"Nachgefragt": Swiss über Punk-Rap, seine Band & "Schwarz Rot Braun" EP

Am 19. September veröffentlichte Swiss zusammen mit seiner Band Die Andern die EP „Schwarz Rot Braun“,
Mehrere Videos aus der EP sind bereits erschienen, zuletzt zum Track „Klatsche“.

Schon im letzten Jahr spielte er für das Mixtape „Wixxxtäpe #1“ einige Tracks zusammen mit der Band ein. Seit diesem Zeitpunkt lässt Swiss auch Elemente des Punks in seine Musik fließen.
Im Zuge dieser musikalischen Veränderung und des neuesten Outputs des Hamburgers in Form der EP „Schwarz Rot Braun“ sprachen wir mit Swiss für unser Format „Nachgefragt“ über seine persönliche und musikalische Entwicklung in den letzten Jahren, politische Ansichten, Veränderungen im Deutsch-Rap sowie über die Arbeit an seinen Projekten.


Deine EP „Schwarz Rot Braun“ erschien am 19. September. Dafür hast du dich erneut mit deiner Band „Die Andern“ zusammengetan. Wie habt ihr eigentlich zueinander gefunden?

Ehrlich gesagt haben wir uns zum ersten Mal zusammen getan (lacht). Ach ich hab mein Leben lang darauf gewartet, mit einer geilen Band laute Musik machen zu können und als sich die Möglichkeit geboten hat, hab ich sofort zugeschlagen und die Jungs festgemacht. Es ist einfach was ganz anderes, als auf irgendwelche Beats zu rappen. Wenn man einmal so Musik gemacht hat, will man nicht mehr zurück, das ist wie mit guten Drogen. Ich war ja schon 2013 mit meinem Live Drummer auf Tour und Stück für Stück hat er dann die Andern angeschleppt. Als wir ein paar Mal zusammen gejamt hatten, war klar, dass wir das zusammen machen wollen. Ich mochte die Jungs gleich. Die sind jung, haben Bock und sind einfach richtig fit!

Im Track „Klatsche“ auf deiner EP rappst du: „Ich hab nicht alle Tassen im Schrank/doch was ist schon dabei/Ich fühl mich so frei.“ Anderssein ist ja schon immer ein großes Thema für dich.

Auf jeden Fall. Ich hab schon im Kindergarten gemerkt, dass ich anders als die restlichen Kinder war. Das ist nicht unbedingt im positiven Sinne gemeint, das ist oft eher eine Last, ein Kreuz, das ich tragen muss. Ich hab einfach anders gefühlt als die, anders gedacht und mich anders verhalten. Ich war immer tierisch wütend und hab mich einsam gefühlt, auch wenn Leute um mich rum waren. Und ehrlich gesagt geht mir das auch heute noch so, ich hab Filme in meinem Kopf, die kaum einer nachvollziehen kann. Dass ich das in meiner Musik verarbeiten muss resultiert nur daraus, ich versuche nicht auf Teufel komm raus irgendetwas anders zu machen, um besonders exklusiv oder interessant zu sein.

Hast du dich mittlerweile damit abgefunden anders zu sein, bzw. stehst du in Anbetracht deiner persönlichen Entwicklung an einem Punkt wo du sagen würdest „Ich bin mit mir im Reinen“?

Ich hab mich damit abgefunden, ja. Aber ich würde nie behaupten, dass ich mit mir im reinen bin, ich bin derbe zerrissen. Was meine Musik angeht, war ich textlich schon immer mit mir im reinen, ich habe immer nur die Songs gemacht, von denen ich zu 100 % überzeugt war. Anders geht`s gar nicht bei mir, ich kann kein Album machen, nur um eines rausbringen zu können. Wenn ich einen Song machen wollte über einen Mann der es mit Leichen treibt, dann habe ich das gemacht. Mit der neuen Scheibe kann ich aber auch sagen, dass ich endlich vom Klang meiner Musik her auch im reinen mit mir bin. Es klingt genau so, wie ich es haben will. Die neuen Sachen sind brutal geworden und es ist so, als ob meine Stimme immer auf der Suche nach diesem Sound war und jetzt erst richtig zur Entfaltung kommt. ich bin total glücklich mit allem!

Als wie wichtig empfindest du es im Allgemeinen einen anderen Weg als die Masse zu gehen? Sollte jeder Mensch irgendwo ein Rebell sein?

Ich glaube schon, dass unserer Gesellschaft ein paar mehr Rebellen gut tun würden. Heutzutage sind alle angepasst. Vom Geschmack bis hin zur öffentlichen Wahrnehmung ist fast alles gleichgeschaltet. Die Leute wollen Geld, Erfolg, Sicherheit und denken, dass würde sie glücklich machen. Dabei geht es darum etwas zu riskieren, für seine Träume aufs Ganze zu gehen. Wenn du das tust, dann wirst du automatisch anecken. Das schlimme ist, dass viele gar keine eigenen Träume mehr haben, sondern nach Dingen streben, die sie eigentlich gar nicht haben wollen. Es braucht Rebellen, die den Menschen zeigen, dass es noch andere Träume gibt, für die es sich lohnt zu kämpfen!

Im Track „Vermisse Dich“ rappst du zusammen mit Ferris MC über das Vergessen des jugendlichen Spirits. Vermisst du deine Jugend? Hast du deine damaligen Träume verwirklichen können? Inwiefern war Ferris in diesem Zusammenhang ein geeigneter Feature-Partner?

Naja, Ferris ist für mich der Godfather of Punkrap. Er war der erste, der genau so fertig war, wie ich. Mit ihm konnte ich mich immer identifizieren, er war ein Rebell! Mit keinem anderen hätte ich diese Hymne auf die unbeschwerte Jugend gemacht. Und natürlich vermisse ich meine Jugend. Früher war alles so einfach, wir haben getan worauf wir Bock hatten. Ich hab keine Verpflichtungen gehabt, keine Zukunftsängste und keine Inkassos, die mir im Nacken hängen (Lacht). Ehrlich gesagt glaube ich, dass sich Träume im Laufe des Lebens transformieren. Als ich klein war lebten wir in recht beschaulichen Verhältnissen und es war mein größter Wunsch später Mal einen sicheren Job zu haben. Ich glaube ich wollte Architekt werden oder so (Lacht). Was für eine Scheisse! Naja und jetzt bin ich Musiker, nicht reich, aber ich kann davon erstmal über die Runden kommen. Ich bin stolz darauf, weil ich immer das gemacht habe, was ich wollte und mich nicht aus Angst für einen sicheren Weg entschieden habe. Swiss im Büro wär der größte Witz, ich kann nicht mal zwanzig Minuten ruhig sitzen.

Du stammst aus der Schweiz, deine Heimat ist Hamburg. Dort bist du im Schanzenviertel aufgewachsen. Die Punkszene (die dort damals fest verankert war) ist – auf den ersten Blick – sehr divergent zur Rapszene. Warum sind die beiden Szenen nicht so divergent, wie man zu denken glaubt. Kannst du beschreiben, wie es sich anfühlt diese nun vereinen zu können?

Ich finde sie nicht divergent. Punk lebt immer noch das, was Rap mal war. Punk ist wütend, laut, will die Obrigkeit nicht akzeptieren und kämpft für die Freiheit! Rap ist mittlerweile ein kleiner BWLer Treff geworden. Es geht um Verkaufszahlen, Geld und um Promopläne. Ich bitte dich, was hat das noch mit dem Rap zu tun, der früher wirklich was bewegen wollte? Der ist tot! Aber trotzdem liebe ich Rap immer noch. Ich weiß, was er zu erreichen imstande ist. Deswegen will ich beides verbinden, die verlorenen Geschwister zusammen bringen und Rap wieder an die Front holen.

Im Laufe deiner Karriere hast du dich extremer Symboliken bedient. Zum Einen lautete dein Künstlername früher „Swiss666″. Zum Anderen verwendest du einige provokante Symbole, beispielsweise ist der Buchstabe S in deinem Künstlerlogo der Schriftweise der Schutzstaffel angelehnt, das Anarchie A erscheint unter anderem auf Covern. Warum verwendest du diese extremen Symbole? Kannst du dich mit extremen Ideologien identifizieren oder ist deine Absicht damit zu provozieren?

Was sind für dich extreme Ideologien? Willst du wissen, ob ich nationalsozialistisches Gedankengut gutheiße? Natürlich nicht! Ich verachte es, wahrscheinlich mehr als irgendjemand anderes in der Hafenstadt. Ich finde auch nicht, dass man die Ideologien der satanistischen Bibel oder die der Anarchie mit dem Nationalsozialismus gleichsetzen kann. Grundsätzlich finde ich interessant was passiert, wenn man Symbole entwertet, sie in einen neuen Kontext stellt. Da passieren ganz komische Dinge bei den Betrachtern, viele wissen nicht wie sie reagieren sollen oder was das jetzt zu bedeuten hat. Da wird man auf einmal mit ganz viel Dummheit und Ignoranz konfrontiert. Im Kontext von Punk bedeutet diese Entwertung von Symbolik natürlich auch so viel wie: „Das was ihr sagt, was das zu bedeuten hat, hat für mich keinen Wert! Ich lass mir von euch nicht diktieren, was etwas zu bedeuten hat!“ In Bezug auf das alte Logo muss ich aber ehrlich zugeben, dass sich der Künstler hier lustigerweise null an der Schrift der Schutzstaffel orientieren wollte, die Leute es aber so verstanden haben.

Wie sieht deiner Meinung nach der typische Swiss-Fan aus und wie denkt er? Denkst du wenn du Musik machst darüber nach wer im Endeffekt dann in den Laden geht und deine CD kauft?

Es gibt keinen typischen Swiss-Fan. Swiss Fan bist du von innen, das hat was mit der Art zu tun, wie du fühlst, was deine Seele dir sagt. Dabei geht es nicht darum, was für Klamotten du trägst, ob du einen Job hast oder nicht. Swiss-Fans spüren glaube ich, dass in ihnen noch ein Punker wohnt, egal ob sie sonst einem angepassten Lebensstil folgen. Es geht darum, sich einen letzten Rest Fickfinger bewahrt zu haben und ich gebe ihnen den Soundtrack dazu. Ich habe noch nie einen Song gemacht und darüber nachgedacht, ob das meine Fans mögen oder nicht. Jeder Künstler bekommt die Fans, die er verdient. Und Leute, die Swiss hören haben Tiefgang, sie sind vielleicht sensibler als andere Menschen! Hoffe ich zumindest (Lacht)!

Woher stammen die Phrasen aus deinem Track „Schwarz, Rot, Braun“? Beispielsweise: „Der Mazda vom Nachbar, steht in meiner Einfahrt/ Zwei Zentimeter-Wo kommn wir da hin?“ oder „Wir kaufen deutsche Autos, nur denen können wir vertrauen“.

Das sind einfach typische Sprüche und Gedanken, wie sie nur von einem Klischee-Deutschen kommen können. Ich hab sie nicht irgendwo aufgeschnappt, sondern sie mir ausgedacht. Das zeigt wahrscheinlich, dass dieser Klischee-Deutsche auch in mir wohnt (Lacht).

Gab es ein Ereignis, das für dich ausschlaggebend war einen solchen Track zu machen?

Das Thema der deutschen Identitätsfrage hat eine lange Tradition bei mir. Ich habe schon 2005 einen Song zum Thema Deutschland herausgebracht, der übrigens auch ganz schön polarisiert hat. Ich finde überhöhten Nationalstolz einfach total kacke, ansonsten gab es keinen Anlass!

Wie empfindest du die neuen Vermarktungsstrategien vieler Rapper? Ansagen, Tracklisten gesplittet veröffentlichen, eigene YouTube Formate kreieren und ständig in sozialen Netzwerken präsent sein. Eine Notwendigkeit um auf dem Markt zu bestehen?

Wie gesagt, Deutschrapper sind mittlerweile kleine BWLer, so richtige Marketingschlaumeier. Ich würde mir wünschen, dass sich viele von denen mal wieder mehr mit ihrer Musik und weniger mit den Verkaufszahlen und Likes auf Facebook beschäftigen würden. Das Resultat wär mehr gute Musik und ich finde tatsächlich, dass die fehlt. Es gibt nicht sehr viele innovative Künstler in der Rapszene, obwohl sie so groß ist. Das finde ich bedenklich. Es hat ja auch immer mit dem eigenen Anspruch zu tun. Wenn du viele Platten verkaufen willst, machst du halt jede Scheisse um ans Ziel zu kommen. Aber das machen Prostituierte auch. Nichts gegen Prostituierte, ich habe sehr viele Bekannte, die anschaffen gehen. Wenn du aber Musik machen willst, die auch in hundert Jahren noch Menschen etwas bedeutet, weil sie so tief geht, dann beschäftigst du dich halt eher mit deiner Musik, als mit Promoplänen und Verkaufsstrategien. Ich mache deswegen Musik. Ich will einen Klacks hinterlassen, der die Menschen berührt und ihnen etwas gibt, das sie in ihr Herz lassen können.

Im Januar wird dein Album erscheinen. Was erwartet uns da? Du hast schon durchblicken lassen, dass du unter Zeitdruck stehst beim Texte schreiben. Bist du der Ansicht dennoch gute Werke verfasst zu haben? Welche Themen haben dich dabei besonders beschäftigt?

Ja der Zeitdruck war auf jeden Fall da, das nervt schon. Aber du siehst, auch ich kann mich nicht komplett den Prinzipien des Marktes entziehen. Normalerweise bin ich ein 1a Schreibblockade-Kandidat, aber diesmal ist es einfach geflossen. Ich habe wirklich die besten Songs meines Lebens geschrieben und es tat nicht mal weh (lacht). Ich glaube das liegt daran, dass ich ein paar wirklich harte Jahre hinter mir habe und so viel erzählen wollte und musste, um damit klarzukommen. Die Platte klingt noch brutaler als die EP, was damit zusammenhängt, dass Sleepwalker mittlerweile ein richtiger Punkrock-Mixer geworden ist. Du kannst unsere Platte locker mit einer „Rage Against the Machine“-Platte gegenhören – sie muss sich vom Sound her nicht verstecken. Heißen wird sie „Große Freiheit“, was übrigens auch mein Lieblingssong auf der Scheibe ist. Ich glaube es ist die perfekte Platte. Man hört sie und kann lachen, weinen, leiden und sich frei fühlen zugleich. Sie ist wie das pure Leben halt so ist!


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