Interview: Das Musikvideo-Jahr 2013 aus der Sicht von Mikis Fontagnier

Beschreibender Text für Surfer ohne Bilder

Auch im Jahr 2013 wurden die Deutschrap Fans mit einigen hochwertigen und originellen Musikvideos verwöhnt. Einer der bekanntesten Videoproduzenten ist Mikis Fontagnier, der mit seiner Medienagentur/Produktionsfirma Famefabrik bereits seit mehreren Jahren die Deutschrap Szene mit hervorragenden Musikvideos versorgt. Natürlich war Mikis auch in diesem Jahr mit seinen Produktionen präsent und hat in den letzten 12 Monaten Musikclips für u.a. Kay One, Capo und Said abgedreht. Wir sprachen mit Mikis über die Musikvideos im Jahr 2013, aktuelle Entwicklungen sowie über sein bisher wichtigstes Musikvideo.

16bars.de: Wie würdest du allgemein die Entwicklung von Deutschrap-Videos parallel zum ansteigenden Deutschrap-Hype in den letzten 2-3 Jahren beschreiben? Ist die Qualität der Videos angestiegen oder eher schlechter geworden?

Mikis Fontagnier: Ich denke, gerade durch die grossen digitalen Entwicklungen der letzten Jahre, ist der Zugang zur Mediengestaltung so viel einfacher geworden. Vor allem auch für junge, talentierte Filmemacher ergibt sich so die Möglichkeit, sich einfach eine DSLR zu schnappen und draussen ihr Talent unter Beweis zu stellen. Das ist nicht nur eine sehr schöne Entwicklung, sondern sorgt auch dafür, dass in den letzten Jahren viele schöne Deutschrap-Videos über unsere Bildschirme geflimmert sind. HipHop ist eben schon seit jeher eine Mitmach-Kultur! Mir scheint es schon fast so, als hätten wir durch den leichten Zugang ein zusätzliches Element dazu gewonnen. Ein Element, in dem man sein Talent und seine Kunst ausüben kann und gleichzeitig etwas zur Kultur beitragen kann. Eine Kultur, die sich ständig verformt und weiterentwickelt und so auch von uns Videomachern und Fotografen in ihrer jeweiligen Facette für die Ewigkeit festgehalten wird. Ich persönlich kann mir von meiner Kunst nicht mehr wünschen. HipHop ist heute: MCs, Breaker, DJs, Graffiti und Videokunst

Ist es für dich als Videoproduzent mit dem aktuellen Erfolg von Deutschrap denn allgemein einfacher geworden, genügend Aufträge an Land zu ziehen oder ist die Konkurrenz eher noch größer geworden?

Natürlich ist heutzutage die Konkurrenz grösser, weil es da draußen viele sehr gute Videoproduzenten gibt. die auch als 1-Mann-Armee hervorragend funktionieren: BUGI, Shaho Casado, MacDuke, Stevo Balboa, Justin und seine jungs von 16Bars oder die Weicker Jungs von Factory sind nur einige Beispiele dafür. Für mich als Regisseur mit eigener Produktionsfirma (famefabrik), der jetzt schon fast 10 jahre seine Kamera auf alles draufhält, was in dieser schöner Szene so vor sich geht, ist die Ausgangssituation natürlich eine andere. So mangelt es mir nicht an Aufträgen vor allem auch ausserhalb der HipHop Szene? und Konkurrenz belebt das Geschäft und lässt mich nur noch besser werden. Ich mag die Competition sehr und freu mich jedes mal, wenn ich ein gutes Video von einem anderen Videomacher sehe, dass ich dann wieder versuchen kann zu toppen. Leben heißt nunmal Entwicklung und nichts lässt dich besser voran kommen, als gute Konkurrenz. Auf geht’s Jungs: Wer hat Bock auf ein Cutter Battle?

Welche (Deutschrap) Musikvideos haben dir in diesem Jahr am Besten gefallen und warum?

Diese Mikis Fontagnier Streifen sind alle ziemlich geil.

Deine Straßenrap-Videos haben eine eigene, geschlossene 〞sthetik – Wie schwer ist es ein Straßenrap-Video zu drehen, dass sich aus der Masse der „Ich stelle mich in eine Hausruine und performe“-Videos heraushebt, bzw. was braucht es um das Ganze interessant zu gestalten? Wie bewegt man sich weg von Klischees?

Ich denke, es ist ganz wichtig auf Details zu achten: So etwas wie eine durchdachte Kameraführung, geplante Schnitte, ein vorher ausgedachtes Farbkonzept und das vermittelte Gefühl lässt deine Videos schon automatisch besser wirken, als die meisten anderen, die einfach schnell-schnell produziert sind. Das letzte was ich tue, ist eine alte Frau im Rewe zu filmen wenn der Rapper im Text „Mama kauft jetzt bei Rewe“ sagt. Das ist mir zu naheliegend, das hat für mich nicht mehr viel mit Kreativität zu tun. Lieber subtiler, ein bißchen mehr um die Ecke gedacht. Das ist wirkungsvoller!

Könntest du deine persönliche Lieblingsarbeit im Videobereich im Jahr 2013 nennen?

Ich mochte das „Mann im Spiegel„-Video von Haftbefehl sehr. Eine einfache, durchdachte Planfahrt, die einen fast nicht blinzeln lässt, weil sie einen so nah an Hafti Abi ranholt. Das perfekte Video für einen so deepen Track, aber meine absolute Lieblingsarbeit im Jahr 2013 war auf jeden Fall „Hennesy & Weed“ von Butch. Butch ist ein guter Freund von mir und wir haben uns ohne jedes Budget, nur mit ein bisschen Weed und einer Flasche Hennessy eine Nacht lang im Studio eingeschlossen und es geschafft ein Low-Budget Video zu produzieren, das teure Ami-Videos fast in nichts nachsteht und trotzdem seinen eigenen Style hat. Liebe für Butch!

Ist es im Jahr 2013 überhaupt noch möglich Musikvideos zu produzieren, die in irgendeiner Form revolutionär sind oder die Zuschauer wirklich zum Staunen bringen können?

Absolut Ja! Mit Sicherheit ist das heute schwieriger, weil die Menschen einfach soviel sehen und dadurch ihr Anspruch höher ist, aber solange dein eigener Anspruch nochmal höher ist als der deiner „Zuschauer“ wirst du es auch im Jahre 2013 immer wieder schaffen die Leute mit deinen Videos zum Staunen zu bringen!

Würdest du den Dreh zu einem Musikvideo ablehnen, weil du die Musik des betreffenden Künstlers nicht magst oder kann man sich so etwas im Jahr 2013 nicht leisten?

Auch hier: Absolut Ja! Und das muss noch nicht mal die Musik des jeweiligen Künstlers im Allgemeinen sein, dass kann auch nur der Song sein, für den das Video sein soll. Wenn der mir absolut nicht taugt und keinerlei Gefühl in mir auslöst, lehne ich das auch ab und ich bin sehr froh, dass ich es in den letzten Jahren in eine Position geschafft habe, aus der ich mir das auch erlauben kann. Aber auch ich bin käuflich. Leg mir genug Geld auf den Tisch und ich dreh sogar Helene Fischer. Helenschen, meld dich!

Was war dein bisher wichtigstes Musikvideo?

Das war definitiv Sidos „Hey Du„. Der Echo-Gewinn für das Beste Video hat uns danach so unglaublich viele Türen geöffnet, dass dieses Video wohl das Wichtigste für meine Karriere war.

Nach all den Jahren merkt man, wie jüngst am Beispiel Credibil zu sehen, dass du dich im Newcomer-Bereich gerne noch engagierst. Was fasziniert dich z.B. an Credibil? Wie wichtig ist deutscher Rap insgesamt noch für dich?

Ganz ehrlich: Ich LIEBE HipHop und damit auch den deutschen Rap und Credibil ist für mich wie ein Superheld in diesem Game! Bis heute ist dieser Junge genauso grosser Deutschrap-Fan, wie ich selbst auch, hat alles 10 Jahre lang von außen beobachtet und geradezu verschlungen. So konnte er sich die besten Eigenschaften der besten Rapper zusammensuchen und selbst zu dem Rapper werden, den er sich selbst immer gewünscht hat. Eine Mischung aus den grossen Worten von Curse, Kool Savas‚ Flow und Azads Attitüde gepaart mit dem erfinderischen Wortumgang der Straßenrapper von heute. Aber was es wirklich war, was mich dazu gebracht hat, Credibil von der ersten Stunde an zu unterstützen und zu fördern war sein Hunger! Noch NIE hab ich bei irgendeinem Menschen so einen schier unstillbaren Hunger erlebt, ansteckenden, alles-in-Brand-setzenden Hunger, der Beste zu werden. Das hat auch mir ganz neuen Hunger verliehen. Wenn ihr neues Feuer für eure Flamme braucht, unterhaltet euch mal eine Stunde mit diesem 19-jährigen Jungen und ihr fühlt euch wie neugeboren als Künstler! Oder zieht euch einfach sein „Deutsches Demotape“ herunter und lasst euch von seinem Hunger anstecken! #kingcredibil

Gibt es einen Deutschrapper, mit dem du noch gerne mal zusammenarbeiten würdest?

Ja, Curse! Mike muss zurück ans Mic und dann vor meine Cam! ich kann nicht sterben bevor ich nicht ein Curse Video gemacht hab!