Back Then: Deutschrap im Dipset Fieber

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Während heutzutage A$AP Rocky und sein A$AP Mob weitestgehend die Straßen Harlems und die Medien in Übersee regieren, hallte vor einigen Jahren noch ein kräftiges „Holla At Ya Boy“ durch das New Yorker Viertel, bevor ein in pink gehüllter Mann mit seinem pinkfarbenen Range Rover majestätisch über die Straße rollte. Die Rede ist natürlich von Cameron Giles, der über mehrere Jahre mit seinen Dipset Spießgesellen und dem ganz eigenen Rap- und Slangentwurf das amerikanische Rapspiel prägte. Die eigentliche Rasselbande rund um Killa Cam, den talentierten jungen Spitter Juelz Santana, den stets fertigen Capo Jim Jones und den eigentlichen überflüssigen, aber gern gesehenen Freekey Zekey, war zwar verkaufstechnisch nie überragend erfolgreich, konnte sich aber dank des einzigartigen Musik-und Kleidungsstils sowie einer intelligenten Mixtape Strategie eine riesige Fangemeinde erspielen, die über den amerikanischen Kontinent hinaus bis hin ins alte Europa reichte. So schwammen auch zahlreiche Deutschrapper nur allzu bereitwillig auf der Dipset Welle mit und versuchten den Lebensentwurf aus Harlem inklusive der gängigen Adlibs in den eigenen Bezirk zu importieren.

Wofür aber stand Dipset überhaupt? Nun, zum Einen gab es da natürlich die Musik: die Diplomaten feierten inhaltlich in möglichst ignoranter Weise den eigenen Luxus und verpackten dies in ganz spezielle Reimschemata. So wurde teils bewußt langsam gerappt und auch gerne mal dasselbe Wort als Endreim benutzt, einfach um zu unterstreichen, wie ignorant man ist. Teils kleideten aber vor allem Cam’Ron, JR Writer und Juelz Santana ihre Texte in verschachtelte und anspruchsvolle Reimketten, so dass die Technik je nach Lust und Laune zwischen simpel und hochkomplex schwankte. Zum Anderen sporteten Cam und Co. einen ganz eigenen Klamottenkodex, der sich über Basketball Jerseys, lange T-Shirts und möglichst auffallende Farben wie Pink und Lila definierte.

In den Staaten nahm der Dipset Wahnsinn bald irrwitzige Ausmaße an und brachte neben zahlreichen Untergliederungen und Nebenverbänden mit so behämmerten Namen wie Dipset Taliban, Skull Gang, Byrdgang und Purple City auch eine schier unüberblickbare Anzahl an mehr oder weniger talentieren Mitstreitern wie JR Writer, Max B, Un Kasa, Shiest Bubz, Duke Da God, Hell Rell, Jha Jha, Agallah, 40 Cal. und anderen Weed Carriern hervor. Der Dipset Mikrokosmos wuchs in der kommenden Zeit auf eine solche Größe heran, dass er irgendwann kollabieren musste oder, besser gesagt, die internen Streitgkeiten Überhand nahmen und sich das „Movement“ zersplitterte: die Revolution fraß also auch hier ihre Kinder.

In Deutschland wurde derweil fleißig den Diplomaten gehuldigt und selbst so Rap Schwergewichte wie Bushido (mit JR Writer Feature auf dem „Staatsfeind Nr.1“ Album), Fler (mit Juelz Santana Kollabo) oder Samy Deluxe (ebenfalls mit einem JR Writer Feature, der sich in Deutschland mit seinen endlosen Reimketten besonderer Beliebtheit erfreute) verfielen kurzzeitig der Vogelgrippe.

Selbst heute redet ein Sentence, der damals auch sehr eifrig den Harlem Swag verfolgt hatte, fast ein wenig wehmütig (no homo) vom Max B Swag (Max B Swag= besoffen und zugedröhnt vor die Kamera treten und unterhaltsamen Nonsens von sich geben). Zeit also, in der heutigen Back Then Episode die Dipset Ära im Deutschrap anhand einiger Videos zu skizzieren:


Robird Styles feat. Kid Kobra & TaichiAlles Vorbei:

Bevor er dem Dipset Camp Tribut zollte und das englische Wort für Vogel in seinen Rapnamen einbaute, war Robird Styles noch unter der Rap Persona Robud Styles unterwegs und releaste über Big Bud Records das Album „Uhrwerk des Zorns“. Später ergriff ihn das Dipset Fieber und so hüllte er sich dann in bonbonfarbene Klamotten, eignete sich Rapschemata und ignoranten Slang aus Harlem an und ließ sich Pop-oder Rockmusik samplen um die passende musikalische Unterlage für die vielen „Cheeea“’s, „Braatt“‚s und „Eyy“‚s zu haben. All diese Zutaten findet man im Video zu „Alles Vorbei“ (oder wie Robird sagen würde: „3 Könige und ein Ass, my man.“) in dem die ehemaligen Dipset Fanatiker Kid Kobra und Taichi ebenfalls auf ein paar „Yap“‚s vorbeischauen. Der Beat erweist den Heatmakerz alle Ehre und dreht Metallica’s „Nothing Else Matters“ durch den Reißwolf:

Zusammen mit dem englischen Dipset Ableger S.A.S. nahm Robird Styles sogar den Track Eurobird in London auf:


Kool SavasBaby:

Ebenfalls kurz auf der Dipset Welle geritten ist Kool Savas. Schon zusammen mit Eko Fresh und dem Bitte Spitte Original brachte Savas die Teekesselchen Reime in den Deutschrap. 2003 gründete er dann zusammen mit Illmat!c, DJ Katch und DJ Release die kurzlebige Crew „Freunde der Sonne“ und legte mit seinen Kompagnons gleich das Album „Nur 24 Stunden“ nach, das in eben dieser Zeit aufgenommen wurde. Schon dem Cover des Werkes lässt sich eine gewisse Nähe zum „Diplomatic Immunity“ Cover nicht absprechen. Auch auf dem Tonträger dann dominiert der ignorante Sprücheklopfer Rap, bei dem teils Anleihen am Harlem Sound hervorstechen. Größter Dipset Moment ist ganz klar der Track ‚Baby‘, bei dem das Stefan Effenberg Gedenk Team ein deutsches ‚Oh Boy‘ aus dem Hut zaubert: auf einem extra käsigen Beat wird zwar dieses Mal nicht der Boy gelobt, aber dafür das Baby charmant umgarnt:


Fler feat. MuhabbetCüs Junge:

Der zu dieser Zeit noch bei Aggro Berlin aktive Fler ließ sich ebenfalls von der allgemeinen Dipset Hysterie anstecken. Erste Anzeichen gab es bereits auf seinem Debut „Neue Deutsche Welle“ bevor Frank White auf „Trendsetter“ dann endgültig die Cordon Sport Lederjacke in seinen Kleiderschrank verstaute und sich das 6 XXL Shirt sowie die dazu passende New Era Cap besorgte. Auf Cüs Junge streut der damalige Aggro Berliner dementsprechend nur allzu gerne ein paar „Boooyy“ Rufe („Sei nett zu ihr und du schaffst es Boooyy“) und eigene Wortkreationen wie „Abooh“ („Gangster schreien: Abooh“) in seine Strophen:


Kid Kobra & Smexer aka High Society:

Auch die beiden ehemaligen Beatfabrik Rapper Kid Kobra & Smexer ließen sich vom Charme des Pink Panther Cam’Ron verzaubern und setzten das Dipset Prinzip konsequent auf Deutsch um. Somit berappen die beiden Sportsfreunde ihren eigenen unermesslichen Reichtum und den Ficker Status bei den Ladys mittels eines gewollt langsamen und extra ignorantem Vortrags inklusive den bekannten Endreim Wiederholungen. Nicht fehlen dürfen darüber hinaus die obligatorischen „Crack That Dutch“ Ausrufe, die Kobra & Smexer mit solcher Inbrunst ins Mic hauchen, dass dem guten Cam’Ron mit Sicherheit vor Rührung die Tränen in die Augen schießen würden. Schön auch, wie behutsam Kobra den Ladys über den Kopf streichelt:

Auch in folgendem Clip gibt es mehr exotische Geräusche als in einem Vogelpark:


Samy DeluxeCap Song & Dip It Low:

Auch Samy Deluxe hatte eine kleine Bling Bling Phase, in der er in bester Dipset Manier dem Materialismus frönte. Während er sich heute neben seinen nach wie vor guten Battle Songs auch mit Themen wie seiner Vaterrolle oder der deutschen Gesellschaft beschäftigt, widmete er sich zu „Deluxe von Kopf Bis Fuß“ Zeiten lieber der passenden Kopfbedeckung. So eine New Era Cap ist schließlich auch eine wichtige Sache. Resultat des Tracks: Samy mag Caps und besitzt auch sehr viele Caps:

Für den deutschen Remix zur Christina Milian Single „Dip It Low“, hat der Wickeda MC dann sogar Cam’Ron’s Kleiderschrank geplündert und serviert seine Reime im geschmeidigen rosa Hemd und rosa Cap Zweiteiler (obwohl wir es hier „dank“ der bescheidenen Videoqualität eher mit einem hellrosa zu tun haben):


TaichiSeine Zeit:

Heute als Anti Rapper unterwegs, war Taichi damals noch mitten im „Spitter Game“ präsent und mehr als nur ein wenig von den Harlem Strolchen inspiriert. Logische Konsequenz des Ganzen: Tai zieht sich ein Kleid äh ein langes T-Shirt an und rappt über ein Instrumental, das ein JR Writer auch wohl gerne zersägt hätte. Trotz der vielen Dipset Anleihen sah man auch schon zu diesem Zeitpunkt, dass Taichi durchaus über eine ordentliche Portion Raptalent verfügt, wenn er nicht gerade wie ein Kleinkind an seiner Cap herumspielt:


Snaga & PillathKomm Mit:

Die beiden Ruhrpott Rapper S&P konnten ebenfalls dem Diplomaten Charme nicht ganz widerstehen und zwängten ihre bekannten Punchlines in das Dipset Korsett. Dabei verfügte das Duo jederzeit über den erforderlichen Wortzwitz und das nötige Charisma um sich von den anderen Harlem Fetischisten absetzen zu können, auch wenn vor allem Pillath in dieser Zeit von Santana The Great und Co. nicht nur unerheblich beeinflusst wurde: