All Time Classic - User reviewen ihre Lieblingsalben: Illmatic

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Vor einiger Zeit baten wir unsere User uns ihre Lieblingsalben vorzustellen. Sie sollten uns in Form einer kurzen Review erzählen, warum sich dieses eine bestimmte Album einen besonderen Platz in eurem Plattenschrank verdient hat. In unserer neuen Rubrik „All Time Classic“ sollen die besten Einsendungen ihren Platz auf 16bars.de finden.

Den Anfang macht dabei eine Auseinandersetzung mit einem Album, das wohl zumindest in jeder Top 5 der besten Rap-LPs zu finden sein sollte. Aus dem fernen Japan sandte uns Yosaku S. seine Review zu Nas Debütalbum „Illmatic.


Nas – Illmatic (1994)

Jüngst veröffentlichte der Suhrkamp-Verlag den Aufsatz ?Rappen lernen? des amerikanischen Pop-Essayisten Mark Greif, der schon vor ein paar Jahren als Teil einer Anthologie seiner Aufsätze aus dem Magazin n+1 veröffentlicht worden war. In dem hervorragenden Aufsatz, der eine interessante Perspektive auf die Hip-Hop-Kultur, speziell auf die Rapmusik, vorführte, beeindruckte mich das Vorgehen des Autors: Ausgehend von der ersten Zeile aus N.Y. State Of Mind von Nas versucht der Autor rappen zu lernen. Er bemerkt, dass Nas in einer ersten Zeile wesentlich mehr Silben unterbringe als beispielsweise Elvis Presley das tat. Mit einer etwas biederen Art bringt er Nas Anerkennung entgegen. Das Feuilleton gibt Rappern Props!

Angefixt machte ich mich an jenes Album, welches für mich das beste und rundeste englischsprachige Stück Rap ist. Denn seit nunmehr zwei Monaten höre ich es fast täglich ? nachdem ich es so lange nicht gehört habe. Aber ich höre es nicht nur. Ich studiere es. Einer biblischen Exegese gleich drehe, drücke und quetsche ich die Silben, Wörter und Zeilen des Rappers aus Queensbridge, der für mich immer vor Jay-Z kam.

?Rappers I monkey flip em with the funky rhythm I be kickin?

Es gibt Zeilen im Rap, die sich bei mir festsetzen. An ihnen stimmt alles. Als hätten Reim, Rhythmus, Tonlage, alles, was dazugehört, den perfekten Moment. Diese perfekten Momente gibt es auf Nas? Debüt-Album „Illmatic“ oft. Ich studiere nun diese perfekten Momente des Raps, jeden Tag erneut. Ich lerne eine neue Sprache. Englisch kann ich schon. Ich lerne die Sprache von Nas. Es gibt ein Sprichwort, in welchem es heißt, dass heilige Schriften oft genau so viel Zeit zum Verständnis benötigten, wie sie in ihrer Entstehung brauchten. Da brauche ich wohl noch etwas! Angeblich sind die Tracks auf „Illmatic“ innerhalb von zwei Jahren entstanden.

Es können auch zwei Zeilen sein:

?I woke up early on my born day, I’m twenty years of blessing / The essence of adolescent leaves my body now I’m fresh in?

Unglaublich. Innere Reime, das Zwerchfell von Nas arbeitet wie ein Presslufthammer. Mittels Mund, Luft, Tonlage und leichtem verschmieren der Sprache wird aus zwei Zeilen ein 32-silbiges, zischendes, rollendes ? eben perfektes ? Wortgebilde. Und jedes mal stehe ich sprachlos da, während der Rapper mir nicht den Gefallen tut, kurz inne zu halten, auf dass ich über die Zeile nachdenken könne. Es geht weiter.

„Illmatic“ kündigte sich mir schon vorletztes Jahr an, als Mac Miller, der kaum älter als das Album selbst ist, wie Nas proklamierte, dass nur Schuhe von Nike seinen Rap perfektionierten. Und auch hier werde ich wieder fündig: ich verweile im perfekten Rap-Moment. Doch bevor ich den Moment genießen kann, eilt Nas weiter.

?I trip we box up crazy bitches aimin guns in all my baby pictures / Beef with housin police, release scriptures that’s maybe Hitler’s?

Bei so perfekten Zeilen, ungeachtet des jeweiligen Inhalts, bleibt nur anzuerkennen: the world is his! „Illmatic“ ist das Album meiner Wahl. Jeden Tag. Die Perfektion des Raps färbt auch auf mich ab. Gut gelaunt versuche ich unhörbar die Zeilen mitzustottern, während ich mit dem Kopfhörer in der U-Bahn sitze. Es ist ein perfekter Tag.

Yosaku S. aus Kyoto


Schickt uns auch weiterhin eure „All Time Classic„-Reviews! Ob es sich dabei um ein Release eines deutschen, amerikanischen, französischen oder sonstigen Künstlers handelt, ist dabei völlig egal. Erzählt uns was euch mit dem Album verbindet und was es so einzigartig macht. Die besten Einsendungen werden veröffentlicht und mit einem 16bars.de-Goodiepaket prämiert. Sendet eure Vorschläge bitte mit Namen und Anschrift an [email protected].