Vor einiger Zeit baten wir unsere User uns ihre Lieblingsalben vorzustellen. Sie sollten uns in Form einer kurzen Review erzählen, warum sich dieses eine bestimmte Album einen besonderen Platz in eurem Plattenschrank verdient hat. In unserer neuen Rubrik „All Time Classic“ sollen die besten Einsendungen ihren Platz auf 16bars.de finden.
In der neuesten Ausgabe erzählt uns Seelix, warum für ihn Azads Debütalbum „Leben“ einen absoluten Deutschrap-Klassiker darstellt
Im Jahr 2000 waren für mich damals schon 5 Jahre als Deutschraphörer ins Land gegangen. Damals sah die Deutschlandkarte in Sachen Rap noch völlig anders aus, im hohen Norden herrschte die Mongo-Clikke und im Süden regierte „Stuggi-Town“ das Geschehen, Bands wie Freundeskreis und die Beginner konnten damals bereits großen finanziellen Erfolg feiern. Es herrschte Einigkeit zwischen den Parteien und fast bei jeder Veröffentlichung neuen Materials hatte man ein Feature von der anderen Seite Deutschlands am Start. An Berlin oder Frankfurt, war für mich, eher in Ausnahmefällen zu denken, doch dann sollte sich 2000 mit einem Video alles ändern.
Ich sehe mich heute noch vor dem Fernseher sitzen und bei „Fett MTV“ läuft „Napalm“ von Azad, kein anderes Video hat mich jemals mehr so geflasht und fasziniert wie dieses. Für die meisten Hörer heutzutage ist es alltäglich das in jedem 2ten Rap-Video die ganze Crew am Start ist und böse guckt oder ne Sturmmaske trägt und seit Haftbefehl wissen wir ja auch das „Bazookas im Videoclip“ nicht mehr auszuschließen sind. Aber für jemanden, der die Harmonie vergangener Tage noch erlebt hat, war dies ein völliger Kulturschock.
Wer ist dieser Azad?, war meine Frage. Damals ohne viel Möglichkeiten Informationen zu beschaffen, wartete man einfach geduldig bis Mai 2001 endlich „Leben“ auf den Markt kommen sollte, dazwischen hatte die Single „Gegen den Strom“ noch einmal für ordentlich Vorfreude gesorgt. Ich wusste nicht so recht, was mich auf dem Album erwarten sollte, schließlich hatte „Gegen den Strom“ inhaltlich so ziemlich alles auseinandergepflückt, was ich damals als Rap betrachtete. Aber als es dann endlich soweit war und ich das erste Mal „Leben“ in mich aufsog, war es dennoch, als wäre ich in eine völlig andere HipHop-Welt abgetaucht.
Lieder wie „Freiheit“ oder „1 Mann Armee“ jagen mir heute noch die pure Gänsehaut über den Körper. Natürlich ließ ich meine damaligen Bands wie Freundeskeis oder Blumentopf nicht einfach fallen und ich würde sie auch heute niemals verleugnen, aber Azad öffnete mir mit „Leben“ einfach einen komplett neuen Blickwinkel auf Rap, auf die Welt, im Prinzip für einen damals 16-Jährigen auf so ziemlich alles. Mein Blick ging nun Richtung Westen, Frankfurt übte ab jener Zeit immer einen unglaubliche Anziehung auf mich aus, was bis heute in keinster Weise nachgelassen hat. Wenn ich mich heute mit Leuten, die damals schon Rap hörten unterhalte, dann ging es vielen ähnlich wie mir, das Video zu „Napalm“ und „Leben“ haben für mich Deutschrap grundlegend verändert, danach war Vieles nicht mehr so, wie es war. Die Harmonie vergangener Tage war vorbei und das war auch irgendwo gut so, denn mit den „Mentalen Krisen“ wurde man nun immer häufiger konfrontiert und niemand konnte einem da soviel moralische Stütze geben wie es Azad getan hat.
Ich habe „Leben“ gewählt, obwohl ich davor schon viele Jahre Deutschrap hörte, aber kein Album und auch kein Künstler haben für mich jemals wieder mehr verändert, als es dieses Album vermochte.
Ich freue mich schon sehr darauf, dass Azad, trotz aller Kritik, einer der wenigen, der Rap Treugeblieben ist, mit „Nebel“ und „Leben 2“ an diese großartige Zeit anknüpfen will.
„Für immer im Wahn„.
- Seelix
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