"Du bist cool in deiner Straße, ich bin King in 20 Ländern": der Kult um "Carlo Cokxxx Nutten"

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Bushido ist dieser Tage gleich aufgrund zweier verschiedener Thematiken in den Medien präsent: so darf er sich zum einen mit dem medialen und rechtlichen Echo auf „Stress ohne Grund“ auseinandersetzten. Zum anderen hat er es ohne großes eigenes Zutun geschafft, dass sowohl Rapper, Medien als auch Fans über einen möglichen dritten Teil der „Carlo Cokxxx Nutten“ Reihe sowie eine etwaige Besetzung philosophieren. Nachdem lange Zeit der Name Eko Fresh im Raume stand, hat dieser mehr oder weniger deutlich zu erkennen gegeben, dass er nicht am nächsten „CCN“ Projekt beteiligt sein wird. Momentan tippen daher einige Leute, dass Bushido und Haftbefehl den dritten Teil der Gangsta Rap Reihe bestreiten können. Erst kürzlich konnte man die Beiden auf dem Shindy Track „Stress mit Grund“ erstmals gemeinsam hören und nach einem kryptischen Haftbefehl Tweet…

…sind sich Fans nun sicher, dass Haftbefehl als Tag Team Partner auf „Carlo Cokxxx Nutten 3“ zu hören sein wird. Solange aber keine offizielle Ankündigung erfolgt ist, bleiben die vielen Interpretations- und Enthüllungsversuche reine Spekulation.

Woher aber stammt das enorme Interesse an einem ominösen dritten Teil von „CCN“? Warum hat dieser Name auch noch für Fler im Jahr 2013 einen so hohen Stellenwert? Immerhin liegt doch der erste Teil des Kollabowerks schon über zehn Jahre zurück. Wir versuchen ein wenig über das Phänomen „Carlo Cokxxx Nutten“ aufzuklären und schauen uns einmal die ersten drei bzw. zwei Teile etwas genauer an.


„Ihr habt alle reiche Eltern und sagt Deutschland hat kein Ghetto“

2002 veröffentlichte das noch junge Independent Label Aggro Berlin ein gemeinsames Album der damals noch weitestgehend unbekannten Rapper Bushido & Fler. Bushido war zuvor bei I Luv Money Records aktiv, ehe er 2001 beim neugegründeten Aggro Berlin unterschrieb und zusammen mit sido & B-Tight den Künstlerstamm des Labels bildete. Sein Jugendfreund Fler war zwar bereits auf der ersten „Aggro Ansage“ mit einem Gastauftritt vertreten, sollte jedoch erst 2003 bei dem Label als Künstler signen. Die beiden hungrigen Berliner tauften ihr aufgenommenes Album auf den markanten Namen „Carlo Cokxxx Nutten“ und bereits der programmatische Titel unterstrich die inhaltliche Ausrichtung des Longplayers: Bushido & Fler berichteten unzensiert und ungefiltert aus den düsteren Gegenden der Republik und präsentierten der Hörerschaft somit einen für Deutschrap völlig neuen Ansatz. Statt der unterhaltsamen aber auch relativ harmlosen Lyrik des bislang bekannten und bewährten Mittelschicht Raps, standen plötzlich zwei Typen in der Tür, die offen und aggressiv über Drogen, Gewalt, Kriminalität und Lederjacken rappten und Deutschrap um eine neue bis dato nicht stattfindende Komponente bereicherten. Natürlich gab es auch schon vorher Straßenrap aus den Staaten oder aus Frankreich und auch Azad’s Musik lehnte sich am Straßenrap an, aber Bushido & Fler rappten nochmals eine Spur kompromissloser und kokettierten -Authentizitätsdebatten mal beiseite geschoben- freimütig mit dem Gangstertum und einer möglichst rebellischen Attitüde. Passend zu den drastischen Texten über die Unterwelt, legten sich die beiden Berliner für ihr gemeinsames Projekt zudem extra Pseudonyme zu und gaben sich Namen aus der Mafiawelt. Bushido wurde zu Sonny Black (bekannt aus dem Film Donnie Brasco) und Fler nannte sich (in Anlehnung an den Film „King Of New York“) Frank White. Zwar bedienten sich die Beiden im weiteren Verlaufe des Albums hinsichtlich ihrer Milieu Beschreibungen insgesamt einer recht einfach gehaltenen Wortwahl und setzten auch im Jahr 2002 raptechnisch gesehen auf teils sehr simple Reime, doch trotzdem erzeugten die Parts vielleicht auch wegen ihrer Einfachheit einen noch durchschlagenderen Effekt beim Hörer:

Neben den expliziten und atmosphärisch dichten Texten über Toys, Spasten, Gangster und Nutten, konnte vor allem der stimmungsvolle Klangteppich überzeugen: Bushido selber produzierte die Instrumentals auf dem wegweisenden Longplayer und setzte auf Streichersamples, die die düsteren Erzählungen der beiden Hauptptotagonisten perfekt untermalten. Bushido hatte somit nicht nur als Rapper, sondern auch als Producer in dieser Zeit eine bestimmte Sound Vision vor Augen und konnte dieses düstere Klangbild auch erfolgreich umsetzten. Die vielen Cuts mit ihren Reminiszenzen an Mobb Deep sorgten ebenfalls für Freude und beweisen, dass der Colucci Pullover Träger Bushido auch eine klassische Hip Hop Sozialisation genossen hat.

Die Auswirkungen des ersten „CCN“ Teils auf die restliche Deutschrapszene waren immens und das Album kann ruhigen Gewissens als unangepasste Blaupause für deutschen Gangsta Rap bezeichnet werden. Das Kollabowerk diente als Grundstein für zahlreiche Gangsta Rap Alben und kommende Straßenrapper dürften wohl alle mal mit „CCN“ in Berührung gekommen sein. Bushido setzte ein paar Monate seinen Straßenrap Entwurf auf seinem Album „Vom Bordstein bis zur Skyline“ konsequent fort und lieferte mit seinem Aggro Berlin Solodebut einen unterschätzten Klassiker ab. Auch Fler erntete erstes Lob für seine Parts auf „CCN“ und konnte sich somit später einen Deal bei Aggro Berlin sichern. Folglich ebnete „Carlo Cokxxx Nutten“ sowohl Bushido und Fler den Weg für ihre Solokarrieren und beeinflusste zudem eine Vielzahl von Raphörern und Rappern in ihrer musikalischen Sozialisation. Auch wenn damals die drastischen Texte der beiden Berliner sowie das insgesamte Auftauchen Aggro Berlin’s von einigen Kritikern als Untergang des Abendlandes proklamiert wurde, stellt „Carlo Cokxxx Nutten“ einen unbestreitbaren Klassiker dar, der die umstrittene 〞ra des Street-und Gangsta Rap’s in Deutschland eingeläutet hat.

„Carlo Cokxxx Nutten 2, Fickdeinemutterslang“

2005 war Bushido inzwischen beim Major Universal unter Vertrag und nach seinem sehr erfolgreichen 2004’er Album „Electro Ghetto“ gehörte Sonny Black nun zur Speerspitze deutscher Rapmusik. Zwar sollte einige Monate später mit „Staatsfeind Nr.1“ ein weiteres Bushido Soloalbum folgen, doch zuvor entschloss sich Bushido mit seinem neuen Zögling Baba Saad, der bereits auf „Electro Ghetto“ zu hören war, „Carlo Cokxxx Nutten“ weiterzuführen. Es folgte im April 2005 also „Carlo Cokxxx Nutten II“ und ein weiteres Mal wurden Weicheier verhauen, reihenweise Mütter beleidigt und fleißig Drogen getickt. Baba Saad reihte sich mühelos in den harten Grundtenor des Vorgängers ein und schmiss gutgelaunt mit wüsten Beschimpfungen um sich. Während Fler im ersten Teil noch gegen Eko Fresh austeilen durfte (seine Zeile „Ob Deutscher oder Ekrem, ich rappe bis sie wegrenn“ wurde später an den Anfang von Eko’s „Die Abrechnung“ gesetzt), musste nun er als Zielscheibe hinhalten und wurde auf dem Release von Saad verbal attackiert.

Bushido selber fungierte auch im zweiten „CCN“ Teil als musikalischer Kopf des Projekts und zeigt sich (vom Intro abgesehen) für die Instrumentals auf dem Album verantwortlich. Wie bereits beim Vorgänger schaffte er es dabei eine sehr düstere aber auch grandiose Soundkulisse zu kreieren, die optimal mit den lyrischen Unflätigkeiten der Beiden harmoniert. Ein Beispiel für die gute musikalische Arbeit liefert die etwas freundlichere Single „Nie ein Rapper“ ab, die zwar nicht ganz so knüppelhart daherkommt wie das restliche Album, aber trotzdem stilsicher den rauen Sound der Straße einfängt:

Auch „Carlo Cokxxx Nutten II“ hatte seinerzeit durchaus einen großen Impact auf die Rapszene. So hat Kollegah beispielsweise gesagt, dass er ein großer Fan des zweiten Teils mit Baba Saad ist. Die spätere „JBG“ Reihe dürfte auch zumindest teilweise nach dem populären „CCN“ Vorbild“ konzipiert worden sein, was die Härte und Kompromisslosigkeit der Texte anbelangt. Zudem genoss der zweite Teil den Vorteil, dass Bushido zu diesem Zeitpunkt bereits seinen kommerziellen Durchbruch geschafft hatte und alle Augen auf ihn gerichtet waren. Auf diese Weise war das Interesse an dem eigentlich wenig kommerziell ausgerichteten Release gewaltig und vielleicht sorgte gerade die düstere Gangsta Metaphorik dafür dass „CCN II“ auf Platz 3 der deutschen Albencharts einsteigen konnte.

„Ich rappe zu Gangsta“

Als es Anfang 2009 mit Aggro Berlin langsam aber sich zu Ende ging, fanden die alten Freunde Fler und Bushido nach Jahren der Disstracks und sonstigen Sticheleien wieder zueinander. Im Zuge der Versöhnung nahmen die Beiden auch neue Musik auf und führten erwartungemäß ihre begonnene „CCN“ Reihe weiter. Ǔberraschenderweise wurde das Album aber nicht auf „Carlo Cokxxx Nutten 3“ getauft, sondern erschien unter dem Titel „Carlo Cokxxx Nutten 2“. Somit schloss dieser Teil direkt an das 2002er Album an und klammerte auf diese Weise den Teil mit Baba Saad aus der „CCN“ Historie aus.

Inhatlich und musikalisch wurde hier an alte und bewährte Stärken der Vorgänger angeknüpft: es wird immer noch gepöbelt, Bushido sorgt für die passenden Instrumentals und in guter, alter Tradtion gibt es auch einige Cuts zu hören. Zudem setzte der neue Teil im Vergleich zu den früheren „CCN“ Werken auch ein wenig mehr auf ernstere und persöonliche Tracks wie „Zukunft Pt.II“, „Ich wollte eigentlich nur rappen“ oder „Highlife“. Doch trotz einiger guter Songs, die qualitativ den älteren „CCN“ Tracks in nichts nachstehen („Reloaded“, „Carlo Cokxxx Flashback“ oder eben „Zukunft Pt.II“) sowie inzwischen verbesserter Raptechnik, hatte die neue Bushido & Fler Kollabo nicht mehr den Impact, den die beiden vorherigen „CCN“ Alben noch verbuchen konnten. Der sehr roughe Unterground Charme der beiden Vorgänger war in der Zwischenzeit verloren gegangen und trotz aller Bemühungen ein hartes Album auf die Beine zu stellen, empfanden einige Fans das neue Werk als ein etwas zu berechenbares Hochglanzprodukt. Somit bleibt „Carlo Cokxxx Nutten 2“ ein gutes Gangsta Rap Album, das mit einem dritten Platz in den Albencharts auch kommerziell erfolgreich abschnitt, das Kult Potenzial der beliebten ersten Teile aber nicht weiterführen konnte.

Daher bleibt abzuwarten in welche Richtung ein etwaiges „Carlo Cokxxx Nutten 3“ gehen könnte: ob es sich bei einer erneuten Fortsetzung, egal in welcher Konstellation, um eine zwanghafte Angelegenheit handeln könnte, die nochmal mit dem klangvollen „CCN“ Namen um Verkaufszahlen werben will, oder ob mit einem neuen Charakter wieder ein wenig das alte und düstere Feeling aufkommen mag, wird sich zeigen. Bis dahin kann zwar noch einige Zeit ins Land ziehen, die Gerüchte um ein neues „CCN“ werden jedoch wahrscheinlich anhalten.