Back Then: Ali A$ & Xatar bei "Der Bluff"

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Bereits seit einigen Jahren sind nationale Medienmacher bestrebt die „hippe Jugendkultur“ deutschen Hip Hop’s auch in den gro??en Fernsehstationen standesgem?¤?? unterzubringen. Bei diesem Anliegen handelt es sich jedoch traditionell um ein schwieriges Unterfangen, denn anstatt ein authentisches Bild der deutschen Raplandschaft einzufangen, begn??gten sich viele TV Macher in der Vergangenheit damit die g?¤ngigen Hip Hop Klischees rund um skandaltr?¤chtigen Gangsterrap in den Vordergrund zu r??cken. Dass deutscher Hip Hop angemessen im Fernsehen repr?¤sentiert werden kann, bewies in j??ngster Zeit das TV Format „Cover My Song“, bei dem die Vorstellung deutscher Rapmusik in einer Fernsehsendung trotz aller vorherigen Bedenken funktionierte.

Aber auch schon einige Jahre zuvor wurde der Versuch unternommen eine Sendung zu konzeptionieren, die sich inhaltlich mit deutschen Hip Hop besch?¤ftigt. Der ungekr??nte K??nig des Doku Soap Formates RTL 2 nahm sich 2008 „netterweise“ der Hip Hop Thematik in der Sendung „Der Bluff“ an und pr?¤sentierte sein ihm eigenes Verst?¤ndnis vom deutschen Rap. Das Konzept der Show war darauf aufgebaut, dass eine Person in eine f??r ihn fremde Profession eintaucht und in diesem Fachgebiet ein vierw??chiges Coaching erh?¤lt, inklusive der tatkr?¤ftigen Unterst??tzung einiger sogenannter Promis. Am Ende dieser Lehrzeit sollte der Proband in seinem Themenfeld dann vor einer Fachjury bestehen und den Bluff somit aufrechterhalten. Geplante Sendungen waren zum Beispiel „Von der Burgerbraterin zur Sternek??chin“ oder „Vom Rocker zum Dirigenten“.

In der Pilotfolge jedoch stand Hip Hop im Mittelpunkt und wie schon der rei??erische Titel „Vom Poeten zum Gangsta-Rapper“ verriet, drehte es sich in der Debut Folge um einen wohlerzogenen Studenten-Hanswurst, der in einen waschechten G-G-G-Gangstarapper verwandelt werden sollte. Hauptprotagonist war demnach der 28-j?¤hrige Student Christian, der sich als bed?¤chtig auftretendes und Goethe’s „Faust“ zitierendes Weichei pr?¤sentierte und nun innerhalb k??rzester Zeit den Slang und das Auftreten der Gosse adaptieren musste.

Dem v??llig ??berzogen dargestellten Studentenl??mmel standen dabei „drei Experten aus der Welt des Rap“ zur Seite um seine schwierige Gangsterrap Mission zu erf??llen. Der damalige Deluxe Records Rapper Ali A$ fungierte als Rapcoach, die Harris Gattin Bintia durfte den Goethe Fanboy „szenetauglich umstylen“ und der wohl als Quoten-Gangster verpflichtete und damals noch nicht inhaftierte Xatar hatte die dankbare Aufgabe den Hardcore G in spe „in das Ghetto Leben einzuf??hren“.

In der Folge darf Streetrap Z??gling Christian dann klassische Gangsterrap Traditionen kennen lernen: es wird gen??sslich an der handels??blichen Sisha gezogen, „vulg?¤re Texte“ ??ber zu fickende Frauen werden inbr??nstig ins Mic eingerappt und das vertraute Bordell von nebenan wird heimgesucht. Zudem bekommt der feinf??hlige Uni Streber die Hausaufgabe gestellt Xatar’s 10 Rap Gebote (u.a. „Ride or Die“ und „Stop Snitching“) gef?¤lligst auswendig zu lernen. Diese vermutlich leichtere Aufgabe verpatzt der Kulturheini doch tats?¤chlich und muss zur Strafe dann in der Muckibude ein paar Hanteln stemmen. Zwischenzeitlich darf Samy Deluxe als Stimme der Vernunft noch dar??ber aufkl?¤ren warum Rapmusik nicht homophob und frauenfeindlich ist und auch Deso Dogg hat einen Gastauftritt und l?¤dt den Rap Novizen Christian in seine Kreuzberger Hood ein. Trotz des intensiven Coachings der Expertenrunde versagt der inzwischen als „Chrisko“ agierende Feingeist vor der Fachjury und wird als Bluffer enttarnt.

Insgesamt pr?¤sentiert sich „Der Bluff“ als Sammelsurium ungewollter Komik, in der die harten Typen mit ihren Kampfhunden vor teuren Schlitten posieren und der Goethe Loser erst einmal entjungfert werden soll, um als gestandener Mann bestehen zu k??nnen. Enthusiastisch werden m??glichst viele Hip Hop und Gangsterrap Klischees bedient und um den Kontrast zwischen eloquenten Studenten und hartem Proll Gangster m??glichst deutlich zu machen, pr?¤sentiert sich der gecastete Gangsterrap Lehrling in Wortwahl, Aussprache und Gestik m??glichst blasiert und affektiert. Folglich tritt wiederholt ein gewisses Fremdschamgef??hl auf, wenn sich der gewollt h??lzern und spie??ig auftretende Student in Hip Hop Gew?¤nder f??r 14-J?¤hrige h??llt und seine Beobachtungen zur Szene preis gibt oder das Expertentrio seine Gehversuche im Rap mit sinnfreien Kommentaren wie „Du hechelst gerade dem Beat hinterher. Du kriegst ihn nicht.“ oder „Die Jury wird gefickt“ kritisch begutachtet. Dementsprechend fiel die damalige Kritik f??r das Format in Rapkreisen niederschmetternd aus und auch quotenm?¤??ig brachte „Der Bluff“ nicht den erw??nschten Erfolg: nach wenigen Episoden wurde die Doku Soap sang-und klanglose abgesetzt und verschwand auf ewig in der Mottenkiste gescheiterter TV-Experimente.

Heutzutage kann man mit geh??rigen Abstand und der n??tigen Distanz den TV Klamauk fast schon wieder als unterhaltsam bezeichnen und inzwischen dem Trash Kasperle Theater ein unaufgeregtes Schmunzeln abgewinnen ohne jedes Aufregen ??ber die arg klischeebeladene Hip Hop Adaption. Oder wie Urrapper Faust es formulieren w??rde: „Wir wandeln mit bed?¤chtiger Schnelle vom Himmel durch die Welt zur H??lle“.