitig produziert.

Die Produktionen, die neben JAW himself von Beatgees, Vizirbeats, Freezing Beats und Adolph Gandhi beigesteuert wurden , sind sowieso eher zu loben. Minimalistisch, von organischen Drumloops getrieben und selten auf Harmonien bedacht stellen sie einen frischen Kontrapunkt zu sämtlichen bis ins letzte Detail ausproduzierten Hymnen einer etwaigen
deutschen Producer-Elite dar, die im Endeffekt sehr glatt gebügelt daherkommen und nicht selten wenig Eigenheit in sich bergen.
Und trotz solcher Pluspunkte- wirklich auf ganzer Länge überzeugen kann ?Menschenfeind? nicht. Was das zentrale Manko ist wird besonders im zweiten Teil der EP deutlich, wenn die bereits genannten Feauturegäste ins Geschehen eingreifen. Diese gliedern sich zwar problemlos in den Gesamtkontext ein, können das technische Niveau jedoch nur teilweise halten.

Das Hauptproblem liegt aber woanders: Inhaltlich kommen JAW, Hollywood Hank und Freunde einfach nicht richtig über ein oft ziemlich unstrukturiertes Dauerfeuer aus
Punchlines hinaus, das mal witzig, mal an der Trennlinie zur Geschmacklosigkeit, aber im letzten Schritt recht ?substanzlos? ist. Ein Track wie ?Hardcore? klingt ganz einfach danach,als hätte man gezielt nach einer ekligen, abstoßenden Hook gesucht, um sie dann lieb- und
zusammenhangslos zwischen die Parts zu klatschen. Nach ähnlichem Muster läuft es auf dem ?Sozialphobie Remix? mit Favorite ab. Schocken um zu schocken- mehr mal wieder nicht.
Da man solch inhaltsleeres Schocken als Selbstzweck innerhalb der deutschen Raplandschaft aber schon oft genug auf die Ohren gekriegt hat, wirkt dies auf Dauer wenig unterhaltsam. Denn leider führt das Stilmittel der kalkulierten Provokation und Grenzüberschreitung auch hier wieder zu nichts weiterem. Der ansatzweise vorhandene Bezug auf erwähnte ?Kranke Welt? wird nicht ausgebaut und die Frage nach dem Kern des vermeintlich vorhandenen
?Menschenhasses? höchstens gestreift.
Sicherlich muss das eine Kollabo- EP nicht unbedingt leisten und wahrscheinlich sind diese Erwartungen auch nicht zwangsläufig angebracht. Wahrscheinlich wird die hier bemängelte inhaltliche Eindimensionalität an anderer Stelle sogar als konsequentes Durchziehen einer für die Künstler typischen Antihaltung gefeiert werden. Und dennoch verbleiben JAW und Hollywood Hank mit diesem Release auf bereits ausgetretenen Pfaden und haben somit nicht
wirklich etwas neues geschaffen.
Was bleibt ist ein raptechnisch wie musikalisch ambitioniertes gutes Stück ?Auf-die Fresse-Rap?, was diesen Sommer noch in so machen sonnendurchtränkten Parks ein schönes Kontrastprogramm zur allgemein trübenden Sommereuphorie sein wird.

Bewertung: 3,5 von 6
Bewertung: 3,5 von 6